Diesen guten Ratschlag hat mir meine Therapeutin im Verlauf meiner Therapie doch schon des öfteren gegeben und nun habe ich verstanden was sie damit wirklich meinte. Ich habe bemerkt, dass ich mich oftmals ganz anders verhalte als ich es eigentlich erwartet hätte. Meine Mitmenschen verhalten sich auf der anderen Seite aber auch oftmals ganz anders, als wie ich es erwartet hätte . Was ich damit sagen möchte ist, dass ich oftmals in für mich unbehaglichen Situationen einfach die Initiative ergreife, obwohl ich eigentlich immer davon ausgehe, dass mein Verhalten ganz anders sein wird. Das selbe beobachte bei meinen Mitmenschen, wo meine Erwartungshaltung oft nicht mit der wirklichen Situation übereinstimmt. Ich möchte hier mal ein Beispiel nennen......
Wir hatten vor ein paar Tagen ein Sicherheitsseminar im Betriebe, bei der es um Verkehrssicherheit und Alkohol ging. Alkohol ist für mich bis jetzt immer ein ganz schwieriges Thema auf Seminaren gewesen, da die psychosomatischen Reaktionen meine sozialen Phobie vergleichbar sind mit der eines Alkoholikers.Ich war also am Tag des Seminars doch schon ein wenig aufgeregt, wenn auch bei weitem nicht so wie früher. Ich praktizierte dann eine Stunde vor dem Seminar mein Autogenes Training, was mir auch wunderbar geholfen hatte und mir zusätzlich ein wenig Ruhe und Gelassenheit gebracht hat. Im ganzen Verlauf des Seminars, was von einem Hauptkommissar der Polizei geführt wurde, stellte nur ich und ein Kollege ein paar Fragen zu Alkohol, Drogen und die Folgen des Konsums im Straßenverkehr. Also von 35 Leuten war ich einer von 2 Leuten die Fragen gestellt haben. Wow, was für eine Quote ! Als das Ende des Seminars in Sichtweite kam, sollten wir wenn möglich noch einen Parkour absolvieren, in denen mit Hilfe von Spezialbrillen eine Rausch ähnlicher Sehzustand simuliert wurde. Wer denkt ihr, hat sich direkt die erste und stärkste Brille genommen, den Parkour als erstes betreten und war dazu noch einer von ganz wenigen Kollegen, die überhaupt den Parkour in Angriff genommen haben? Na ich ! Die Teilnahme am Parkour war freiwillig, jedoch hat unser Seminarleiter darum gebeten, dass jeder mal eine Runde auf dem Parkour dreht. Er fügte noch hinzu, dass sich keiner schämen müsse, vor allem nicht bei dem Gelächter der Kollegen, die wegen des Parkours sicherlich was zu lachen hätten. Gerade mal 5 Leute haben bei diesem Parkour mitgemacht, alle anderen standen wie bedröppelt an der Wand und haben nur zugeguckt. Darunter war sogar der stellvertretende Lagerleiter, der eigentlich als ein gutes Beispiel vor gehen sollte. Nun, so bin ich dann halt als ein gutes Vorbild voran gegangen. Ich erklärte einem Arbeitskollegen am Ende des Seminars, dass ich mich eigentlich hätte ganz hinten in der Ecke verstecken müssen um bloß nicht aufzufallen. Ich fragte ihn warum die anderen Leute wohl nicht mitgemacht haben bei diesem Parkour und er meinte, dass sie sich wohl nicht zum Affen machen wollte.
Aha, ich mit meiner sozialen Phobie stehe da voll im Mittelpunkt und mache mich zum Affen? Gerade ich ? Ich habe das komischerweise überhaupt nicht so empfunden, auch wenn meine Kollegen viel gelacht haben über meine komischen Wankelgang und meine "Zielgenauigkeit" beim Tennisball/Münzen aufheben, unter dem Einfluss von simulierten 1.6 Promille.
Da wusste ich was meine Therapeutin meinte als sie mir sagte" Gucken sie sich mal die anderen Leute an" Ich habe auf jedenfalls nun schon ein paar mal Mitbekommen, dass Menschen die scheinbar keine Probleme haben, bei weitem nicht so flexibel und locker reagieren können, wie ich es oftmals von ihnen erwarte !
Na ja, man lernt ja nie aus !