Eine Hebamme sollte die wichtigste und verlässlichste Bezugsperson für eine frisch entbundene Mama sein. Es gibt sicherlich viele tolle Frauen, die diesen Beruf ausüben. Wir hatten leider das Pech, als Erstlingseltern an ein nicht zu empfehlendes Exemplar dieser Spezies zu geraten. Welchen Schaden sie bei uns unsicheren, völlig überforderten Neueltern anrichtete, kann ich nur erahnen. Glücklicherweise heilte unsere zweite Nachsorgehebamme diese Erlebnisse. Genau wie die zweite Geburt und das zweite Wochenbett die traumatischen Erfahrungen des ersten Males heilten. Aber der Reihe nach:
Unsere 1. Nachsorgehebamme hatte ich mir erst wenige Wochen vor der Geburt gesucht. Ich fühlte mich ärztlicherseits gut betreut und sah lange keine Notwendigkeit einer Hebamme. Da bei uns die Auswahl groß ist, fand ich über Internetrecherche eine ganz in der Nähe, die noch Kapazitäten hatte und ganzheitlich orientiert war. Das klang alles sehr gut. Die Vorgespräche waren auch für mich in Ordnung. Sie war kein superherzlicher Mensch, aber das störte mich nicht. Schließlich war ich stabil und gefestigt und der festen Überzeugung, ich würde Geburt, Wochenbett und Baby schon wuppen. Dass eine der wichtigsten Hebammen-Fähigkeiten, neben ihrer Kompetenz natürlich, für emotional labile, verunsicherte Eltern die Herzlichkeit ist, hätte ich vorher nie gedacht.
Nach der Geburt des Großen rief ich sie aus dem Krankenhaus an. Sie hatte gerade eine Grippe und konnte erst 3 Tage nach unserer Heimkehr zu uns kommen. Eine Vertretung schickte sie nicht. Ich weiß nicht mehr, ob ich danach fragte. Ich vermute nicht, war ich doch unendlich verstört und traumatisiert und zu nichts in der Lage. Als sie dann kam, ließ sie sich von mir den Geburtsablauf berichten. Ich brach sofort in Tränen aus. Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon 8 Tage mit unserem schreienden, nie schlafenden, nicht ablegbaren Baby verbracht und waren nur noch Schatten unserer selbst. Sie fragte trocken, ob ich mir alles anders vorgestellt hätte. Jaaaa, verdammt! Sie ging in keinster Weise auf meine Geburtserfahrungen ein. Ich wollte doch immer wieder darüber sprechen! Sie hatte das Einfühlungsvermögen und die Herzlichkeit einer toten Fliege.
Wir berichteten von unseren Schwierigkeiten mit dem Großen. Sie schlug uns vor, ein Schlafprotokoll zu führen. Dieses ergab, dass er in 24h gerade mal 9-10h schlief. Und zwar häppchenweise (15-20min). Ihre Aussage dazu implizierte, dass das nicht sein könne und wir uns vertan hätten. Weiterhin mussten wir uns trotz kinderärztlich bestätigter sehr guter Gewichtszunahme eine Waage ausleihen und den Großen, der bei jedem An- und Ausziehen mörderisch schrie, vor und nach dem Stillen wiegen. Unmöglich. Sie hat ihn übrigens bei keinem einzigen Besuch mal selbst ausgezogen, nackt begutachtet und gewogen. Zur Nabelpflege hat sie lediglich die Windel etwas runtergeklappt. Wir baten sie mehrfach darum, uns zu zeigen, wie man das Baby badet. Sie redete sich immer wieder raus.
Als der Große Mundsoor bekam, experimentierte sie anderthalb Wochen lang mit homöopathischen Mitteln, und selbst als keine Besserung eintrat, sollten wir noch irgendwas in einer Glasflasche mischen, schütteln, klopfen und ihm geben. Wir gingen dann "heimlich" zum Kinderarzt und bekamen eine Salbe, die innerhalb von 2 Tagen half. Wie stark der Große darunter gelitten hat, kann natürlich keiner beurteilen. Aber für uns war das alles viel zuviel.
