Hallo Freunde des Handballsports,
heute habe ich Dr. Mickel Washington im Interview. Der Schiedsrichter, dem die Patienten vertrauen. Das Schiedsrichterwesen ist meiner Meinung nach bisher viel zu kurz gekommen, deshalb habe ich Mickel interviewt. Er ist vielbeschäftigt, sieht das aber nicht als Stress, erzählt mir wie man in der heutigen Zeit als Schiedsrichter überleben kann und wie es ohne Handball für ihn wäre: ziemlich langweilig!! Aber lest selbst:
Hallo Mickel, heute habe ich zum ersten Mal einen Schiedsrichter als Interview-Partner. Seit wann bist du Schiedsrichter und wie bist du dazu gekommen?
Ich bin seit 14 Jahren Schiedsrichter, angefangen also 2000. Zu dieser Zeit war ich bereits als Jugendtrainer in Wernau aktiv. Und so wie es oft ist, war ich als Trainer nicht mit den Schiedsrichterentscheidungen zufrieden gewesen. Ich wollt es einfach besser machen. Als ich dann angefangen hatte, stellte ich jedoch fest, dass dies gar nicht so einfach ist wie man sich das vorstellt.
Was muss ein guter Schiedsrichter heute mitbringen? Welche Eigenschaften bzw. Fähigkeiten denkst du können einem helfen, ein Spiel gut zu leiten und auch der (leider) zunehmenden Aggression gegen Schiedsrichter auf der Zuschauertribüne entgegen zu wirken?
Ein guter Schiedsrichter braucht in aller erster Linie ein gutes Spielverständnis. Aber auch Charaktereigenschaften wie Durchsetzungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit sind von entscheidender Bedeutung. Hinzu kommen Selbstbewusstsein und eine gewisse Toleranz gegenüber Kritik, die von außen kommt (Kritikfähigkeit). Schreie von außen vom Publikum gehören leider schon zum Alltag. Da hilft manchmal nur auf „Durchzug“ stellen und es nicht ernst nehmen. Leider sind manche Zuschauer nicht sehr regelfest. Aber selbst Spieler und Trainer sind nicht immer regelkundig. Hier wäre sicherlich eine Ansatzstelle, Missverständnisse auszuräumen. Dies würde den Job als Schiedsrichter sicherlich erleichtern. Du hast den Punkt angesprochen, etwas an der Regelkunde von Zuschauern oder auch Beteiligten gesprochen. Sicherlich ein Punkt um dem Schiedsrichterwesen entgegen zu kommen.
Was könnte man noch tun, um das Interesse von Jugendlichen am Schiedsrichterwesen zu stärken und sie auch langfristig beim pfeifen zu halten? Was muss sich deiner Meinung nach ändern?
Also das Wichtigste ist, meiner Meinung nach, dass Jungschiedsrichter in ihrem ersten Jahr von einem „Paten“ begleitet werden müssen. Hier erhalten sie Unterstützung und Rückhalt. Hier können z.B. auch Fehler gleich vor Ort besprochen werden oder einfach mal Tipps in der Halbzeitpause gegeben werden. Dadurch werden Jungschiedsrichter besonders geschult und werden automatisch besser. Und ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Jungschiedsrichter nicht einfach nur „Freiwild“ für Agressionen, von den zu meist elterlichen Zuschauern oder Jugendtrainer werden, wenn nämlich noch ein erfahrener Schiedsrichter mit dabei ist. Hier kann gleich vor Ort der Wind aus den Segeln genommen werden. Ich selber habe auch schon öfters auf der Tribüne unangebrachte Kritik an einem Jungschiedsrichter unterbunden und das Gespräch gesucht. Hierbei ist es dann schon verwunderlich, dass dann auf einmal alle Verständnis zeigen. Eine andere Möglichkeit ist eine ganz pragmatische: einfach mal während dem Training einen Spieler auffordern das Zielspiel, zu meist am Ende vom Training, zu pfeifen. Das hat gleich zwei positive Aspekte: 1. merkt der Spieler, dass das Pfeifen gar nicht immer so einfach ist und bekommt Verständnis für den Schiedsrichter und 2. bekommt dann der eine oder andere doch auch die Lust zu pfeifen, wenn er es einfach mal ausprobiert.
Ist man als guter Handballer auch ein guter Schiedsrichter bzw. ist man als guter Schiedsrichter automatisch ein guter Handballer? Und wie ist das bei dir?
Ich glaube nicht, denn ein guter Spieler muss auch nicht unbedingt ein guter Trainer sein oder umgekehrt. Wobei es ist schon so ist, dass Schiedsrichter die quasi nicht nur am Wochenenden pfeifen, sondern die auch noch als aktiver Spieler oder Trainer unterwegs sind, ein besseres Spielverständnis aufweisen. Aber ob sie dann auch gut sind, sei mal dahin gestellt.
Du bist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie im Ruiter Krankenhaus, Mannschaftsarzt in Horkheim, Trainer bei den Männern in Fellbach und Schiedsrichter. Gibt es da einen Zusammenhang? Helfen die Fähigkeiten, die man bei einer Tätigkeit lernt oder ausübt, in einem Punkt weiter?
Auf jeden Fall. Ich sehe unsere Sportart von verschiedenen Perspektiven. Das hilft mir, die Trainer und Spieler besser zu verstehen. Und durch meinen Job bin ich es auch gewohnt, mal hektische Phasen und Stress zu überwinden.
Bei all den Tätigkeiten, bleibt da noch Zeit für etwas anderes? Was macht Dr. Mickel Washington, wenn er gerade nicht pfeift oder Leben rettet?
Leider bleibt da wirklich nicht mehr viel Zeit, für was anderes. Aber Handball habe ich nie als Stress empfunden. Es ist der ideale Ausgleich zu meinen Beruf. Ansonsten treffe ich mich gerne mit meinen Freunden und geh was trinken, oder bleib einfach zuhause auf dem Sofa. Im Urlaub bin ich dann doch eher der Chiller, der dann nur am Strand liegt oder bisschen surfen tut. Am liebsten auf Fuerteventura (lacht dabei, Anm. d. Red.).
Zum Abschluss die „was wäre wenn“-Frage. Was würdest du mit deiner Freizeit anstellen, wenn du damals bei einem Glas Sauvignon Blanc entschieden hättest „Ich hänge die Pfeife an den Nagel, ich stell die Handballschuhe in den Schrank“? Wie würdest du dein Wochenende, dein Abend heute verbringen?
Golfspielen gehen (lacht dabei, Anm. d. Red.) und am Abend mich dann zu Tode langweilen.
Ich bedanke mich bei Dr. med. Mickel Washington für dieses unterhaltsame und informative Interview und wünsche ihm viel Erfolg auf und abseits des Spielfelds.
In diesem Sinne,
Euer Eippy