Der Regierungschef stürzt, das politische System durch Korruption instabil, die Wirtschaft schwach und der Unmut groß. Wo bleiben die guten Nachrichten aus Rumänien? Cosmin, 21-jähriger Student, war dabei, als im Januar mehrere Tausend Menschen in dem südöstlichen Mitgliedsstaat der EU auf die Straße gingen und gegen ihre Misslage demonstrierten.
“Wir sind voller Ideen!”: Junge Rumänen wie Cosmin Mincu, 21, demonstrieren für Veränderungen in ihrem Land. Bild: Alexander Steinfeldt
Rumänien muss in Westeuropa mit vielen Vorurteilen und Klischees leben. Mal sind Rumänen die diebischen Roma oder die billigen Arbeitskräfte, mal verbindet man das Land mit Trunksucht oder in Armut lebenden Menschen in den Straßen der Hauptstadt. Die neuesten Entwicklungen Rumäniens tragen nicht zu einem besseren Bild bei. Ende April wurde der gegenwärtige Regierungschef Ungureanu von der liberaldemokratischen PDL durch ein Misstrauensvotum der Oppositionsparteien gestürzt.
Möglich wurde dies durch zahlreiche Parteiübertritte aus den Regierungsparteien. Die Gründe dafür sind Korruptionsvorwürfe und das autoritäre Verhalten des Staatspräsidenten Basescu. Auch das passt zu den Vorstellungen eines unorganisierten Systems, das im Land immer öfter auf kritische Stimmen stößt. Es waren vor allem die Rentner, die sich erstmals am 15. Januar 2012 im Zentrum Bucharests versammelten und gegen die rigide Sparpolitik und Steuererhöhungen der Regierung demonstrierten. Ihr Hilferuf erreichte die Studenten der Stadt, die sich aufmachten, den Protest zu unterstützen.
Eine neue Art des Denkens
Zusammen, jung und alt, stellten sie sich friedlich gegen die Staatsmacht. Doch die Demonstration rief andere Geister hervor. Gewaltbereite Hooligans mischten sich unter die Demonstranten und begannen, die rumänische Gendarmerie mit Steinen zu bewerfen. Die wusste sich nur mit dem Einsatz von Tränengas zu helfen und traf dabei auch Unschuldige. Präsident Basescu nutze diesen Zwischenfall, um den Protest als Hooligantreffen ohne politische Bedeutung zu degradieren.
Doch der Wille zum Protest ist in der Bevölkerung neu geboren. „Es gibt eine neue Art des Denkens in unserem Land.“, sagt Cosmin Mincu, 21-jähriger Geographie-Student der Bucharester Universität, der am 15. Januar ebenfalls dabei war. Ärger über die Regierung trieb ihn damals auf die Straße. Das Volk sei zu naiv und glaube den Mächtigen. Dabei ist Armut in Rumänien ein ernstes Thema. Viele ältere Menschen leiden an ihren geringen Renten und haben nicht genug zu essen.
Angst vor Wandel
Daher ergibt sich für Cosmin auch keine andere Wahl, als für einen Wandel im Land zu demonstrieren: „Ein ökonomischer Wandel ist nun das wichtigste für Rumänien. Dabei wollen wir keine Utopien, wie den Kommunismus oder ähnliches.“ Cosmin plädiert für strukturelle Reformen, die den Menschen wieder Arbeit bringen und das Land infrastrukturell wieder fit machen. Dabei betont er ganz besonders die Rolle der EU. Sie sorge dafür, dass Schulen und Straßen gebaut und ein funktionierendes Abfall- und Abwassermanagement betrieben werden. Noch würden die Hilfen aus Brüssel jedoch nicht gut genug genutzt.
Wenn im November das rumänische Parlament gewählt werden soll, dann erhofft sich Cosmin, dass die Sozialdemokraten die Führung übernehmen und den Wandel einleiten können. Doch Skepsis mischt sich in seine Worte, wenn er vom Wandel spricht. Zu viele Menschen in Rumänien hätten noch Angst vor Veränderungen. Die Folgen der Transformation von einem sozialistischen Staat zur heutigen demokratischen Marktwirtschaft trafen die Menschen hart.
„Wir sind voller Ideen!“
Auch der Beitritt in die Europäische Union 2007 führte zu vielen, weitreichenden Veränderungen. „Es war wie ein Schock für die Menschen.“, meint Cosmin dazu. In die Zukunft blickt er aber zuversichtlich. Wenn die Alten, die noch vom Kommunismus im eigenen Land geprägt sind, abgelöst werden, dann kommt eine neue Generation an die Macht, die sich weltoffen und modern, kämpferisch und verantwortlich gibt. „Wir sind jung. Wir sind voller Ideen!“, sagt Cosmin stolz, der sich nicht mehr für sein Land schämen will – ein Land, das eine einzigartige Naturlandschaft besitzt und kulturell von den vielen Religionen und Ethnien lebt.
Auf dem Universitätsplatz versammeln sich oft einige Menschen, um für den Wandel in Rumänien zu demonstrieren. Das ist die gute Nachricht aus Bucharest. Armut und Korruption, Bürgerrechte und Aufklärung stehen weiterhin auf der Agenda der jungen Leute. Die Jugend Rumäniens bereitet den Wechsel der politischen Kultur vor.
Erschienen im move-Magazin am 6. Mai 2012.