Von Stefan Sasse
Die ganze Berichterstattung und Spekulation über einen Comebackversuch Guttenbergs ist Teil eines Spiels. Es ist das Lieblingsspiel der Journalisten und der meisten ihrer Leser: wird Promi XY den Regeln gemäß agieren oder nicht? Bricht er aus? Wenn ja wo? Man kann dieses Spiel im Fußball beachten, wenn über neue Trainer spekuliert wird. Man kann es in der Filmbranche sehen, wenn ständig neckisch irgendwelche Regisseure oder Schauspieler nicht ausgeschlossen werden. Und man sieht es in der Politik, wenn irgendwelche Leute nicht kandidieren wollen ("Ich bin kein Präsidentschaftskandidat"). Solcherlei Spiele halten die Schlagzeilen voll, man kann bekannte Gesichter hinsetzen und hat Spaß dabei, weil jeder versteht worum es geht. Ähnlich leichte Berichterstattung über den Europäischen Rettungsschirm? Undenkbar. Ich halte es für ausgemachte Sache, dass Guttenberg ein Comeback starten will, oder dass Peer Steinbrück Kanzlerkandidat werden will. Das Zieren gehört nur zum Spiel. Da Guttenberg sich schon zu seiner kurzen aktiven Zeit als wahrer Meister der öffentlichen Inszenierung gezeigt hat ist es natürlich besonders ergiebig, sein Spiel zu beobachten.
Da ist zum Einen der von vielen Medien im besten Boulevardstil hervorgehobene Erscheinungswechsel. Die Rundbrille und die gegeelten Haare sind verschwunden. Guttenberg sieht dadurch nicht mehr aus wie ein etwas zu alt geratener BWL-Student. Allein auf den Fotos wirkt er nun natürlicher, geerdeter, biederer. Das passt zur Botschaft, dass er quasi verstanden hat, Reue zeigt und neu anfängt. Weniger glamourös als vorher. Clever also. Zweiter Punkt: Auftritte als "distinguished statesman" in irgendwelchen atlantischen Think-Tanks. Das dient zweierlei Zielen. Einerseits präsentiert sich Guttenberg als kompetenter Mann und setzt damit die Plagiatsaffäre vollkommen von der Amtsführung ab. Das Narrativ des kompetenten Ministers wird bestärkt, während der Rücktritt als Folge einer persöhnlichen Verfehlung davon klar abgetrennt wird. Zum Zweiten handelt es sich dem Anspruch nach ja um eine akademische Einrichtung, was ihm gleichzeitig hilft, die Bedeutung der Plagiatsaffäre herunterzuspielen. Ebenfalls clever inszeniert.
Der ganze Rest verläuft nach Drehbuch. Der "erste öffentliche Auftritt" in Halifax, außerhalb der deutschen Arena, ist gleichzeitig ein Testballon. Die massive wie positive öffentliche Berichterstattung über ein von seiner pragmatischen Bedeutung her völlig irrelevantes Ereignis dient als wichtiger Gradmesser für Guttenberg. In der nächsten Zukunft wird die Frequenz öffentlicher Auftritte steigen. Die Frage ist, wann er seinen ersten Sprung zurück über den Atlantik macht. Zur Inszenierung gehört, dass man ihn bittet. Ein Auftritt in einer Talkshow böte sich an. Keinesfalls darf es wirken, als wöllte er zurück. Er wird erklären, wie glücklich er gerade in den USA ist und wie gut der Abstand zur Politik tut. Seine Anhänger in der CSU werden gleichzeitig vehement für seine Rückkehr trommeln. Nachdem diverse Schlagzeilen über Forsa-Umfragen, in denen satte Mehrheiten für Guttenbergs Rückkehr in die Politik stehen lanciert wurden, kann er sich erstmals wieder leicht mit der politischen Bühne verbinden (in der Talkshow, in der zum ersten mal wieder in Deutschland aktiv war, gerierte er sich dezidiert unparteilich und als "Experte" für irgendwas).
Einige Interviews werden kommen, in denen "unangenehme Fragen" es ihm ermöglichen, Reue über die Dissertation zu zeigen und gleichzeitig mit Verweis auf die, an der er gerade schreibt, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Im so öffentlich durchgeführten Säuberungsritual wird sichergestellt, dass das Plagiat keine Bedeutung mehr hat. Spätestens in zwei Jahren wird es dann so weit sein, dass Guttenberg "überraschend" nach Deutschland zurückkehren und eine aktivere Rolle in der CSU übernehmen kann. Ich wäre wirklich aufrichtig überrascht, wenn er substantiell von diesem Drehbuch abweichen oder es von Seiten der medialen Berichterstattung her irgendwelche unvorhergesehenen Probleme geben sollte. Guttenberg wird im Verlaufe dieses Drehbuchs zuverlässig jene Schlagzeilen generieren, die die meisten anderen Politiker nicht schaffen können: eine unschlagbare Verbindung von Politik und Yellow Press, Glamour und Demokratie. Man kann sich darüber ärgern, aber ich würde mich ernsthaft wundern wenn es nicht so kommt.