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Die Badewanne ist ein wirklich unterschätzter Ort. Tragödien spielen sich dort ab. Entweder kleine, weniger folgenreiche wie eine nicht passende Wassertemperatur. Zu kalt oder zu warm kann es sein. Es können sich dort aber auch mittelschwere Dramen abspielen. Irgendwo mag es passieren, dass Frauen auf dort gelagertes Eisbein stoßen. Ih Gitt. Anderswo kann es natürlich auch sein, dass man die Klotür öffnet und dort auf den eigenen Mann trifft, der sich dort mit der besten Freundin vergnügt. Die Dürings und die Kukowskis aus Frankfurt (Oder) können ein Lied davon singen.Die Dürings, das sind Magic-Chris (Thorsten Merten) und seine Gattin Kathrin (Gabriela Marie Schmeide). Er ist ein wahrer Star. Sein Sender Radio 24 ist im 24. Stock des Oder-Towers beheimatet und spielt, wie der Name es schon vermuten lässt, die besten Hits der letzten 24 Jahre. Jeden Morgen schiebt Magic-Chris Dienst und er posaunt in der Power Hour des Power Towers die Sternenschauer für die kommenden 24 Stunden heraus. Astro TV kann einpacken! Sie arbeitet im Zollhof an der Grenze, die Tochter datet einen gewissen Jens, der aber beim Ehepaar Düring auf nicht viel Gegenliebe stößt.
Auch die Kukowskis führen ein durchschnittliches Leben. Sie hört auf den Namen Ellen (Steffi Kühnert), er wurde von seinen Eltern auf den Namen Uwe (Axel Prahl) getauft. Sie arbeitet in einer Parfümerie, er ist von morgens früh bis abends spät in seiner Imbissbude beschäftigt. Zuhause warten zwei Kinder und ein Wellensittich namens Hans-Peter, falls dieser nicht gerade flügge ist.
Die Kukowski und die Dürings sind gut befreundet, treffen sich auf ein Bierchen, um Dias aus vergangenen Zeiten zu betrachten. Durchschnitts-Deutsche mit Durchschnitts-Jobs und Durchschnitts-Hobbys. Aber irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, wo Kathrin absolut sauer auf Ellen ist. Aus den besten Freunden werden beste Feinde. Denn Chris wollte mal wirklich seinen „öden Tag zum Knistern bringen“ und hat Ellen mal kurzerhand in seiner Badewanne vernascht...
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Es wackelt fortwährend, ohne irgendwelches Kunstlicht sind die Plattenbauten Frankfurt Oders ausgeleuchtet, es gibt kein festes Drehbuch, jegliche Szenen sind improvisiert. Wie Regisseur Andreas Dresen 2002 „Halbe Treppe“ (nicht) inszeniert, das sitzt. Es ist mal wieder kein Bombast, kein großes Klimborium, was der gebürtige Thüringer während der gut 106 Minuten zeigt. Das sind 6360 Sekunden wahres Leben, so wie man es alltäglich sieht. Normale Familien mit normalen Problemen, wer wann wo und wie das Auto benötigt. Es ist eine Geschichte über Liebe und Ehen, die sich halt eben irgendwann abnutzen, aber in denen man sich trotzdem wieder zusammenrauft, eben ein Streifen über Menschen, die sich auf der halben Treppe ihres Lebens aufhalten. Das ist kein konstruiertes Wirrwarr, sondern Dresen gibt sich auch hier wieder seiner Begeisterung für den kleinen Mann und die normale Frau um die Ecke hin. Oder wie er es in der sich im Bonusmaterial befindlichen Doku so schön beschreibt:"Ich möchte von wahrhaftigen Figuren erzählen, in der sich jeder wiederentdecken kann."
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Während die Handkamera gerne mal zum Selbstzweck missbraucht wird, passt sie hier schlichtweg und verstärkt diese Lebenswirklichkeit, dieses „mittendrin im Leben“. Nur mit sieben Leuten drehte er, dazu die vier Hauptdarsteller und die zwölf Musiker der Band „17 Hippies“, die vor Kukowskis Imbissbude auftreten. Erst ist es nur ein Dudelsack-Spieler, dann werden es mit zunehmender Laufzeit immer mehr. Musik aus der Hölle, die auch Prahls Figur auf den Senkel geht, aber er lässt sie gewähren. Der Filmemacher lässt seine Darsteller ebenfalls gewähren, und daran tut er gut. Sein kleines aber feines Ensemble blüht auf. Es macht Spaß, den beiden Figuren bei ganz banalen Dingen zuzuschauen. Bei der Arbeit, beim Fitnessstudio, beim Zahnarzt oder auch beim Küchen kaufen. Dresen lässt dabei mal die Fitness-Trainerin, mal den Zahnarzt, aber auch seine einzelnen Haupt-Charaktere in kleinen, kurzen Interview-Schnipseln zu Wort kommen.Ob sie, wie Uwe es einmal tut, auch Eisbein in ihrer Badewanne lagern und damit kurzzeitig einen Familienzwist heraufbeschwören? Man weiß es nicht.
BEWERTUNG: 9,0/10Titel: Halbe TreppeFSK: ab 12Laufzeit: 106 Minuten (Bonusmaterial: 107 Minuten)Genre: TragikomödieErscheinungsjahr: Deutschland 2002, auf DVD (neu gemastert) erhältlich seit 14.08.2015Regisseur: Axel Prahl, Thorsten Merten, Steffi Kühnert, Gabriela Maria Schmeide