Hamstern für den Euronotfall

Von Newssquared @Oliver_schreibt

Nach dem gefühlt hundersten Eurokrisengipfel, der am 8. und 9. Dezember in Brüssel stattfand, hat Günther Jauch zur gefühlt hundersten Talkkrisensitzung in Sachen Euro geladen. Der Moderator leitet den Abend mit der Frage «Kommt die Krise nun auch zu uns?» ein. Dabei mögen viele Zuschauer gedacht haben, sie sei schon längst da. Aber wie auch immer, Grund zur Entwarnung gibt es dennoch nicht, glaubt man den Analysen der Talkgäste und den Beiträgen der Jauch-Redaktion.

Die Standpunkte der illustren Runde aus Oskar Lafontaine (Die Linke) und Edmund Stoiber (CSU), Wirtschaftsexperte Hans-Werner Sinn, ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause und EU-Politikerin Viviane Reding sind schnell klar. Stoiber hat das Unheil schon früh kommen sehen und animiert zum Sparen. Denn schuld an der Misere sind die Länder, die über ihren Verhältnissen gelebt haben. «Wir bezahlen die Bunga-Bunga-Politik von Berlusconi», schimpft der Ex-Ministerpräsident Bayerns. Länder wie Italien müssten sich endlich eine neue Mentalität aneignen, die sie nicht mehr ausgeben als einnehmen lässt. In Bayern hätte er das schließlich auch geschafft.

Ausgeglichene Haushalte will auch Reding. Dafür sollen in Zukunft strengere Richtlinien sorgen, mithilfe derer die EU nicht nur Empfehlungen aussprechen, sondern auch Maßnahmen erlassen kann. Ihr Drei-Punkte-Plan lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. sparen, 2. Schulden senken, 3. in Strukturen investieren. Hehre Ziele, deren Umsetzung allerdings wie so oft offen bleibt. Lafontaine sieht da ganz andere in der Verantwortung. Grund allen Übels sind ihm zufolge die Banken: «Die Diktatur der Finanzmärkte muss gebrochen werden», sagt er.

Die Ratingagentur – der Feind?

Dementsprechend ungeheuer sind ihm auch Ratingagenturen, die die finanzielle Sicherheit ganzer Staaten beurteilen. Jüngst hat die US-Agentur Standard & Poor’s angedroht, den EU-Rettungsschirm und 15 EU-Staaten – darunter auch Deutschland – herabzustufen. Grund genug, eine Verschwörung zu vermuten? Für die Jauch-Redaktion schon. Sie stellt fest, dass alle drei großen Ratingagenturen (Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) in den USA sitzen und deshalb ein potenzielles Interesse haben, gegen den Euro zu arbeiten.

Eine äußerst kurzsichtige Kausalkette, die von den Wirtschaftsexperten Sinn und Krause auch sogleich zerschlagen wird. Ersterer gesteht den Ratingagenturen sogar einen wichtigen Nutzen zu: Mit ihren Bewertungen würden sie die Zinsen «ausspreizen» und so viele Staaten vor einer noch exzessiveren Verschuldung schützen. Wir lernen also: Hohe Zinsen sind gut und Ratingagenturen funktionieren wie Frühwarnsysteme.

Wenn es um Alarmglocken geht, schrillen die bei Eurokritiker Bernhard Seitz unüberhörbar laut. Er muss in einem Einspieler als Paradebeispiel für die Angst der Deutschen vor der Krise herhalten. Und was tut er als solches? Natürlich hamstern, bevor die Supermärkte dicht machen – Szenen, die man sonst nur von der Vorbereitung auf Tornados in den USA kennt. Sein Geld setzt Seitz aber nicht nur in Haferflocken, sondern auch in Gold um, denn das sei immer sicher. Bevor nun aber viele Deutsche in einen Kaufrausch verfallen, gibt Experte Sinn Entwarnung: «Selbst wenn der Euro kaputt geht, kann man in Deutschland sein Geld noch am ehesten sichern.»

Ein Nordeuro gegen die Integration

Und für den Fall, dass das tatsächlich passiert, hat Jauch auch eine Idee. Die ist allerdings noch weniger ernstzunehmen als die Verschwörungstheorien und das Hamstern. Dirk Meyer von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg schlägt in einem Spot den sogenannten Nordeuro vor. Der soll nur für finanziell solide Nordländer (darunter etwa Deutschland und Finnland) gelten und in einer Geheimaktion à la James Bond eingeführt werden. Und das soll Integration sein? Krause hat dafür zu Recht nur ein Wort übrig: «schmalspurig».

So gestaltet sich leider auch der Talkabend, der bis auf ein paar absurde Ideen und einen sich ab und an in Rage redenden Stoiber nicht viel zu bieten hat. Am aussagekräftigsten ist da noch Jauchs Gesichtsausdruck, den er mit beeindruckender Konstanz bis zum Schluss hält und der irritiert bis verwirrt wirkt. Zumindest damit spricht der Moderator so manchem Durchschnittszuschauer, der in der Euodebatte bisweilen nur noch schwer mitkommt, aus der Seele.

Bestes Zitat: «All diese Zahlen, da dreht es einen ja.» (Viviane Reding)

Quelle:
News -
Medien News -
«Günther Jauch» – Hamstern für den Euronotfall