Grundsatzreform in der Hochschullandschaft?

Von Stefan Sasse
In einem Interview mit der ZEIT beklagte der Potsdamer Uni-Präsident Oliver Günther die schlechte Lage der deutschen Universitäten und forderte, das bisherige System stärker zu diversifizieren. Statt wie bisher grundsätzlich zwei Arten von Hochschulen forderte er gleich vier: 
Erstens wird es einige wenige Spitzenuniversitäten geben, die in allen Fachbereichen international mitspielen. Bei ihnen steht die Forschung klar im Vordergrund, die Wissenschaftler lehren natürlich auch, aber eher noch weniger als heute. Die Exzellenzinitiative deutet an, welche Universitäten dies sein könnten. Ein zweiter, deutlich größerer Cluster von forschungsorientierten Hochschulen wird in einigen Fachbereichen international sichtbar sein, die Forschung steht gegenüber der Lehre noch ein Stück weit im Vordergrund. Der dritte, vielleicht größte Cluster an Hochschulen wird sich auf die Lehre konzentrieren – Forschung gibt es hier weniger. Die vierte Gruppe schließlich besteht aus Hochschulen, die sich ausschließlich der praxisorientierten und berufsnahen Lehre widmen.
Diese Entwicklung gibt es natürlich bereits, weswegen Günther auch im selbstverständlichen Futur spricht ("wird geben"). Bologna hat dafür gesorgt, und sämtliche Reformen der letzten Jahre weisen in diese Richtung. Ziel ist die Schaffung so genannter Elite-Universitäten, die sich auf die Spitzenforschung konzentrieren. Durch die Finanzierung der "Exzellenz-Initiative" wurde dieses Vorgehen auch Gesetz. Günthers Vision ist allerdings mit einigen echten Problemen behaftet.
Das Problem ist der Qualitätsverfall für die breite Masse der Studierenden. In Günthers Konzeption geht der Löwenanteil der Gelder einigen wenigen Universitäten zu, die sich auf die Forschung konzentrieren und praktisch niemanden ausbilden. Selbst ohne Studiengebühren werden für die Aufnahme auf diese Universitäten aller Wahrscheinlichkeit nach hohe Einstiegshürden errichtet werden, vermutlich in Form spezialisierter Tests. Solche Tests bevorzugen aber stets diejenigen, die sich eine spezialisierte Nachhilfe dafür leisten können. Die meisten Studierenden werden sich also auf den dritten Cluster Günthers beschränken müssen, wo praktisch keine Forschung stattfindet, sondern eine Konzentration auf die Lehre. Der frühere Erfolg des deutschen Systems aber besteht ja gerade darin, dass die Studierenden die aktuellsten Forschungsergebnisse direkt an der Quelle erfahren können. Konzentrieren sich solche "Massenuniversitäten" aber ausschließlich auf die Lehre, so wird ein solcher Kontakt fast unmöglich. Diese Universitäten ziehen keine Forscher an (die gehen dahin, wo die Mittel sind und sie sich nicht mit Studenten herumschlagen müssen), sondern eher diejenigen, die nicht qualifiziert genug dafür sind. Letztlich müssen sich die Studenten also von der zweiten Garde unterrichten lassen. Es ist damit zu rechnen, dass dies einen allgemeinen Qualitätsverfall mit sich bringen würde, was die wissenschaftliche Ausbildung betrifft.
Dies ist natürlich von Günther direkt eingepreist. Er redet deswegen von "praxisorientiert und berufsnah", was beides mit Wissenschaft wenig zu tun hat. Man kann dies natürlich begrüßen, indem man die Weltenferne des universitären Betriebs beklagt, aber ich halte dieses Argument für unbrauchbar. Das wissenschaftliche Arbeiten zu erlernen - eine Fähigkeit, die bereits durch den Umstieg auf Bachelor und Master erheblich beeinträchtigt wurde - ermöglicht eine Denk- und Arbeitsweise, die von großem Wert ist und sich nicht einfach in Berufs- und Ausbildungszeiten messen lässt. Paradoxerweise ist dieser Effekt aber für die Hochschulen selbst durchaus von Interesse, weswegen der Einsatz Günthers dafür auch Sinn macht. Selbst wenn man nicht damit rechnet, zum ersten oder zweiten Cluster zu gehören und damit Ruhm und Fördergelder einzuheimsen, macht eine Spezialisierung aus Sicht der Universität durchaus Sinn, weil man seine Mittel effizienter einsetzen kann. Eine reine Lehr-Universität braucht wesentlich weniger Infrastruktur als eine Forschungsuni. Besonders für die Lehramtsstudiengänge dürfte dies attraktiv sein. Der Nachteil ist aber, dass gerade Lehramtsstudiengänge dadurch massiv an wissenschaftlicher Ausbildungsqualität einbüßen würden.
Ich halte daher das Diversifizierungsprinzip, wie Günther es vorschlägt, für eine Sackgasse. Mein Plädoyer wäre eher, den nutzlosen Versuch einer Konkurrenz mit Harvard aufzugeben und stattdessen das Konzept einer Massenuniversität mit offenen Armen zu umschließen. Eine gute Ausbildung für 90% der Studierenden ist besser als eine exzellente Ausbildung für 10% der Studierenden. Es ist ja immer noch möglich, spezielle Elitenprogramme durchzuführen. Das Problem ist die Finanzierung. Da die aktuellen Vorschläge immer darauf herauslaufen, mit denselben Ressourcen die Elite zu erreichen, muss die Masse zwangsläufig leiden (daher auch die reinen "Ausbildungsunis"). Würde man stattdessen mehr ins Bildungssystem investieren, wo das Geld wahrlich gut aufgehoben ist, eventuell auch mit nachgelagerten Studiengebühren, so würde dies dem Land zugute kommen, weil es eine breitere Schicht gut ausgebildeter Leute besitzt und nicht nur eine schmale Elite.

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