Günter Wallraff über iranische Repressionen: “Die meinen es todernst”

Stille Diplomatie werde nicht wei­ter­hel­fen, sagt Günter Wallraff. Der Publizist for­dert für ver­folgte Künstler mehr Solidarität. Er unter­stützt der­zeit den bedroh­ten Musiker Shahin Najaf.

Für die TAZ sprach Daniel Bax mit Günter Wallraff

taz: Herr Wallraff, Sie küm­mern sich jetzt um den Musiker Shahin Najafi, der aus dem Iran mit dem Tode bedroht wird. Was kön­nen Sie für ihn tun?

Günter Wallraff: Shahin Najafi hat sich an mich gewandt, und ich habe ihm meine Hilfe ange­bo­ten. Jetzt ist er an einem siche­ren Ort, an dem schon Salman Rushdie einige Zeit ver­bracht hat. Wichtig ist, dass er jetzt eine breite Unterstützung bekommt.

Konnten Sie ihm da die rich­ti­gen Kontakte ver­schaf­fen?

Das kommt teil­weise von selbst. Was die Medien betrifft, kann er sich nicht über man­gelnde Aufmerksamkeit bekla­gen. Aber die Solidarität sei­ner deut­schen Künstlerkollegen muss erst orga­ni­siert wer­den. Und ich warte noch dar­auf, dass sich mal eine Stiftung mel­det, die ihm ein Stipendium anbie­tet, damit er seine Arbeit fort­set­zen kann.

Gerade hat Shahin Najafi im Internet ein neues Lied ver­öf­fent­licht, in dem er seine Lage kom­men­tiert. War das klug?

Es gibt zwei Wege, mit so einer Situation umzu­ge­hen: Man kann sich zurück­zie­hen und sich raus­hal­ten. Aber damit ermu­tigt man die­je­ni­gen, die einen mit dem Tode bedro­hen. Rushdie hat es einst als den größ­ten Fehler sei­nes Lebens bezeich­net, als er auf den Rat der Sicherheitsbehörden hin nach Chomeinis Fatwa seine Haltung rela­ti­vierte. Da wurde er erst recht atta­ckiert.

Die andere Möglichkeit ist, sich nicht ein­schüch­tern zu las­sen. Shahin Najafi macht ein­fach seine Arbeit wei­ter. Das ist er nicht zuletzt auch denen schul­dig, die sich im Iran auf ihn beru­fen. Die Ajatollahs und die, die hin­ter ihnen ste­hen, ehren ihn ja auf ihre Art. Es ist kein Zufall, dass es aus­ge­rech­net ihn getrof­fen hat. Islamisten und Fundamentalisten jeder Couleur, die sich im Besitz der rei­nen Wahrheit wäh­nen, ver­ste­hen kei­nen Spaß, die mei­nen es tod­ernst. Deswegen sind Auch-Satiriker wie Rushdie, der ver­stor­bene tür­ki­sche Schriftsteller Aziz Nesin oder eben Shahin Najafi für sie sol­che Hassobjekte.

Wie geht es jetzt für Shahin Najafi wei­ter?

Er hat Einladungen aus den USA und Kanada, dort kann er unter ent­spre­chen­den Sicherheitsvorkehrungen auf­tre­ten.

Aus Deutschland noch nicht?

Bis jetzt noch nicht, da müs­sen erst die Voraussetzungen dafür geschaf­fen wer­den.

Was könn­ten Künstlerkollegen denn zum Beispiel tun?

Ein Solidaritätskonzert mit nam­haf­ten Künstlern wäre eine große Hilfe und Schutz für ihn. Er selbst ist sehr zurück­hal­tend, erwar­tet nichts und drängt sich kei­nem auf. Aber ich erwarte so etwas. Leider habe ich den Eindruck, dass sich gerade die deut­schen Stars damit schwer­tun.

Warum?

Aus Desinteresse und Ignoranz? Aus fal­scher Rücksichtnahme? Aus beque­mer Feigheit oder aus Gratisangst? Ich weiß es nicht, aber das geht eini­gen offen­bar total am Arsch vor­bei. Ich lasse mich gerne eines Besseren beleh­ren. Leider hat das Tradition. Als ich damals eine Solidaritätsaktion für Rushdie gestar­tet habe, da wollte ihn etwa die Lufthansa zuerst nicht flie­gen. Erst als wir mit Zeitungsannoncen einen Boykott orga­ni­siert haben, haben sie nach­ge­ge­ben.

Wie rea­giert die deut­sche Politik jetzt auf die­sen Fall?

Einige Politiker haben sich schon zu Wort gemel­det. Aber hier sind unsere Spitzenpolitiker gefragt. Ein Außenminister darf hier nicht schwei­gen, wenn in orga­ni­sier­ten Demonstrationen vor der deut­schen Botschaft in Teheran die Auslieferung von Shahin Najafi ver­langt wird oder ein Mitarbeiter des ira­ni­schen Generalkonsulats in E-Mails die Vollstreckung der Fatwas ver­langt. Da muss der ira­ni­schen Botschafter ein­be­stellt und zur Rede gestellt wer­den.

Vielleicht setzt die Bundesregierung bis­her ja lie­ber auf stille Diplomatie?

Stille Diplomatie wird hier nicht wei­ter­hel­fen: Die Fatwas sind in der Welt, ein Kopfgeld ist auf ihn aus­ge­setzt. Soeben erst wurde im Iran ein Killerspiel ins Netz gestellt, in dem Najafi vir­tu­ell hin­ge­rich­tet wer­den kann – ein „Training“, zu dem die staat­li­che Nachrichtenagentur FAR-News direkt auf­ruft. In ande­ren Foren wird aus­führ­lich dar­über dis­ku­tiert, wie man ihn am bes­ten zur Strecke bringt. Das alles ist ernst zu neh­men, des­halb steht er unter Polizeischutz.

Wie, glau­ben Sie, könnte sich sein Fall zum Guten wen­den?

Die ein­zige Hoffnung besteht darin, dass die­ses Regime im Iran sei­nem Ende ent­ge­gen­geht. Sonst wird es wei­tere Fälle wie den von Shahin Najafi geben. Er ist jemand, der diese Hoffnung am Leben hält. Genau darum ist er ja zur Zielscheibe gewor­den.

Das klingt pes­si­mis­tisch.

Nein, denn die­ses Regime ist über­fäl­lig. Der Iran hat eine mehr­heit­lich sehr junge Bevölkerung. Und die will in einem ande­ren, frei­heit­li­chen Staat leben und sich nicht von fins­te­ren Mullahs und religiös-faschistischen Revolutionsgarden, Geheimdiensten das eigent­li­che Leben ver­bie­ten und auf Dauer unter­drü­cken las­sen. Davon bin ich fest über­zeugt. Man muss den Angstmachern in die­sem men­schen­ver­ach­ten­den Regime zei­gen, dass sie letzt­lich unter­le­gen sind, sich zum Idioten machen und das Gegenteil von dem errei­chen, was sie beab­sich­ti­gen.

 [Sorry, liebe TAZ, dass ich das Interview fast kom­plett über­nehme... ich musste es wegen des Themas...]


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