Halbleiter, Quanten, Neuronen: Darf es auch Bio sein?

Von Klaus Ahrens


Halbleiter-Computer

Nahezu alle heutigen Computer arbeiten mit Halbleitern, deren Leitfähigkeit steuerbar ist. Darauf bauen die einzelnen Transistoren und die daraus kombinierten Logikgatter der CPU-Chips in unseren PCs, Tablets und Smartphones auf.

Bei diesen herkömmlichen Computern können Bits entweder den Zustand Null oder Eins annehmen – und in einem solchen Computerchip stecken Milliarden von Transistoren, die zusammen mit etwas I/O-Gedöns und einer Stromversorgung heutzutage relativ zuverlässig für uns ihren Dienst versehen.

Quantencomputer

Es gibt aber auch seit Jahrzehnten Versuche, die physikalischen „Sonderregelungen“ der Quantenmechanik für Supercomputer zu nutzen, deren Quantenbits (Qbits) gemäß der  Lehre der Quantenmechanik sehr viele verschiedene Zustände gleichzeitig darstellen können, wenn sie im Zustand der Superposition sind.

Dieses Paradoxon, stellt aber bis heute für Physiker immer noch eine große Herausforderung dar, weshalb auch das, was man da heute für 15 Millionen bei D-Wave kaufen kann, bei Standard-Aufgaben nicht schneller rechnet als ein in die Jahre gekommener PC.

Hinzu kommt die Empfindlichkeit dieser Kisten: Die Zustände der verschränkten Qbits sind extrem flüchtig und ändern sich nicht nur bei Änderungen von Temperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit oder Erschütterungen, sondern auch schon allein bei ihrer Betrachtung – oder auch ohne erkennbare äußere Einwirkung nach aktuell maximal 30 Mikrosekunden.

Das heißt im Klartext: Minimale Temperaturänderung durch die Heizung oder ins Fenster des Labors scheinende Sonne oder auch nur eine leichte Erschütterung durch zu festes Auftreten beim Durchqueren des Raumes – und schon ist die Superposition der QBits Geschichte…

Aus diesen Gründen ist beispielsweise der Quantenrechner Q System One von IBM auch in einem erschütterungsfreien Glaskasten unter Kontrolle aller relevanten Umgebungsparameter aufgehängt, wie das nebenstehende Bild zeigt.

Das Q-System One soll dadurch in der Lage sein, die Quantenzustände länger stabil zu halten und deshalb auch die kommerzielle Nutzung zu möglich zu machen. Theoretisch…

Vor drei Monaten hat sich Google dahin verstiegen, für seinen neuesten Quantenchip Sycamore angeblichen Beweis der sogenannten Quantum Supremacy (Quantenüberlegenheit) geliefert zu haben und hat den Unsinn auch noch im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht:

„Wir haben gezeigt, dass unser neuster Quantenprozessor Sycamore mit 53 Qubits innerhalb von Sekunden eine Berechnung ausführen kann, für die selbst die stärksten Supercomputer unserer Zeit Tausende von Jahren benötigen würden“, lautet das völlig unangemessene Eigenlob von Google-Chef Sundar Pichai dazu im unternehmenseigenen Blog – und schon fing es an, streng zu riechen…

Und zwar nach einer Aufgabe, die speziell auf diesen Chip zugeschnitten war und einer frei erfundenen (schlechten) Leistung des bemühten Vergleichsrechners. Angeblich soll der Sycamore in 200 Sekunden berechnet haben, für was der beste Supercomputer unserer Zeit 10.000 Jahre brauchen würde.

Bei Spiegel Online können sie dazu auch nachlesen, was der Computerhersteller IBM davon hält: Eine „leichte Fehleinschätzung“ im Verhältnis von 1:1.000.000 zur Realität…

Neuromorphe Computer

Ähnlich exotisch kommt ein biologischer Ansatz daher: Neuronale bzw. Neuromorphe Computer, die sich an der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns orientieren. Der beste bekannte Chip dieser Art von Intel entstammt dem Projekt Loihi.

Während sich Quantencomputer an den kleinsten noch fassbaren Teilen der Materie orientieren und dabei kaum nachvollziehbare Eigenschaften aus der Quantenmechanik wie die Superposition für massiv parallele Berechnungen ausnutzen, orientieren sich neuromorphe Computer in ihrer Funktionsweise am menschlichen Gehirn.

Dort gibt es keine Trennung von CPU und Speicher mehr, und in dem Chip entstehen laufend neue Verknüpfungen und werden auch wieder gekappt. Zukunftsträchtig – aber immer noch Blech.

DNA-Computer

Die einzige Variante von Rechnerstrukturen, die nicht aus Blech, sondern aus biologischer Materie besteht, sind DNA-Computer. Auch das ist beim Menschen abgeguckt, allerdings nicht vom Gehirn, sondern von der in allen Zellen vorhandenen DNA (deutsch: DNS), unserem Erbmaterial.

Denn unsere DNA ist ja nichts anderes, als eine auf Biologie bzw. Biochemie basierende Programmiersprache mit Speicher, die für die Erschaffung eines Menschen und die regelmäßige Erneuerung der Zellen und andere Körperfunktionen zuständig ist.

Gerade haben Forscher der University of Rochester im US-Bundesstaat New York erfolgreich einen „Bio“-Computer getestet. Er benutzt 32 DNA-Stränge, also Ketten aus Desoxyribonukleinsäure (englisch: Deoxyribonucleic Acid, DNA), den Bausteinen des menschlichen Erbmaterials. Nach einem Bericht von New Scientist war der DNA-Computer bei Tests in der Lage, die Quadratwurzel von 900 zu errechnen.

In meinen Augen kommen DNA-Computer einer gesunden Zukunft weit näher als alle anderen Varianten, dann sie basieren auf purer Natur. Und die Natur war auch schon immer in der Lage, sich innerhalb weniger Generationen an veränderte Gegebenheiten der Umwelt anzupassen.

Kohlenwasserstoffe müssen nicht mit verheerenden Folgen aus der Erde ausgegraben und behandelt werden – sie wachsen einfach. Und wenn ein neuer Rechner fällig ist, wird entweder ein Samen in die Erde gesteckt oder man stellt eine Computerin zum vorhandenen Computer und wartet ab, was dann passiert. Ein MP3-Gen, das dazu „Love me tender“ abspielt könnte dabei hilfreich sein…