Hamed Abdel-Samad
Auf der Seite der Tagesschau findet sich ein Interview mit Hamed Abdel-Samad zu dem Vorgängen im Nahen Osten. Ich nehme ausnahmsweise mal einen etwas längeren Ausschnitt daraus… einen eigenen Artikel zu diesem Thema habe ich bereits in der Maschine.
Nic
Warum sorgt der islamfeindliche Film “Innocence of Muslims” für derartigen Aufruhr? Er sehe “ein Kräftemessen zwischen archaischen und modernen Strömungen”, sagt Autor Abdel-Samad im Interview mit tagesschau.de . Die Erziehung zum Hass in der muslimischen Welt müsse gestoppt werden. Der Westen dürfe nicht mit Gegengewalt antworten.
tagesschau.de: Verstehen Sie die Empörung, die der Film “Innocence of Muslims”auslöst?
Hamed Abdel-Samad: Ich verstehe die Empörung. Und der Film will ja genau dies provozieren. Was ich nicht verstehe, ist die Dimension der Wut. Die Muslime müssen lernen zu akzeptieren, dass mehr als sechs Milliarden Menschen keine Muslime sind. Und dass nicht jeder dieser sechs Milliarden den Propheten Mohammed achtet. Hinter dem Film wird von vielen Muslimen kein Einzeltäter gesehen, sondern er steht für den gesamten Westen und dessen Geisteshaltung. Es fehlt die Erkenntnis, dass die US-Regierung solche Filme nicht in Auftrag gibt und auch nicht verhindern kann. Es fehlt die vernünftige Reflexion darüber, dass die große Mehrheit der Menschen in den westlichen Kulturen anders denkt als diese paar fanatischen Spinner. Da gibt es noch viel Aufklärungsbedarf. [...]
tagesschau.de: Der Film tauchte kurz vor dem 11. September in der arabischen Welt auf. Ist das Zufall?
Abdel-Samad: Der Film existierte im Internet schon länger. Aber er wurde jetzt durch den amerikanischen Pastor Terry Jones promotet, der ja bekannt ist für seine Koran-Verbrennungen. Dies gab zusätzlich Zündstoff. Und dann wurde er ganz gezielt in islamischen Medien verbreitet. Der einzige Fernsehsender, der längereTeile des Films gezeigt hat, war nicht ein westlicher TV-Sender, sondern der salafistische Satellitenkanal Al-Nas, den in der arabischen Welt Millionen Menschen sehen. Ganz gezielt wird hier also die Stimmung angeheizt – von Fanatikern auf beiden Seiten. Der Angriff auf den US-Botschafter in Benghasi war ja eine ganz gezielte und gut vorbereitete Aktion bewaffneter Islamisten. Man hat die Protestwelle genutzt für eigene Rachefeldzüge: um einen lang geplanten Mord zu begehen.
tagesschau.de: Haben wir es bei der Protestwelle mit einer Massenbewegung zu tun?
Abdel-Samad: Nein, es ist keine Massenbewegung, wenn 2000 Ägypter vor der US-Botschaft protestieren in einem Land, in dem 85 Millionen Menschen leben, in einer Stadt, wo fast 18 Millionen Menschen wohnen. Es handelt sich um eine Minderheit von Menschen, die mit Wut reagieren, weil sie nichts anderes gelernt haben. Und weil in den Medien der Hass gegenüber dem Westen geschürt wird. Wir müssen die Erziehung zum Hass in der muslimischen Welt endlich stoppen.