Vergangene Woche war es hoch an der Zeit sich endlich wieder einmal in ein Museum zu begeben. Als Besitzerin einer fast neuen KHM-Jahreskarte boten sich dafür einige Möglichkeiten an, ausgewählt wurde das Theatermuseum, welches bereits zu Jahresbeginn mit einer hervorragenden Thomas Bernhard Ausstellung überrascht hat.
Diesmal stand Mahler am Programm und nach dem einigermaßen enttäuschenden Besuch im Völkerkundemuseum und der Besichtigung der wenig inspirierten James Cook Schau, möchte ich gleich vorausschickend an die Damen und Herren Kuratoren jenes Museums die Empfehlung aussprechen, die paar Meter von der Burg zum Theatermuseum zu spazieren und sich dort anzusehen, wie man im 21. Jahrhundert eine großartige Ausstellung kuratiert.
Genau das nämlich ist das Fazit nach dem Besuch dieser Schau. Im ersten Stock des Museums, mit mehr Raum als im Erdgeschoß (wo man die Bernhard Ausstellung angesiedelt hatte), wandelt man durch das Leben und Schaffen des Gustav Mahler in Wien. Übersichtlich arrangiert, mit einer ausgewogenen und nicht ausufernden Mischung aus Schaustücken und begleitenden Informationen sowie behutsam integrierten visuellen Medien.
Gleich zu Beginn spaziert man in ein Wien Ende des 19. Jahrhunderts. Mahler kam 1875 als 15-jähriges Musiktalent in die Stadt, um hier seine Ausbildung zu beginnen, diese befand sich bereits im Umbruch des Fin de Siècle, überall wurde gebaut. Wien war Weltstadt und Schmelztiegel der Kulturen.
Passenderweise ziert gleich die erste Wandtafel ein Zitat, welches man gerne so manchem dummen Wahlkämpfer vor die Nase halten möchte: „1880 waren 62% der Wiener Bevölkerung außerhalb der Stadt geboren“ heißt es da, aufgebaut und mitgeprägt wurde genau jenes Bild des heutigen Wien von ausgebeuteten und rechtlosen Arbeitern und Arbeiterinnen aus dem kakanischen Vielvölkerreich. „Ziegelböhm“ ist manchen noch heute ein Begriff.
Leider ist es kaum vorstellbar, dass sich aktuelle Hetzer und Demagogen besonders häufig ins Museum begeben, oder sich sonst irgendwie mit Tatsachen und Fakten auseinandersetzen, trotzdem beruhigt es den kunstaffinen Geist, dass man sich an so manchen Orten auch heute noch intensiv mit der Geschichte der Stadt auseinander setzt und dazu beiträgt, dass sie angreifbar und lebendig bleibt.
Weiter geht es in der Saalabfolge über eine kleine Aufreihung von Mahlers Wanderjahren, die ihn nach Prag, Budapest und einige weitere Orte führten, bis er schließlich wieder nach Wien zurückkehrte und hier die Leitung der Staatsoper übernahm. Man lernt Mahler als Komponisten genauso kennen, wie als Opernreformator, als Mann (Stichwort: Alma) und Teil der Wiener intellektuellen Gesellschaft, die in früheren Jahren aus einem Zirkel (dem sog. „Pernerstorfer-Kreis“) von sozialradikalen Reformdenkern wie Friedrich Nietzsche oder Viktor Adler bestand, sich später um Leute wie Carl Moll, Koloman Moser oder Josef Hoffmann (Hohe Warte) gruppierte.
Schlendert man gemächlich durch die Räume, kann man einerseits eine vielfältige, aber nicht überladene Auswahl an mit Mahler in Verbindung stehenden Schaustücken – von Briefen über Partituren, bis hin zu Fotos und anderen interessanten Gegenständen (amüsant die so genannte „Reisekappe“ Mahlers) – bestaunen und findet andererseits Schaukästen mit Bühnenbildentwürfen genauso wie diverse Kostüme aus Opernaufführungen. Nicht zuletzt begegnet einem immer wieder auch die ungemein bewegende Musik Mahlers.
Diesbezüglich hat man mit den Videopanoramen von Claudia Rohrmoser vermutlich das optimale Mittel gefunden, Musik im Raum nicht nur akustisch sondern auch visuell, und zwar auf ganz subtile Weise, erlebbar zu machen. Da stellt man sich sprichwörtlich unter das Adagietto aus der 5. Sinfonie oder das Andante Comodo aus der 9. und wird von oben herab mit unfassbar schöner Musik beträufelt, gleichzeitig von sehr emotionalen Visualisierungen der Künstlerin umspült.
Über die verschiedenen Stationen zieht sich die beeindruckende Schau, man erfährt über Mahlers Jahre in Wien mit den Kontroversen und persönlichen Tragödien, wie dem Tod der erst 5-jährigen Tochter, ebenso wie über Anfeindungen und den aufkeimenden Antisemitismus in der Stadt, die den Künstler schließlich vertrieben und an die Metropolitan Opera in New York führten. Bis zuletzt blieb Wien jedoch seine Stadt, immer wieder kehrte Mahler heim, bis zu seinem frühen Tod, verursacht durch eine unheilbare Herzerkrankung. Am 18. Mai 1911 verstarb er, erst 51-jährig, nur wenige Tage nach seiner Heimkehr aus New York.
Ich gebe zu, dass ich durch Plaudereien mit meiner Ausstellungsbegleiterin nicht die volle Aufmerksamkeit auf alles, was zur Besichtigung stand, richtete, aber ich fand mich am Ende der Schau nicht nur umfassend informiert, sondern insgesamt von einer schönen Ausstellung und vor allem von einem Künstler, den ich bis dato nicht besonders gut gekannt habe, tief beeindruckt und bewegt.
Bis 3. Oktober hat man noch Gelegenheit sich selbst ein Bild davon zu machen, ich werde mit ziemlicher Sicherheit auch noch einmal einen Blick drauf werfen.
Susanne, 29. August 2010