Jedes Mal aufs Neue, wenn ich das Buch aufschlage.
Seit "Für immer vielleicht" bin ich ein Fan von Büchern, die nur in E-Mail oder Briefkontakt geschrieben sind.
Nach dem Buch hatte ich jedoch die Befürchtung, dass alles andere nur ein Abklatsch sein könnte, und vor allem nicht mehr überraschend.
Doch "Gut gegen Nordwind" hat mich eines Besseren belehrt.
Eine Bekanntschaft, die zufälliger nicht sein kann:
Emmi Rothner möchte ihr Abo bei der Zeitschrift "Like" abbestellen. Durch einen Tippfehler (Zufall? Schicksal?) landet sie bei Leo Leike.
Nachdem sie immer wieder ihre E-Mail abschickt, da das Abo ja nie abgestellt wird, und sie ihren Fehler nicht bemerkt, antwortet ihr Leo, und klärt sie auf.
Es entsteht eine Unterhaltung, wie sie nur im Internet geführt werden kann.
Eine Mischung aus Anonymität und Intimität.
Beide wissen nicht, wie der andere aussieht. Sie wissen eigentlich gar nichts, und doch alles.
Sie erschaffen eine Welt, die nur im Netz bestand hat. Die, die Realität nie standhalten könnte, oder?
Sie ist verheiratet, führt eine "Vernunftehe" und er ist auf der Suche, nach der wahren, einzigen.
Sie idealisieren sich beide und wissen nicht, wie der andere im realen Leben ist.
Aber es ist absolut nichts kitschiges enthalten, kein "Bitte, verlass deinen Mann, Emmi und komm zu mir, um mit mir zusammen zu sein", kein "Leo, ich verlasse meinen Mann, meine Familie und alles wird gut mit uns, mit dir, den ich eigentlich gar nicht kenne"
Ja, sie verlieben sich "eventuell ein bisschen" ineinander.
Sie ist seit über 10 Jahren verheiratet, und möchte noch einmal die Aufregung einer ersten Annäherungen spüren, ohne sich wirklich annähern zu müssen. Sucht ein kleines Abenteuer, dann aber auch wieder nicht. Sie bleibt auf dem Boden.
Je mehr Zeit vergeht, desto mehr baut sich langsam der Druck auf. Bei wem kommen all diese Nachrichten, Empfindungen, Gedanken an? Wie sieht er aus?
Ist er wirklich so wie er schreibt?
Können sie eine Begegnung überleben? Und was, wenn ja?
Ihre Dialoge sind voller Humor, sind manchmal rasant, manchmal sentimental und absolut nicht oberflächlich.
Nur einmal riechen. Nur einmal küssen. Kein Sex. Sie sind verheiratet, leider! Kein Sex, ich verspreche es. Bernhard, ich verspreche es! Ich will nur Ihre Haut riechenn, Emmi. Ich will gar nicht wissen, wie sie aussehen. Wir machen kein Licht an. Ganz im Dunkeln. Nur ein paar Küsse, Emmi. Ist das was Böses? Ist das Betrug? Was ist Betrug? Eine E-Mail? Oder eine Stimme? Oder ein Geruch? Oder ein Kuss? Ich möchte jetzt bei Ihnen sein. (...)
Ich lache vor Glück. Ist das Betrug, Emmi?
Ich konnte mir jedes Mal vorstellen, was Emmi für ein Mensch ist, wie sie es sagt, wie Leo aussieht.
Was für Charakterschwächen sie haben oder wie das Gesagte bei ihnen ankommt, ohne das es beschrieben wird.
Ich dachte, dass würde eine kurze Lektüre werden, und doch habe ich bis jetzt immer wieder darauf zurückgegriffen und schöne Passagen, bis ganze Kapitel nochmal gelesen. Oder gleich das ganze Buch.
Es gibt auch einen zweiten Teil, der meiner Meinung nach sein musste.
Denn das Ende von Band 1 haut einen doch ganz schön um. Wenn ich überlege, dass einige 2 Jahren auf Band 2 warten mussten...
Leo ist eben verdammt gut gegen Nordwind.