In diesen Tagen reagiere ich mal wieder besonders empfindlich auf tiefe Seufzer und „ach, diese Vorweihnachtszeit ist einfach furchtbar stressig“-Bemerkungen. Zumindest, wenn sie von Kinderlosen kommen. Ja, ich weiss, die Vorweihnachtszeit ist für die meisten Menschen ziemlich hektisch, aber für uns Kinderreichen ist sie mehr als das. Sie ist das, was für den Buchhalter der Jahresabschluss, für das Warenhaus der Sommerausverkauf, für den Magenbrotverkäufer die Herbstmesse und die Verkäuferin am Schwimmbadkiosk der erste Hitzetag nach drei Wochen Regen ist. Und zwar alles miteinander. Hochsaison für gestresste Eltern, sozusagen.
Ich rede hier nicht in erster Linie von den unzähligen Geschenken, die es zu kaufen, zu verstecken und einzupacken gilt. Auch nicht von der Vorweihnachtsbäckerei, die den Kindern genau so lange Spass macht, bis es ans Aufräumen geht. Auch das Geschenkebasteln für Gotte, Götti, Grossmama, Grosspapa, Lehrerin und Lieblingstante ist hier nicht das Thema. Und für einmal will ich auch nicht klagen über die verschiedenen mehr oder weniger romantischen Veranstaltungen – im Wald bei Wind und Regen, vor der Kirche bei klirrender Kälte, in einem überheizten Wohnzimmer bei Kerzenschein -, zu denen wir Eltern in der Vorweihnachtszeit gerne eingeladen werden. Das sind ja eigentlich die schönen Seiten dieser besonderen Zeit und wenn auch nicht immer alles als besonders gelungen bezeichnet werden kann, so verleiht es doch diesen Tagen das ganz besondere Etwas, ohne das es nie so richtig Weihnachten werden könnte.
Nein, was uns in diesen Tagen so sehr zu schaffen macht, ist der Alltag, dem es schnurzegal ist, ob es noch ein halbes Jahr dauert bis Weihnachten oder nur noch zwei Wochen. So widrig die Widrigkeiten des Alltags während des Jahres auch sein mögen, sie sind nie so widrig wie dann, wenn man eigentlich allmählich besinnlich werden möchte. Wenn der FeuerwehrRitterRömerPirat am sechsten August das Gipspulver für seine Fossilien, die er giessen will, im Treppenhaus verschüttet und danach im ganzen Haus Spuren verteilt, dann ist es ein Ärgernis. Geschieht das Malheur aber am siebten Dezember, dann möchte man laut heulen. Denn eigentlich hätte man so gerne eine Kerze angezündet, einen Tee aufgesetzt und mit den Kindern über den Sinn von Weihnachten philosophiert. Bekommen die Kinder an einem gewöhnlichen Dienstag zu viele Hausaufgaben, quittiert man dies mit einem Seufzer. Müssen sie aber am Nikolaustag lange über den Büchern brüten, möchte man sich die Haare raufen und laut schreien. Stattdessen treibt man die Kinder zur Eile an. „Nun mach schon vorwärts, in einer halben Stunde kommt der Samichlaus!“ Hach, wie romantisch! Versinkt das Haus an einem gewöhnlichen Sonntag im Chaos, findet man das zwar lästig, aber man kann so halbwegs damit leben. Wenn da aber eine, zwei, drei oder gar vier Adventskerzen ihr sanftes Licht verbreiten sollten, sieht das Ganze einfach nur noch schrecklich aus und man kann gar nicht mehr anders, als der Unordnung zu Leibe zu rücken, alleine schon, um die Brandgefahr zu verringern denn Kerzen und Chaos passen nicht nur optisch so gar nicht zusammen.
Nun macht der Alltag natürlich auch bei Menschen, die keine Kinder haben, keinen weiten Bogen um die Vorweihnachtszeit. Auch wer keine Kinder hat, ringt oftmals verzweifelt um ein paar stille Momente. Aber sie müssen nicht zuerst all die Erdnussschalen, die sich nach dem Samichlausbesuch im ganzen Haus verteilen, vom Sofa klauben, bevor sie sich zu einem gemütlichen Tässchen Tee hinsetzen. Und darum ertrage ich auch die Seufzer und “ach, diese Vorweihnachtszeit ist einfach furchtbar stressig“-Bemerkungen so schlecht. Vor allem, wenn ich gerade auf einer Erdnussschale sitze. Oder Gips vom Fussboden aufwische.