Guido Stock über den Reiz von Comics
Veröffentlicht am 8 Juli 2013 - Tags: Comics Interview Lesen Gäste
Was macht den Reiz von Comic-Alben aus?
Grundsätzlich, denke ich, muss ein Grundinteresse an der Bildsprache vorhanden sein. Comics bedienen sich, im Gegensatz zum klassischen Buch, nicht nur der Sprache. Worte und die dazugehörigen Bilder bilden eine Einheit, die in Kombination die Geschichten erzählen. Jedes Bild im Comic ist erst einmal eine feststehende Zeichnung, die sich nicht bewegt oder verändert. Durch die Kombination von Bewegungslinien und der Dynamik in den Zeichnungen und der Typografie entsteht beim Lesen eine Geschichte in bewegten Bildern.
Nun könnte man behaupten, Comics lassen dem Leser keine Möglichkeit, sich selber die einzelnen Szenen auszudenken. Beim klassischen Buch beschreibt der Autor eine Szene und muss die Farben ganz genau beschreiben, um beim Leser Bilder entstehen zu lassen. Beim Comic wird das schon vom Zeichner geliefert. Die Kunst eines guten Comics ist es, dem Leser mit jedem Bild eine Vorlage zu liefern, die dieser in eine Art "Film" umsetzen kann.
So wird der Leser eines Comics zum Regisseur, führt die Kamera und schreibt am Drehbuch, in dem er die Mimik der gezeichneten Personen interpretiert.
Wie unterscheidet sich das Leseerlebnis vom klassischen Buch?
Ich glaube nicht, dass es möglich ist, Bücher und Comics miteinander zu vergleichen. Ich lese Comics und ich lese Bücher und beide haben ihren eigenen Reiz. Ich bin großer Fan von Ian Rankin. Ich mag seinen Schreibstil und seine spannenden Geschichten. In seinen Romanen hat er mir ein Bild von Inspektor Rebus und den anderen Protagonisten vermittelt. Würde man auf die Idee kommen, daraus einen Comic zu machen, wäre es für mich schwer, dieses objektiv zu betrachten. Das Comic würde mir ein anderes Bild vermitteln, welches nichts mit den Bildern zu tun hätte, die bei mir im Kopf entstanden sind.
Umgekehrt würde es für mich nicht funktionieren, wenn ein Autor z.B. Asterix als Roman schreiben würde. Durch die Comics sind Bilder von Asterix und Obelix entstanden, die ein Autor nicht verändern könnte.
Ich persönlich finde ja auch Realverfilmungen von Comics - z.B. Asterix - sehr grenzwertig.
Es ist sicherlich eher möglich, ein Buch zu verfilmen, als ein Comic. Wobei ich persönlich immer enttäuscht bin, einen Film anzusehen, wenn ich vorher das Buch gelesen habe. Umgekehrt funktioniert es aber auch nicht, weil ich dann die Schauspieler vor Augen habe, wenn ich das Buch lese.
Comics bedienen sich der Kombination von Bild und Sprache plus der Fantasie des Lesers. Bücher bedienen sich der Sprache und der Fantasie des Lesers. Die Bilder werden über die Sprache erzeugt.
Aber das ist natürlich meine ganz persönliche Meinung. Soeben sind Comic Adaptionen von Stieg Larsson erschienen. Da ich die Bücher nicht gelesen habe, kann ich an die Comics ganz unbelastet herangehen.
Wer kauft und liest Comics?
Überwiegend sind es Männer, die Comics lesen und sammeln. Warum das so ist, kann ich nicht erklären, gibt es meiner Meinung nach doch auch schöne Comics für Frauen.
Bei den Mangas sind es eher Mädchen und junge Frauen. Da ich keine Mangas verkaufe, kann ich hierzu wenig sagen.
Entgegen der in Deutschland gehegten Meinung sind die Leser von Comics nicht nur Kinder und Jugendliche. Genau wie im Buchbereich werden auch im Bereich der Comics alle Genres bedient. Leider ist es so, dass viele denken, Comics sind lustig, brutal oder erotisch. Auf jeden Fall nicht sonderlich anspruchsvoll.
Viele Comic Leser kommen aus dem akademischen Bereich. Der Comic Alben Leser definiert sich persönlich nicht darüber, das zu lesen, was gerade in den Bestseller Listen steht, sondern er definiert sich darüber genau das zu lesen, was für ihn einen Unterhaltungswert hat. Das kann durchaus ein humorvolles Comic, ein Thriller oder Krimi sein, aber auch ein historisches Comic oder ein politisches. Gelesen wird, was gefällt. Da Comics fast nie außerhalb der Comicbranche beworben werden, wird auch nicht ein Bild suggeriert, dass "muss man" unbedingt gelesen haben.
Welche Arten von Comics unterscheidet man und wie sieht jeweils der Käuferkreis aus?
So wie im Bereich des Buches alle Genres bedient werden, so ist es auch bei den Comics. Ob Humor, Belletristik, Historisches, Politisches bis hin zum Sachcomic ist alles vertreten. Die Interessen der Leser beschränken sich nicht nur auf einen Bereich. Wer einen guten Krimi mag, ließt auch gerne ein Sachcomic. Und wer zu einem bestimmten Thema ein interessantes Sachcomic liest, ist auch nicht abgeneigt, ein humorvolles Comic zu lesen.
Welche Comic-Alben würdest Du einem Buchleser als Einstieg empfehlen?
Kein Bestimmtes. Denn es geht nicht darum, was ich gerne lese, sondern was den Einsteiger interessiert. Wenn ein Buchleser z.B. gerne Krimis liest, heißt das noch lange nicht, ein Krimi Comic würde auch passen. Comics können einem bestimmten Genre zugeordnet werden, der Zeichenstil unterscheidet sich trotzdem grundlegend. So kann ich einem Genre besonders zugeneigt sein, zeichnerisch gefällt mir aber ein Comic aus einem ganz anderen Genre.
Nehmen wir als Beispiel ein Asterix und ein Donald Duck Heft.
Beide Comics könnte man in den Bereich Humor einordnen. Bei Asterix sind die Protagonisten Menschen, bei Donald Duck sind es Tiere. Leser, die mit "unrealistischen" Figuren nichts anfangen können, werden keinen Zugang zu Donald Duck finden. Auf der anderen Seite ist Asterix sicherlich alles andere als ein realistisches Comic. Wenn also ein Einsteiger zu mir kommt und etwas aus dem Bereich Humor haben möchte, welches Comic soll ich ihm empfehlen?
Ich persönlich mag den sehr schrägen Humor von Katz und Goldt. Aber gefällt das auch jedem, der etwas Humorvolles sucht? Sowohl auf die Texte als auch auf die Grafik muss man sich einlassen, um einen Zugang zu finden.
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