Ich liebe Bücher über Bibliotheken. In vielen von ihnen werden Bibliotheken vorgestellt, die vor allem aus ästhetischen Gründen interessant sind, was so weit gehen kann, dass ein Besitzer seine Bücher offenbar nach Farbe ausgewählt hat und die gesamte Bibliothek in Weiß gehalten ist. Andere wiederum tun sich durch aufwändige Regalarchitektur hervor. Irgendwie hat man dabei das Gefühl, diese Bibliotheken gehörten bestenfalls Sammlern, jedoch keinen Lesern.
Bei der Buch Wien 2015 entdeckte ich jedoch eine Ausnahme, das von Klaus Walther und Dieter Lehnhardt herausgegebene Buch „Haben Sie das alles gelesen?“, das sich ausdrücklich als „Ein Buch für Leser und Sammler“ bezeichnet.
Bibliotheken von Gleichgesinnten
Schon beim ersten Hineinblättern sah ich auf den Abbildungen Regale, die meinen eigenen vom Grundcharakter her nicht unähnlich sind, gefüllt mit Büchern, oft Gesamtausgaben, unter denen ich viele erkannte, die ich selbst auch besitze. Bibliotheken von Gleichgesinnten also! Auch insofern, als die Regale ganz offensichtlich in erster Linie der optimalen Raumausnützung dienen, damit der Besitzer so viele Bücher wie möglich unterbringen kann. Bücherregale haben ja die Tendenz, ständig überzuquellen…
Essays der Bibliotheksbesitzer
Die Herausgeber des Bandes haben viele solche Bibliomanenen offenbar gefragt, wie sie Besuchern auf deren Frage „Haben Sie das alles gelesen?“ antworten würden. Herausgekommen sind kurze Essays der Bibliotheksbesitzer über Entstehung, Schwerpunktsetzung und Entwicklung ihrer Bibliotheken. Ziemlich viele der Sammler sind in der DDR groß geworden sind und haben dementsprechend interessante Dinge über erschwerten Buchkauf, Buchschmuggel oder „Bückware“ (also Bücher, die der Buchhändler unter dem Ladentisch hervorholte und nur an vertrauenswürdige Kunden verkaufte) zu erzählen.
Detektivarbeit mit Leselupe
Jede Bibliothek wird mit einem doppelseitigen Foto und mehreren kleineren Abbildungen auch visuell vorgestellt. Wegen des kleinen Buchformats ist es allerdings ratsam, eine Leselupe bereitzulegen, damit man sich als Detektiv betätigen kann: Welche Gesamtausgabe mag das wohl sein? Ist das wirklich der Buchrücken von … ?
Berühmte Bücher-Orte
Das letzte Viertel des Buches widmet sich berühmten, öffentlich zugänglichen Bücher-Orten: von Goethes Bibliothek in seinem Wohnhaus am Frauenplan in Weimar über Arno Schmidts Bibliothek in Bargfeld, Ernst Jüngers Sammlungen in Wilfingen, Thomas Manns Arbeitszimmer mit Bibliothek im Thomas-Mann-Archiv an der ETH Zürich oder Karl Mays Bücher in der Villa Shatterhand in Radebeul bis zu Balzacs Haus in der Rue Raynouard in Paris.
Kurzbiographien der Büchersammler runden den Band ab.
Haben Sie das alles gelesen? Ein Buch für Leser und Sammler. Hg. v. Klaus Walther u. Dieter Lehnhardt. Mironde-Verlag, Niederfrohna, 2014. 335 Seiten.
Bild: Wolfgang Krisai: Lesepult und Bücherregale. Tuschestift, Farbstift, 2016.