Haben Sie Angst vor dem Nein der Bürger, Herr Bundespräsident?

Gauck: Volksabstimmungen über Verfassungsänderungen zugunsten Europas kämen zur „Unzeit“

Kommentar von Dennis Riehle

Der mittlerweile etablierte und von vielen Bevölkerungsteilen hoch geschätzte Bundespräsident Joachim Gauck hatte schon vor Beginn seiner Amtszeit erkennen lassen, dass er trotz seines „Lebensthemas Freiheit“ und den Erfahrungen über die Macht des Volkes in der DDR nicht sonderlich begeistert von der Beteiligung der Bürger bei politischen Sachfragen ist.

Und so mag es auch gar nicht ganz verwunderlich erscheinen, dass er sich in aktuellen Interviews immer wieder neu mit der Aussage zitieren lässt, Volksabstimmungen zu Fragen der Europäischen Union kämen in der derzeitigen Krise zur „Unzeit“ (vgl. vgl">vgl">http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/das-waere-zu-frueh-gauck-gegen-baldige-volksabstimmung-ueber-europa-11909341.html?selectedTab=comments). Insbesondere im Blick darauf, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hatte anklingen lassen, dass die Spielräume für Verfassungsurteile auf der Basis des Deutschen Grundgesetzes in seiner derzeitigen Form geringer würden, lässt den Bundespräsidenten offenbar unbeeindruckt.

Wahrscheinlich müsste nicht nur Deutschland augenblicklich befürchten, dass es mit einer Mehrheit für eine weitere Europäisierung der Nationalstaaten eng werden könnte. Das wissen die Politiker und Verantwortungsträger in der Bundesrepublik genau – und eigentlich könnten sie sich momentan nichts Schlimmeres wünschen, als würde sich der deutsche Bürger gegen die Vision eines europäischen Bundesstaates auflehnen. Der Ausblick auf einen Staatenbund, wie er noch zu Zeiten der „Europäischen Gemeinschaft“ angestrebt wurde, ist längst überholt – heute will man mehr: Die Zentralisierung in Brüssel ist das Ziel – und vor lauter Machtgier und Lobbyismus sind es sogar die deutschen Abgeordneten selbst, die ihr Einflusspotenzial aufs Spiel setzen, um der EU zu einem gigantischen Apparat aus Einheitsdiktat zu verhelfen.

Wer darauf wartet, das Volk zu den Zeiten zu befragen, an denen es für die eigenen Gunsten gut ausgehen könnte, der vergisst den grundgesetzlichen Anspruch des Souveräns. Nicht alle vier oder fünf Jahre an den Wahlurnen, der Bürger muss stetig Gelegenheit bekommen, in wesentlichen Fragen der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Weiterentwicklung mitbestimmen zu können. Auch Anhänger einer repräsentativen Demokratie können sich nicht auf den Anspruch zurückziehen, die gewählten Stellvertreter würden es schon richten. Gerade in der Europäischen Finanz- und Schuldenkrisen wurde deutlich, dass das Parlament an seine Grenzen geraten ist.

Auch einem Bundespräsidenten stünde es gut zu Gesicht, seinem Volk mehr Verantwortung zuzutrauen. Wer die richtigen Momente und meinungspolitische Großwetterlagen berechnend selbst bestimmten möchte, missbraucht seine anvertraute Macht durch die Bürger. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zeigen sich dadurch, Realitäten anzuerkennen. Und dazu gehört möglicherweise auch, dass eine Mehrheit von Bürgern Ja zum Europäischen Gedanken sagt, aber den eingeschlagenen Weg in eine Sackgasse mit ausgeschalteter Handbremse und ohne Rückwärtsgang nicht gehen möchte. Politik kann nur langfristig bestehen, wenn sie sich nicht selbst belügt. Und auch ein immer weiteres Vertrösten von Volksabstimmungen kann ein Ausweichmanöver sein, das vor absehbaren Wahrheiten schützen soll.

Es ist das Europa seiner Bürger und nicht seiner Politiker und Lobbyisten aus Brüssel, Berlin und anderswo, das für die Zukunft gestaltet und standfest gemacht werden soll. Wer allzu lange riskiert, seinem Volk einen Weg aufzuoktroyieren, der nicht gewünscht ist oder gar Angst und Wut entfacht, der nimmt auch in Kauf, am Ende vor einem großen Scherbenhaufen zu stehen.

Herr Bundespräsident, schieben Sie eine Volksabstimmung über den weiteren Weg der Bundesrepublik in der Europäischen Union nicht auf die „lange Bank“! Europa ist zweifelsohne mehr als sein Euro – und doch macht die derzeitige Situation klar, wohin eine unbedachte Zwangsheirat führen kann. Es wäre schade, wenn die Vorstellung eines vereinten und friedlichen Europas, das wir zweifelsohne und dringend brauchen, durch die Zurückhaltung der Politik behindert würde. Es wäre gut, sich in einer Krise davon belehren zu lassen, den Bogen eines gemeinsamen Traums nicht zu überspannen. Die Europäische Union muss sich nicht fiskalpolitisch zum Zusammenwachsen drängen lassen – die Gründungsväter sahen solch eine Eigendynamik nicht vor. Deshalb: Bleiben wir ein europäisches Miteinander unterschiedlicher Staaten mit eigener Souveränität – und lassen wir uns dieses Recht durch das Volk bestätigen!


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