GSG-9-Gründer fühlt sich in Deutschland sicher

Von Newssquared @Oliver_schreibt

Herr Wegener, Sie haben die GSG 9 gegründet, die Geiseln der «Landshut» in Mogadischu befreit. Haben Sie Ihrer Meinung nach ein aufregendes Leben?

Ulrich Wegener: Gar nicht so. In den ersten Jahren nach Mogadischu hat mich das Bundeskriminalamt aufgeregt, weil die immer nach meinem Personenschutz gefragt haben. Und ich habe gesagt: Das machen meine Jungs. Außerdem habe ich keine Angst. Ich wollte mich und meine Familie selbst schützen. Ich wollte keine Kriminalisten, die mich beschützen.

Weil Sie den Kriminalisten nicht vertraut haben?

Wegener: Einerseits das und weil meine Jungs vom Alter her besser zu meinen Töchtern passten (lacht).

Die haben sich also als Freunde Ihrer Töchter ausgegeben?

Wegener: Sie haben sich zumindest so gefühlt.

Der Gründung der GSG 9 geht das Attentat bei den Olympischen Spielen voraus. Was hat München 72 für die BRD bedeutet?

Wegener: München 72 war das Fiasko, woraufhin es einen Umbruch in der Terrorismusbekämpfung in Deutschland gab. Es hat gezeigt, dass Terrorismus eine Bedrohung sein kann, wie man sie sich nicht vorstellen konnte. Mit normalen polizeilichen Mitteln konnte man dieser Bedrohung damals nicht Herr werden. Wir hatten vorher schon Terrorismus in Deutschland, aber nicht derartig.

Haben Sie vor den Olympischen Spielen keine verstärkte Bedrohung wahrgenommen?

Wegener: Doch, wir haben auch damit gerechnet, dass es zu irgendeiner Aktion kommt. Das war ja nicht neu. Die PLO hat bestanden und war auch in Deutschland bekannt. Der Grundfehler war, dass die Sicherheitskräfte unbewaffnet waren. Man wollte fröhliche Spiele und hat gedacht, es geht ohne Waffen. Keiner sollte sich an 1936 erinnern, man wollte nicht in den Ruf kommen, wieder solche Spiele zu machen wie die Nazis damals. Und abgesehen von diesem Überfall auf die israelische Mannschaft war es ein schönes Ereignis, das ist keine Frage. Der größte Fehler war, dass man für die Sicherheit so gut wie nichts getan hat.

Wussten Sie als Oberstleutnant beim Bundesgrenzschutz und Verbindungsoffizier von Innenminister Genscher, dass das ein Fehler sein würde?

Wegener: Wir haben es geahnt. Ich habe auch gesagt: Spinnen die denn? Die wollen Sicherheitskräfte ohne Waffen einsetzen. Ich konnte mich aber nicht durchsetzen, ich war ja nur ein kleiner Offizier.

Ein kleiner Offizier, der nach dem Attentat der Palästinenser und dem katastrophalen Einschreiten der Polizei die GSG 9 gründen durfte.

Wegener: Ja, Hans-Dietrich Genscher habe ich schnell davon überzeugt. Es gab schon einen Kabinettsbeschluss zur Aufstellung einer Spezialeinheit. Aber der damalige Präsident des Bundeskriminalamts wollte die Spezialeinheit beim Bundeskriminalamt eingliedern. Dagegen hatte ich was. Gott sei Dank konnte ich Genscher überreden, dass er das nicht zulässt. Ich habe ihm damals gesagt: Wir brauchen nicht wieder eine ganze Horde neuer Bürokraten und Kriminalisten. Wir brauchen eine Truppe. Das war der Startschuss meiner Laufbahn.

Und Sie werden immer noch vom Innenministerium als Berater herangezogen. Was ist heute in Deutschland die größte Bedrohung?

Wegener: Ich halte die islamistische für die größte Gefahr, und zwar weil sie nicht auf Deutschland beschränkt ist. Die haben ein globales Netzwerk. Bis auf wenige Fälle wie die Sauerland-Gruppe sind wir bisher relativ gut weggekommen, weil wir erfolgreicher bekämpft haben. Wir dürfen aber nicht einschlafen und die Zwickauer Zelle hat uns das gezeigt, dass es immer neue Möglichkeiten des Terrorismus gibt. Gerade rechtsgerichteter Terrorismus hätte Deutschland auf keinen Fall passieren dürfen.

Was muss Deutschland aus der Zwickauer Zelle lernen?

Wegener: Es hat die Lücken gezeigt in der Terrorismusbekämpfung. Die bestehen innerhalb der Organisation, zum Beispiel bei der Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und Polizei. Das gab es schon immer und immer hat man darüber geredet, aber keiner hat sich richtig an die Geschichte herangetraut. Es muss auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bundespolizei und Bundeswehr geben. Dennoch sind wir in Europa führend in der Terrorismusbekämpfung, zumindest was den Islamismus betrifft.

Fühlen Sie sich sicher in Deutschland?

Wegener: Natürlich, da gibt es keinen Zweifel. Aber wenn sich die Lage ändert, wie jetzt mit dem rechtsextremistischen Terror, müssen wir etwas verändern. Gut, dass der Bundesinnenminister sofort eingestiegen ist und mit dem Generalbundesanwalt das Abwehrzentrum gegen Rechtsterror auf den Weg gebracht hat, wo Polizei und Nachrichtendienste zusammenarbeiten. Ich hoffe, dass das zum Erfolg führt.

Beim Film München 72 – Das Attentat haben Sie den Produzenten beratend zur Seite gestanden. Wie finden Sie den Film?

Wegener: Sehr gut. Der Film ist authentisch. Ob die Story mit der Anna Gerbers so hundertprozentig stimmt, weiß ich nicht. Aber sonst ist alles richtig, auch dass sich Genscher gegen die Geiseln eintauschen wollte. Das ist auch nachweisbar. Der Darsteller, der Herrn Genscher spielt, ist sehr gut, er hat mich wirklich an ihn erinnert.

Und wie fanden Sie sich selbst porträtiert?

Wegener: Herr Sadler ist ein guter Mann. Wir haben uns sehr lange darüber unterhalten, wie er mich darstellen sollte. Das hat er prima gemacht.

Sie scheinen damals streng gewesen zu sein.

Wegener: Ja, das stimmt. (lacht) Ich bin Preuße, ich habe eine strikte Linie verfolgt und die musste durchgehalten werden. Ich habe aber auch gern Spaß gehabt.

Das ist nicht Ihr erster Ausflug ins Filmgeschäft. Sie haben schon bei Mogadischu mitgewirkt.

Wegener: Da habe ich ein bisschen beraten. Das hat mir Spaß gemacht und ich hatte ein egoistisches Interesse daran. Wenn schon Mogadischu, dann wollte ich, dass es einmal realistisch dargestellt wird. Auf der anderen Seite konnten wir bestimmte taktische Maßnahmen nicht offenlegen. Das hatte ich mit dem Produzenten Nico Hoffmann auch besprochen und er hat zugestimmt.

Weil diese Taktik heute noch angewendet wird?

Wegener: In verschiedenen Versionen schon.

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«München 72» – GSG-9-Gründer fühlt sich in Deutschland sicher