Heike Kaufhold hat als freie Journalistin mit Reiseredaktionen von Zeitungen und Zeitschriften offenbar deprimierende Erfahrungen gemacht – jetzt auf ihrem Blog Köln Format nachzulesen: Warum ich vermutlich nie für ein Reisemagazin schreiben werde.
Für solche Leute schreiben würde ich an ihrer Stelle auch nicht.
Aber man braucht sie ja auch nicht mehr, diese Reisemagazine, oder?
Heike Kaufhold: „Ich habe den großen Luxus, das zu schreiben und zu zeigen was ich möchte. Ich DARF offiziell eine Meinung haben und MUSS das auch. Ich bin Blogger!“
Nun bin ich, wie man hier nachlesen kann, beides, Redakteur beim Reisemagazin GEOSAISON (wir produzieren auch die Reisegeschichten des STERN) und Blogger.
In beiden Rollen habe ich mich über Heikes Text – rant nennt man das heute, oder? – ein wenig gewundert.
In einem Café in Köln traf sie „die Redakteurin eines großen, deutschen Reisemagazins“. Die Redakteurin? Wie groß mag dieses bedeutende Magazin sein, wenn es von einer einzigen Redakteurin gemacht wird? Namen nennt Heike nicht (vielleicht weil irgendwann doch ein Auftrag …?). Also kann ich nur spekulieren, um welches Großmagazin es sich hier handelt. Ist ja aber auch egal. Es tummeln sich eine Menge sogenannte Reisemagazine auf dem Markt – und die meisten verschwinden nach kurzer Scheinblüte gleich wieder.
Regelmäßig flöhe ich die Bahnhofs- oder Flughafenbuchhandlung nach Reisetiteln, die ich noch nicht kenne. Meine Güte. Das meiste fliegt nach einmal Durchblättern in den Papierkorb: Die Texte sind zum Fremdschämen, knieftief im Klischee – voll von diesem Marketing-Sprech der Reisebranche (malerische Gassen, das wahre Italien hinter den Kulissen, Lassen-Sie-die-Seele-baumeln, Traumstrand, Ferienparadies). Und die Fotos? Ja, die Gattin des Chefredakteurs macht das als Hobby und außerdem schicken einem Hotels, Destinationen und Veranstalter mit Vergnügen Foto-CDs zu, zur freien Verwendung.
Sich Reisemagazin zu nennen, ist leicht. Mehr als eine weitere Hochglanzpostille und PR-Schleuder anzubieten, das ist schon eine andere Nummer.
Es gibt aber auch offenbar viel freie Journalisten, die wahnsinnig gern in Magazinen schreiben möchten. Mag sein, nur: Die Qualität ihrer Texte und Fotos ist häufig, sagen wir: nicht der Rede wert.
Von Angebot und Nachfrage
Wir können eigentlich ständig gute freie Mitarbeiter brauchen. Aber wir finden sie nicht oder sagen wir: höchst selten. Was einem da ins Haus flattert, lässt einen in den allermeisten Fällen gleich abwinken. Da ist einer auf einer Pressereise mitgefahren und das will er mir jetzt als originelles Thema verkaufen. Kein eigener Gedanke dabei, keine zusätzliche Recherche, keine IDEE. Schon der Einstieg: habe ich gefühlte hundert Mal so gelesen. Ein öder Erlebnisbericht, wieder mal. Das reicht dann für die Antwortmail (und wir beantworten jede Mail und jeden Anruf, auch wenn das mal ein paar Tage warten muss, denn Redaktionen sind heute nicht mehr so besetzt, dass das eine eigene Sekretärin erledigen würde).
Aber es gibt ja Rettung: Blogs! Da darf jeder, da kann jeder. Ich finde auch: Da soll jeder. Ich lese intensiv Reiseblogs. Und ich schon finde einige gute. Aber leider viel zu wenige. Und sonst unglaublich viel oberflächliches bis ärgerliches Zeug. Und kritikloses Jubeln: Wow, ich bin im tollsten Hotel der Welt! Am tollsten Strand der Welt! In der Wahnsinns-Stadt! Leute, ihr glaubt es nicht …
Qualität kommt (auch) von Qual
Schon klar, wir Reisejournalisten bewegen uns immer irgendwie an der Grenzlinie vom Journalismus zur PR. Das liegt in der Natur der Sache. Genau das sollte Reisejournalisten anspornen, anspruchsvoller zu sein und gründlicher zu arbeiten. Blogs sind faszinierend, weil sie Journalismus in der ersten Person ermöglichen. Dazu gehört aber, wie wir von den Old-School-Magazinen finden, dass man nicht nur eine eigene Meinung hat, sondern auch eine Haltung. Und die muss vor allem dem Leser verpflichtet sein. Wir sind deren Anwälte. Und nicht die hippen Lautsprecher der Tourismusindustrie.
Blogger und freie Schreiber, die so schreiben, die Ideen für Storys entwickeln, die informiert in eine Stadt fahren und nicht nur begeistert, die sich trauen und sich Mühe geben, Geschichten zu erzählen und nicht nur Klischees aufzuwärmen, die auch mal mit Selbstironie berichten und mit ein wenig Distanz – und die am Ende einen guten Stil schreiben und es schaffen, Lust aufs Reisen zu machen: die werden ganz schnell auffallen und die Chance bekommen, in Reisemagazinen zu veröffentlichten.
Jede Wette.