Nelson gilt für viele Reisende als Ausgangspunkt für ein- oder mehrtägige Ausflüge in den Abel Tasman Nationalpark, der gemeinhin als einer der schönsten Neuseelands gilt und zu den sogenannten “Great Walks” zählt. Er liegt an der Küste zwischen der Golden Bay und der Tasman Bay, in welcher auch Nelson liegt. Trotz unseres mehr als 3-monatigen Aufenthalts in diesem sonnigen Städtchen haben wir es aber bisher wegen Wetter oder Arbeit nicht geschafft, selbst einen Ausflug dorthin zu unternehmen. Letzten Sonntag war es endlich soweit. Schon seit Wochen mit Tim und Caro geplant, aber immer wegen schlechtem Wetter verschoben, startete die eine Gruppe (Claudi, Caro, Katja & Christina) zu einem Reit- und die zweite Gruppe (Tim, Flo, Lotte, Hardy & ich (Jere)) zu einem Kajakausflug nach Marahau, einem winzigen Örtchen am Eingang des Abel Tasman Nationalparks. Die Sonne strahlte und wir alle freuten uns auf den vielversprechenden Tag.
Los gings für unsere Kajakgruppe schon um 7.30 Uhr morgens, da wir um 9 Uhr unsere Einführung in Marahau bekommen sollten. Flo und ich (Jere) fuhren also nach Stoke zu Tim, der uns dann mitteilte, dass er Hardy und Lotte wegen Startschwierigkeiten mit ihrem Auto abholen müsse. Also vereinbarten wir einen Treffpunkt und Flo und ich machten uns schonmal auf den ca. einstündigen Weg. Nachdem wir in Marahau im Check-In-Center angekommen waren, in dem Tim gerade sein Studienpraktikum absolviert, und unseren (dank Tim vergünstigten) Obolus für die Kajak-Leihe entrichtet hatten, wurden wir zu unseren Kajaks geführt, wo uns ein Guide (dessen Namen ich leider vergessen habe) eine kurze Einführung ins Sicherheitsequipment gab und wir uns mit Neopren-Anzügen, Paddle-Jackets, Schwimmwesten und hübschen Röcken für’s Verschließen der Kajak-Öffnung ausstatteten. Wir verstauten unser Mittagessen und unsere Schuhe im Rumpf der Kajaks, packten unsere wasserempfindlichen Gerätschaften (Kamera, Handy, Geldbeutel) in wasserdichte Köfferchen und verluden die Kajaks dann auf ein Vehikel, welches uns zum Meer brachte.
Dort ließen wir die Kajaks nach einer weiteren kurzen Einführung ins Wasser und paddelten zur Eingewöhnung ein wenig herum, wobei uns der Guide noch ein Stückchen begleitete. Tim traute sich ins Einzel-Kajak, Hardy paddelte zunächst mit Lotte und Flo nahm hinter mir im Kajak Platz. Dann übernahm Tim die Führung, freute sich darüber, dass wir auf dem Heimweg wahrscheinlich Rückenwind bekommen würden und wir machten uns auf den Weg um die erste Landspitze zum “Split Apple Rock”, der genauso aussieht, wie er heißt: ein runder aber in der Mitte gespaltener großer Felsen. Tim, der schon mehrere Kajak-Touren im Abel Tasman mitgemacht hatte, klärte uns über die lokale Vogelwelt (z.B. Kormorane) auf und erzählte uns eine kurze Maori-Sage zum Felsen, bevor wir drehten und in die entgegengesetzte Richtung mit Kurs auf die Insel Adele Island paddelten, auf der wir unsere mitgebrachten Fressalien vertilgen wollten. Auf dem Weg zur Insel fiel Flo im Wasser ein merkwürdiger Vogel auf, der ständig auf- und abtauchte, und nach kurzem Überlegen bemerkte Tim, dass es sich wohl um einen Blue Penguin (Zwergpinguin) handeln müsse.
Auf der Insel angelangt, von welcher sich eine lange Sandbank in Richtung Festland erstreckt, auf der häufig Hochzeitsfotos gemacht werden, freuten wir uns über unser Mittagessen und bestaunten den tollen Ausblick und die üppige Vegetation: urwaldähnliche Wälder mit riesigen Farnen. Adele Island ist ein Vogelschutzgebiet, weshalb man dort im Gegensatz zur Küstenregion lauten Vogelgesang vernehmen kann. Auch hier erzählte Tim wieder – über Herkunft des Namens der Insel und Geschichte des Abel Tasman Nationalparks. Nach dem Mittagessen ließen wir die Kajaks erneut zu Wasser und fuhren zur anderen Seite der Insel, wo wir ein paar ganz junge Seehunde (seals) beim Wasser- und Sonnenbad bestaunen konnten.
