Güterverkehr in den USA und Europa

Was ist der Unterschied zwischen einem Amerikaner und einem Joghurt? Der Joghurt hat Kultur. Zugegeben, das ist ein ziemlich alter Witz, aber er zeigt wie sich das Verhältnis von Deutschland zu den USA von blinder Bewunderung zu einer gewissen Verachtung gewandelt hat. In manchen Kreisen gehört es zum guten Ton die USA als "failed state" zu sehen, der trotzdem dauernd Weltmacht spielen will. Dabei funktioniert nichts, beim Ami. Gut, sie haben Google, Apple und Facebook, aber kein brauchbares Stromnetz, keinen Sozialstaat und keine vernünftige Eisenbahn.

Doch halt, letzteres mag zwar im Personenverkehr weitgehend gelten, wo in vielen Regionen ohne Auto nichts geht und es nur in ein paar relativ europäischen Regionen wie San Francisco, New York oder Chicago ein brauchbares ÖPNV-Netz gibt. Besonders traurige Berühmtheit erlangte Los Angeles, die Stadt die einst für ihre gute Luft, ihre Orangenhaine und ihr gut ausgebautes Straßenbahnnetz bekannt war, bis ein Konsortium unter Führung von General Motors die Straßenbahnen kauft und stilllegte. Nein, diese Geschichte ist keine Erfindung des Autors eines Roger Rabbit Films, vielmehr betraf dieser Große amerikanische Straßenbahnskandal auch andere Städte (nachzulesen zum Beispiel hier).

So weit so schlecht, aber im Güterverkehr ist "der Ami" uns weit voraus. Das zeigten Daten der Allianz pro Schiene. So lag 2007 der Marktanteil des schienengebundenen Güterverkehrs bei 42,4 Prozent in den USA, in Deutschland nur bei 17,1 Prozent.

Einige Kommentatoren gehen sogar so weit zu behaupten, die Europäer hatte statt auf den schnellen Personenverkehr mit ICE und TGV lieber in den Güterverkehr investieren sollen. Allerdings sind in den USA auch die Distanzen länger, wenn Waren aus China an der Westküste ankommen lohnt sich das Verladen auf den Güterzug und das erneute Umladen auf LKW an der Ostküste im Regelfall, ein Container von Hamburg nach Hannover wird dagegen eher direkt mit dem Laster gefahren. Das dürfte auch mit ein Grund sein, warum Australien einen ebenfalls hohen Anteil der Schiene hat, ebenso wie Rohstofftransporte.

In den USA ist der Anteil der Schiene zudem deutlich gestiegen, allerdings zeigt ein genauer Blick, das der Zuwachs ausschließlich zulasten von Pipeline und Binnenschiff geht, der Marktanteil der Lastwagen ist in der gleichen Zeit ebenfalls gestiegen. Allerdings ist der Zuwachs der Schiene höher, außerdem deutet der Verlust von Marktanteilen von Binnenschiff und Pipeline darauf hin, dass die (relative) Bedeutung von Massengütern wie Kohle und Öl abgenommen hat, die ebenfalls häufig mit der Bahn transportiert werden. Das heißt nicht zwingend, dass weniger Öl transportiert wurde, aber wenn die Pipelines genauso viel Öl pumpen wie vor 20 Jahren, der Verkehr mit Containern und anderen Waren aber zunimmt, dann sinkt automatisch der Marktanteil der Pipelines.

Im direkten Vergleich zwischen Deutschland und den USA wird der Unterschied besonders deutlich. Während die Schiene "beim Ami" den größten Marktanteil hat, dominiert hierzulande der LKW mit über 70 Prozent Marktanteil. Das mag an den langen Wegen in den USA und auch an der Art der transportierten Güter liegen. Der deutliche Unterschied zwischen Rohrleitungen hier und dort macht deutlich, dass Öl- und Gastransporte dort einen deutlich größeren Anteil haben, was natürlich auch der Schiene zugutekommt.

Trotzdem sollte es den einen oder anderen Verkehrspolitiker zum Nachdenken bringen, wenn selbst das Entwicklungsland USA Deutschland beim Anteil der Schiene im Güterverkehr locker abhängt.


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