Halbe Antworten, neue Fragen (Serienkritik: Sherlock, 3. Staffel)

Von Bennyschaller

++++ ACHTUNG dieser Text enthält Spoiler! ++++

Nach zwei Jahren geduldigen Wartens auf die Fortsetzung der Serie, mit der die BBC diversen Kritikern ergiebig Superlative entlockte, sollte es nun endlich soweit sein: Sherlock geht in die dritte Runde! Endlich die Auflösung des Reichenbachfalls, wie konnte Sherlock den Sturz vom Dach überleben. Dachte ich jedenfalls. Die Lösung? Das ist die aus meiner Sicht größte Enttäuschung der Staffel: Sie blieb aus. Folge 1, The Empty Hearse, knüpfte natürlich am Cliffhanger an, parodierte dabei gekonnt Spekulationen aus der Fanszene. Die große, endgültige Auflösung aber blieb verwehrt. Als Sherlock Watson des Rätsels Lösung erläutern wollte, wimmelte letzterer ihn ab. Und damit auch die Zuschauer. Das hatte ich mir doch etwas anders vorgestellt. Dass die Serienautoren das Geheimnis mit ins Grab, bzw. den full hearse, nehmen, ist durch das Staffelfinale dennoch unwahrscheinlich, aber dazu später mehr.

Es ist offensichtlich, dass die Serie in gewisser Hinsicht von ihrem Erfolg getragen wird. Die dritte Staffel ist vollgepackt mit Selbstreferenzen, die Fälle in den ersten beiden Folgen empfand ich als weniger spannend als in den vorherigen Staffeln, in den Mittelpunkt standen hingegen die Figuren. Sherlock und all seine Macken, wobei seine deduktiven Momente leider mehr zum Showeffekt gerieten anstatt zur Lösung der Fälle beitrugen. Watson hin- und hergerissen zwischen Wut und Erleichterung über Sherlocks Überleben, zudem seine Liebe zu Mary, aber auch der Drang nach Nervenkitzel. Eben jene Mary wird gekonnt als neuer Charakter eingeführt, ehe sie in der dritten Folge unerwartet zur zentralen Figur wird. Letztlich entschädigt jene Finalfolge doch etwas für die eher mittelmäßig gelungenen ersten beiden Episoden. ‘Mittelmäßig’ ist natürlich sehr kritisch ausgedrückt, The Empty Hearse und The Sign of Three sind großartige Serienkunst, die im Vergleich jeder gegenwärtigen deutsche Eigenproduktion eine Existenzberechtigung abnehmen würde. Aber bei Sherlock sind die Erwartungen, auch durch die lange Wartezeit, eben um einiges höher angesetzt.

Aber nun zur Finalfolge: His Last Vow hat mir alleine schon deshalb besser gefallen, weil es endlich einen sichtbaren Antagonisten auf Augenhöhe gibt. Charles Augustus Magnussen, dargestellt von Lars Mikkelsen, verkörpert eine Mischung aus tiefgründigem, drohendem, aber auch skurrilen Gegenspieler. Es gelingt ihm, Jim Moriarty adäquat zu ersetzen, ohne ihn zu kopieren. Prinzipiell ist die schauspielerische Leistung der gesamten Besetzung wieder einmal aller Zweifel erhaben, wobei man ehrlich zugeben muss: Anderes war nicht zu erwarten und wäre Grund zur Enttäuschung gewesen. Dennoch sei es natürlich erwähnt, das Außergewöhnliche sollte nicht zum Selbstverständlichen degradiert werden.

Die dritte Folge schafft es, mit ihrem Humor, dem Spannungsbogen, den unerwarteten Wendungen sowie der Mischung aus ruhigen wie hektischen Szenen an das anzuknüpfen, wofür so viele Zuschauer Sherlock in den ersten beiden Staffeln lieben gelernt haben. Und da es in gewisser Hinsicht die Aufgabe der ersten beiden Folgen war, auf dieses Finale hinzuarbeiten, haben die Macher letztlich doch wieder sehr viel richtig gemacht.

Daher, wie gesagt, wenn ich über etwas enttäuscht war, dann, dass man die Zuschauer zwei Jahre lang zappeln ließ und letztlich doch die größte offene Frage nach Staffel zwei nicht wirklich auflöste, sie stattdessen noch um weitere offene Fragen erweiterte. Die letzte Minute von His Last Vow gab mir hingegen Anlass zur Hoffnung, dass die vierte Staffel einige Antworten mehr enthalten wird. Aber auch neue Fragen. Und, auch angesichts dessen, dass der Dachdialog von Sherlock und Moriarty in The Reichenbach Fall zu meinen Lieblingsszenen der kompletten Serie zählt: Ja, ich habe ihn vermisst.

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