Hamed Abdel-Wahab beschreibt wissend und aber unaufgeregt das nahende Ende des Islam. Dabei geht er nicht davon aus, dass diese Weltreligion vollständig verschwinden wird; jedoch davon, dass sie sich – um eine Chance des Überlebens zu haben – grundlegend ändern muss. Er weist nach, dass der Islam mit der Moderne nicht vereinbar ist.
Es gab Zeiten, da der Islam ein Fortschritt war; eine fortschrittliche Religion, die es ermöglichte, die zerstrittenen Wüstenstämme Arabiens zu einen. Allerdings hat die Religion – so Abdel-Samad – sich seither nicht weiterentwickelt. Und daher ist sie ein Anachronismus geworden.
Da die arabischen Staaten sich vor allem auf den Islam als Grundlage ihrer Existenz berufen, sind diese ebenfalls davon betroffen. Eine Bevölkerung, der ein “Anderssein” als der Westen eingeprägt wird (durch Bildung, Medien und Politik), die aber auf der anderen Seite sehr wohl und sehr bewusst die Konsumgüter des Westens zu ihren neuen Ikonen macht, muss irgendwann im Innersten zerreißen. Oder schizophren werden.
Diesen Widerspruch – auf den bereits Michael Schmidt-Salomon in den ersten Sätzen des “Manifestes des evolutionären Humanismus” hinwies – kann der Islam nicht auflösen. Daraus folgen für Abdel-Samad als logische Konsequenz daraus auf der einen Seite der Zulauf zu fundamentalistischen (hier: wahabitischen) Glaubenslehren und auf der anderen Seite zu immer mehr Gleichgültigkeit gegenüber der Religion (gut zu beobachten an der Jugend der sog. “islamischen” Länder).
Das Beharren auf Normen und Lebensformen, die im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß sind, macht es vielen Muslimen schwer, sich als eine Minderheit in einer säkularen Gesellschaft einzugliedern. [...] Nun baut aber die moderne Zivilisation gerade darauf, dass das Glück des Einzelnen die Voraussetzung dafür ist, dass die Gemeinschaft funktioniert. [...] Dass das selbstbestimmte Leben der Kinder, vor allem der Töchter, nicht als Chance, sondern als Bedrohung gesehen wird, beraubt der Gesellschaft ungeheure Ressourcen… Dass die Fenster des Hauses nicht als Öffnungen gesehen werden, durch die frischer Wind hereinkommen könnte, sondern als die Schwachstelle, durch die die eigenen Kinder fliehen und die Eindringlinge sich hineinschleichen könnten, hemmt jede Art von Fortschritt. [Seite 145]
Der Autor geht davon aus, dass es möglicherweise in den kommenden Jahren zu einem Erstarken des Islamismus kommen könnte. Das jedoch sind dann die “letzten Zuckungen” einer aussterbenden Religion. Denn wenn es der Islam nicht schafft, sich von innen heraus zu reformieren, ist er dem Untergang geweiht – so Abdel-Samad. Dass die kommenden Jahre auch für die weitere friedliche Entwicklung der Welt von besonderer Wichtigkeit sein werden, betont er in seinem Schlusskapitel sehr deutlich. So wie Arabien lernen muss, in Europa nicht den alles zerstörenden Feind, die Kreuzritter und Kolonialherren zu sehen, so muss Europa begreifen, dass Nordafrika nicht per se “Feind” ist.
Aufklärung war noch nie umsonst zu haben. Eine Modernisierung nach dem Zauberspruch “Sesam, öffne dich!” wird es nicht geben. Es stimmt zwar, dass wir uns in einer Zeit des Umbruchs befinden, eines Umbruchs nicht nur in der islamischen Welt. Doch was den Islam betrifft, kommt nach meiner Einschätzung zuerst der Zusammenbruch. [...] Die Radikalen werden radikaler und die Liberalen noch liberaler. Die Fronten sind verhärtet wie nie zuvor.
[...]
Der Ausgang dieses Kulturkampfes wird entscheiden, ob der Bruch ein Auf- oder ein Zusammenbruch wird. [Seite 224]
Es bleibt zu hoffen, dass die Vernunft die Oberhand behält. Anderenfalls…
Nic