Von dort ging es quer über das Meer zum Strand bei der Watering Cove, wo wir wieder unsere Kajaks aus dem Wasser zogen und einen Kurztrip den Hang hinauf unternahmen, von wo wir einen super Ausblick auf die Torrent Bay und auf Anchorage (hier befindet sich die erste Hütte des Coastal Treks) hatten. Leider hatten wir nur wenig Zeit, da wir die Kajaks um 15:30 Uhr wieder in Marahau abgeben hätten müssen, und so eilten wir wieder den Berg hinab und machten unsere Kajaks wieder startklar. Der Landausflug dauerte nur ca. 20 Minuten, doch in dieser kurzen Zeit war ein starker Wind aufgezogen, der uns die Heimfahrt erschweren sollte.
Wir setzten uns also wieder in unsere Kajaks und machten uns auf den Rückweg. Der Wind wurde immer stärker und kam genau von vorne. Das ließ uns Tim’s Worte “Auf dem Heimweg haben wir wahrscheinlich Rückenwind” wie Hohn erscheinen, zumindest ich konnte aber immernoch darüber schmunzeln. Doch es war wirklich hart: die Wellen schlugen über den Bug der Kajaks und der Wind war teilweise so stark, dass man sein Paddel kaum noch in der Luft nach vorne drücken konnte. Das ist schon etwas demotivierend, wenn man seine gesamte Kraft ins Paddeln legt, das Kajak sich aber immernoch rückwärts fortbewegt. Nur Tim, der inzwischen mit Lotte in einem Boot saß, schien von all dem nicht sonderlich beeinträchtigt und paddelte munter voraus. In jeder Bucht hofften wir, dass hinter der nächsten Landspitze der Ausgangspunkt zu sehen sein würde. Doch so weit kam es nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Paddelns, Schwitzens und Fluchens passierte das Unvermeidliche: Flo, inzwischen im Einer-Kajak unterwegs, entschied sich zu einer 180° Drehung entlang der Fahrtrichtungs-Achse, tauchte also mit dem Kopf ins Wasser und war Pitschnass, weshalb wir alle erneut anlandeten.
Tim übernahm die Führung und entschied, dass wir die Kajaks am Strand zurücklassen und uns zu Fuß auf den Rückweg machen sollten. Das war meiner Meinung nach genau die richtige Entscheidung und der Muskelkater in meinen Schultern (der weniger schlimm ausgefallen war als angenommen) dankt es Tim. Wir zogen die Kajaks also ein Stück über den Strand zu einer geeigneten Lagerstelle, zogen unsere Schuhe an und schlappten los. Die Kajaks wurden später von einem Wasser-Taxi-Boot abgeholt. Die entgegenkommenden Wanderer müssen sich ganz schön gewundert haben: 4-5 total fertige Leute in Neoprenanzügen mit Plastiktüten und kleinen wasserdichten Köfferchen in der Hand hetzen durch den Urwald. Da ich nämlich um 5 Uhr zur Rezeptionsübernahme wieder im Hostel sein wollte, konnten wir nicht so gemütlich wandern, wie ich mir das gewünscht hätte. Und so liefen wir die 5.5km anstatt in den vom Department of Conservation veranschlagten 105 Minuten in nur 75 Minuten und waren heilfroh, als wir endlich den Eingang des Nationalparks erreicht hatten. Dort wurden wir wieder von dem Guide mit einem Auto abgeholt und zurück zum Ausgangslager gebracht, wo wir eine heiße Dusche (Flo war immernoch durchgefroren) nehmen und uns trockene Sachen anziehen konnten.
Im Nachhinein betrachtet war es ein echt genialer Trip. Das Wetter war bis auf einen ganz leichten 2-Minuten-Regen und den starken Wind bei der Rückfahrt perfekt, wir hatten einen kostenlosen Super-Guide, vergünstigte Leihgebühren und trotz der Anstrengung sehr viel Spaß. Ich kann einen Kajak-Trip im Abel Tasman Nationalpark nur jedem empfehlen, selbst wenn man keine Vergünstigungen bekommt. Die Landschaft, die Strände, der Wald – Hammer!