Handarbeit (This Week in Wortsteinschwalbe 12.02.2012)

Word anno 1867

Word anno 1867

Man sieht es diesem Blogeintrag vielleicht nicht an, aber er ist schon ein bisschen was besonderes.

Warum?

Weil er mit der Hand geschrieben wurde.

Wer schreibt bitte heute noch mit der Hand? Ich habe täglich mehr Keyboards, mehr Laptops, Handys und iPads in den Pfoten, als ich von diesen schwarzen Stabilo-Sechskant-Schreibern besitze. Hielte mir jemand eine Pistole an den Kopf und flüsterte mir ins Ohr: „Gib mir deinen Füller, oder ich drück‘ ab!“ – ich wäre ein toter Mann, denn so eine Antiquität habe ich seit Jahren nicht mehr besessen. (Bis auf eine sehr schöne Schreibfeder, die mir ein Freund einmal zum Geburtstag geschenkt hat und die ich übrigens in den Umzugskartons doch noch wiedergefunden habe: Hi, Juli!).

Meine Grunschullehrerin hatte recht.

Meine Grunschullehrerin hatte recht.

Warum zum Teufel also Krämpfe und Sehnenscheidenentzündung riskieren, wenn es doch die moderne Technik gibt? Marcus Johanus (@parzivalbell) hat schon recht, wenn er sagt, dass ihm von der Hand schreiben viel zu langsam geht. Der Kopf funktioniert schneller, als die Tinte hinterherkommt. Es ist auch anstrengend und versetzt einen ganz schnell zurück in die Schulzeit, als man sich an Klausuren die Finger wund schrieb. Hinzu kommt, dass schon meine Grundschullehrerin der Meinung war, meine Sauklaue könne niemand lesen.

Trotzdem. Mit der Hand schreiben rockt. Meine Produktivität ist so hoch wie nie. Wenn ich will, kann ich jederzeit und überall schreiben – zuhause, im Bett, im Zug, bei der Arbeit (natürlich nur in der Mittagspause), egal wo. Auch die Schwelle vom Schreibimpuls bis zum Tippen entfällt: Mit der Hand habe ich schon den ersten Absatz hinter mir, während der Laptop noch hochfährt.

Viel wichtiger scheint aber zu sein, dass meine kreativen Säfte auf diese Weise leichter fließen. Ob sich das in der Qualität niederschlägt, wird sich zeigen, wenn ich das alles abgetippt habe. Aber auch so spare ich einen Arbeitsschritt, denn beim Abtippen editiere und verändere ich ganz natürlich, ohne mir damit Mühe zu machen.

Auch habe ich den Eindruck, dass die Beziehung zum Text viel inniger wird – entschuldigt mich kurz, während ich grad mal Kotzen gehe, denn dieser Satz kling so widerlich gestelzt und ist aber dennoch wahr. Irgendwie fühlt sich eine Seite von Hand geschrieben besser an, als ein Word-Dokument es jemals könnte.

Vielleicht bin ich einfach ein sehr haptischer, kinästhetischer Mensch, dem die Tintenflecken an den Fingern helfen zu schreiben. Ich kann es nur jedem raten, es mal auszuprobieren. Wir treffen uns dann alle beim Arzt, zum Krämpfe lösen.

Bilder © Gregor Fischer und eine viel zu alte Digitalkamera


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