Grüne Neuorientierung – auch säkular?

Von Nicsbloghaus @_nbh

Bei Bündnis 90/Die Grünen ste­hen umfang­rei­che Debatten über die Ursachen der Wahlniederlage und hin­sicht­lich des wei­te­ren Kurses der Partei an. In diese Diskussionen schal­ten sich jetzt auch säku­lare Grüne ein. Unmittelbar nach der Bundestagswahl haben sie einen Antrag beim Bundesvorstand ein­ge­reicht, der auf der nächs­ten Bundesdelegiertenkonferenz (BDK, der Grünen-Parteitag) behan­delt wer­den soll.

Die Antragsteller/innen, dar­un­ter Jürgen Roth, lang­jäh­ri­ger Vorsitzender des Kreisverbandes Tempelhof-Schöneberg und Mitglied des Beirats der Humanistischen Union, sowie Walter Otte, einer der Sprecher des Bundesweiten Arbeitskreises Säkulare Grüne, for­dern mit dem Antrag, das “Verhältnis Staat, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften auf (eine) neue Grundlage (zu) stel­len”. Der Antrag for­mu­liert Leitgedanken für die Arbeit der in Kürze ein­zu­rich­ten­den Kommission “Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat”.

Diese Kommission war vom (schei­den­den) Bundesvorstand der Grünen bei den reli­gi­ons­po­li­ti­schen Gesprächen Ende April für den Herbst 2013 zuge­sagt wor­den. In dem Beschluss des Bundesvorstandes heißt es u.a., dass in der Kommission “unter ande­rem über Themen, wie Staatsleistungen, Religionsunterricht, Beschneidung, Gleichstellung der unter­schied­li­chen Religionsgemeinschaften sowie ande­rer Weltanschauungen und die Trennung von Religionsgemeinschaften und Staat debat­tiert” wer­den soll mit dem Ziel, “einen Kommissionsbericht bis Ende 2014 vor­zu­le­gen, die inner­par­tei­li­che Debatte auf­zu­grei­fen und die­ses Thema anschlie­ßend auf einer BDK zu bera­ten.”

In dem am Dienstag beim Bundesvorstand ein­ge­reich­ten Antrag wer­den “Grundsätze der Religionsfreiheit” betont und eine tat­säch­li­che Neutralität des Staates in reli­giö­sen und welt­an­schau­li­chen Fragen gefor­dert. Die Beziehungen zwi­schen Staat und Kirchen sol­len “auf eine neue und zukunfts­feste Grundlage” gestellt wer­den; die noch aus der Weimarer Reichsverfassung stam­mende ver­fas­sungs­recht­li­che Sonderstellung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist ange­sichts der Veränderungen der Gesellschaft in der bis­he­ri­gen Weise nicht mehr auf­recht zu hal­ten, heißt es.

Ein Schwerpunkt des Antrages liegt auf der “Stärkung der Rechte der Beschäftigten in den Kirchen” bzw. kirch­li­chen Einrichtungen; es wird eine Über­prü­fung der gegen­wär­ti­gen Kirchensteuererhebung gefor­dert, wobei die Regelungen des Grundgesetzes und inter­na­tio­na­ler Konventionen ebenso wie auch der Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten eine Rolle spie­len. Schließlich wird die (über­fäl­lige) Beendigung der his­to­ri­schen Staatsleistungen an die gro­ßen christ­li­chen Kirchen ver­langt.

In dem Antrag wird aber auch gefor­dert, u.a. Rundfunkräte plu­ra­lis­ti­scher zu beset­zen und auch Weltanschauungsgemeinschaften (wie bei­spiels­weise den HVD) in den Rundfunkgeräten berück­sich­ti­gen. Der Antrag schließt mit einem Kapitel: “Konkordate und Kirchenverträge sind nicht zeit­ge­mäß.”

Mit dem Antrag soll die reli­gi­ons­po­li­ti­sche Debatte bei den Grünen beför­dert und ein deut­li­ches Signal gesetzt wer­den, dass in den mit dem Antrag erwähn­ten gesell­schaft­li­chen Bereichen drin­gen­der Handlungsbedarf besteht. Auch wenn auf­grund der Aktivitäten des im Januar 2013 gegrün­de­ten Bundesweiten Arbeitskreises Säkulare Grüne erreicht wer­den konnte, dass im Bundestagswahlprogramm säku­lare Forderungen deut­lich wahr­ge­nom­men wer­den konn­ten und der grüne Bundesvorstand die Einrichtung der Kommission “Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat” ver­bind­lich zuge­sagt hat, besteht in der gegen­wär­ti­gen Situation Anlass, diese Themen ver­nehm­lich in die Neuorientierungsdebatte ein­zu­brin­gen. Davon, dass sei­tens der Grünen bis­lang säku­lar ori­en­tierte Wähler und Wählerinnen, unab­hän­gig von einer Konfessions- oder Weltanschauungszugehörigkeit, aus­rei­chend beach­tet wor­den sind, kann keine Rede sein.

Karl Albert

Der Antrag steht hier im Wortlaut als pdf zur Verfügung.

[Erstveröffentlichung: hpd]

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