Zu unserem Hilfeschrei wegen seiner extremen Unruhe, seinem Überstrecken, seinem Schreien und Nicht-Beruhigen-Lassen meinte sie nur, was wir nur hätten, bei ihr wäre er doch ruhig. Also die klassische Schuldzuweisung, die ich auch von meinen Eltern immer wieder direkt oder indirekt zu hören bekam: der Stress der Eltern würde die Unruhe des Kindes erst hervorrufen. In der Minute, in der sie ihn auf dem Arm hatte, war er wahrscheinlich so überrascht und interessiert, dass er eben ruhig war.
Es gab also weder Anteilnahme noch Hilfestellung. Ich fühlte mich so verraten und allein gelassen. Wie kann ein solcher Mensch so einen wichtigen Beruf ausüben? Sie war selbst Mutter einer Tochter und hielt anscheinend ihre einmalig positive Erfahrung für das Nonplusultra. Wir fürchteten uns vor jedem Besuch und sehnten den Tag herbei, an dem sie nicht mehr kommen würde. Das Einzige, was mir weitergeholfen hat, waren anderthalbstündige Ganzkörpermassagen (sie hatte eine Massageausbildung in Indien gemacht), die für meine schlimmen Rückenprobleme nach der Geburt ein Segen waren. Irgendwann war es zuende. Ich traf sie danach noch mehrmals in unserer Wohngegend, aber sie grüßte nie... Dass solche Hebammen zwar hoffentlich selten, aber keine Ausnahmefälle sind, zeigt ein Text von Weddingerberg, der ähnliche Erfahrungen machen musste.
In der 2. Schwangerschaft nahm ich mir vor, Hebammen zu casten. Ich suchte mir einige aus dem Internet (die Empfehlungen von Bekannten sagten mir leider immer nicht so richtig zu) und kontaktierte diese. Die erste Hebamme, die zu mir kam, war wirklich nett. Als ich ihr aber vom Schreibaby-Jahr des Großen erzählte, schaute sie mich mit großen Augen an und meinte, sowas hätte sie noch nie gehört. Eine Hebamme, die selbst Mutter von 3 Kindern war! Die große Angst, dass das 2. Kind ähnlich schwierig wird, konnte sie überhaupt nicht auffangen. Ich sagte ihr also ab.
Und danach kam - sie. Eine junge, kinderlose, selbst schwangere Hebamme, frisch, herzlich, voller Elan und Ernsthaftigkeit, eine Seele von Mensch. Die Vorgespräche und Untersuchungen waren so angenehm, dass ich mich rundum wohlfühlte. Wir arbeiteten die traumatische Geburt und Schreibabyzeit auf. Sie erzählte mir von anderen solchen Fällen. Es war perfekt. Und so setzte es sich auch nach der Geburt fort. Sie kam gleich am 1. Tag nach unserer Heimkehr. Nahm die Kleine auf den Arm (und mich in den Arm), schaute sie an, sprach mit ihr, zog sie aus, wog sie und gab für alles, was anstand, Tipps, die auch für uns als Zweiteltern hilfreich waren. Sie untersuchte mich eingehend und half mir bei den ersten Stillproblemen durch zu starken Milcheinschuss. Freute sich mit uns über unser zweites - pflegeleichtes - Kind. Hatte immer gute Laune, obwohl es ihr sicherlich mit ihrer fortschreitenden Schwangerschaft nicht immer rosig ging. Sie erzählte Privates und stand uns sowohl emotional als auch mit Rat und Tat bei. Solch eine Hebamme wünscht man sich wirklich. Wir waren traurig, als sie sich verabschiedete. Sie bekam dann kurze Zeit später ihren Sohn. Ich würde sie immer empfehlen und wünsche jeder Frau eine solch liebe Hebamme. Das war eine sehr heilsame Erfahrung nach der großen Enttäuschung.
Es ist wirklich unglaublich traurig, dass manche Hebammen ihren Job, der ja eigentlich mehr eine Berufung sein sollte, so ausüben wie unsere 1. Hebamme.
Welche Erfahrungen habt ihr mit euren Hebammen gemacht?