… und wenn ich mir den Papierpacken, der da Freitag in der Post lag, so angucke, könnte es von Vorteil sein, für den Akt der Stimmenabgabe einen Urlaubstag einzureichen.
- Wahl zur Bürgerschaft (ich weiß nicht, inwieweit es Nicht-Hamburgern bekannt ist: Die Bürgerschaft ist das Hamburger Parlament, in Bremen kennt man so was auch): Landeslisten
- Wahl zur Bürgerschaft: Wahlkreislisten
- Wahl zur Bezirksversammlung: Bezirkslisten
- Wahl zur Bezirksversammlung: Wahlkreislisten
Und warum Hefte?
So viele Parteien treten doch gar nicht an, was ist aus den guten alten einseitigen (wortwörtlich zu nehmen) Zetteln geworden? Das hier:
- 32 Seiten
- 16 Seiten, übrigens in entzückendem Rosa, welches dem Krötengeneral sehr gefallen würde
- auch 16 Seiten
- und noch mal die 16
(Einige Seiten sind allerdings nur mit dem Hamburgwappen bedruckt.)
Es geht hierbei weniger darum, die Papierindustrie zu fördern, sondern das ganze soll ein Mehr an Demokratie bringen. Für jede Wahl stehen einem nämlich 10 Stimmen zur Verfügung (5 Kreuze pro Stimmzettel), die man auf die einzelnen Kandidaten verteilen oder auch einem einzigen Kandidaten komplett zuordnen kann. Damit soll erreicht werden, dass nicht mehr die Parteien allein über ihre Landeslisten bestimmen können, wer ins Parlament einzieht, sondern der Wähler hat darauf entscheidenden Einfluss. Zum Schluss hat man bei diesen Wahlen also im Idealfall 20 Kreuze verteilt.
Einerseits sicherlich eine gute Idee. Allerdings würde dieses voraussetzen, dass man sich mit den Kandidaten intensiv beschäftigt. Schauen wir nur mal ins erste Heft. Die CDU hat hier 60 Personen gelistet, ebenso die Sozialdemokraten. Die GAL hat noch 34 zusammengerafft, Die Linke bietet 23 usw. Auf den anderen Stimmzetteln ist die Anzahl naturgemäß nicht so groß, aber immer noch eine Herkulesaufgabe, wenn man jeden einzelnen Kandidaten auf Herz und Nieren prüfen möchte.
Prima, sagt der Optimist: Da kann ich die Schaumschläger aussortieren und das Kreuz bei dem Kandidaten hinpinseln, von dem ich weiß, dass er sich ehrlich engagiert.
Hm, sagt der Pessimist: Ist die Gefahr nicht groß, dass die Leute, die sich am besten verkaufen können, die meisten Stimmen bekommen, obwohl man weiß, dass die größten Selbstdarsteller selten die besten Leistungen bringen? Und schreckt diese Masse Papier nicht vielleicht sogar den ein oder anderen Wahlberechtigten davon ab, seine Stimmen abzugeben?
Ich selbst gehe ja eher nach Programmen. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass sich die Partei, die ich gewählt habe — vorausgesetzt natürlich, sie kommt an die Regierung — dann auch daran macht, diese zu verwirklichen. Natürlich geht es in einer Koalition dann nicht ohne Kompromisse, aber etwas sollte auf jeden Fall realisiert werden. Klar gehören dazu auch fähige Menschen. Wenn ich mich so umhöre, sehe ich aber nur wenige, die sich wirklich mit den vielen Kandidaten auf den Listen beschäftigt haben. Am besten geht das noch in den eigenen Wahlkreisen, aber selbst da… Ich gestehe, ich habe es kaum getan. (Nun bin ich zwar nicht der größte politische Mensch, der hier herumläuft, aber wenn ich meinen Bekanntenkreis betrachte, sehe ich viele, die noch wesentlich weniger Interesse dafür aufbringen.) Die beste aller Monstermütter sagte sogar zu mir: „Dabei musst Du mir helfen, ansonsten wähle ich nicht.“ (Die meisten Leser wissen, dass ich es für wichtig halte, sein Wahlrecht wahrzunehmen.) Papierkrieg ist ihre Sache einfach nicht.
Mich schreckt dieses Prinzip nicht deswegen, weil es etwas aufwendiger als das von früher bekannte Wahlverfahren ist (je nachdem 1 bzw. 2 Kreuze und fertig), damit habe ich keine Probleme, sondern ich bin aus den o. g. Gründen skeptisch.
Am meisten zu schaffen macht mir allerdings die Tatsache, dass ich sehr unentschlossen bin, wen und was ich wählen soll. Und das hat gar nichts mit dem Wahlrecht zu tun. Tja, mal sehen, wann ich es schaffe, meine 20 Kreuze zu machen und den Stapel in die beiden DIN-A4-Umschläge zu stopfen… Allzu viel Zeit ist ja nicht mehr. Ich bin aber froh, dass ich das hier in Ruhe zu Hause erledigen kann, anstatt in der Wahlkabine mit dem Zettelwust zu kämpfen.
Ach, Chicago, Du hast es besser… Wie einfach ist doch dort die Wahl, nicht nur bezogen auf das Prozedere, sondern vor allem auf die Person.
Und wie ist das Wahlrecht bei Euch?