Grundrechte auch für die abhängig kirchlich Beschäftigten!

WEIMAR. (fgw) Während Parteien, wie die SPD und die Piraten, ledig­lich auf ihren jüngs­ten Parteitagen für die Rechte der abhän­gig Beschäftigten in Einrichtungen und Unternehmen der soge­nann­ten Amtskirchen strit­ten, hat – von der ver­öf­fent­lich­ten Meinung ver­schwie­gen – die Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE gehan­delt. Bereits am 12. April 2011 brachte die LINKE einen Antrag „Grundrechte der Beschäftigten von Kirchen und kirch­li­chen Einrichtungen stär­ken“ (Bundestags-Drucksache 17/5523) ein. Dieser Antrag ist mitt­ler­weile an die Ausschüsse ver­wie­sen wor­den. Trotz aller Mängel in dem lan­gen Antragstext ist diese Initiative nach Einschätzung lang­jäh­ri­ger Bundestagsabgeordneter das beste, was jemals zu die­sem Thema in den Bundestag ein­ge­bracht wor­den sei.

Grundrechte auch für die abhängig kirchlich Beschäftigten!In die­sem Antrag heißt es in vol­lem Wortlaut:

Der Bundestag wolle beschlie­ßen:
(…)
II. Der Deutsche Bundestag for­dert die Bundesregierung auf,
1. einen Gesetzentwurf vor­zu­le­gen, mit dem
a) der gene­relle Ausschluss der Religionsgesellschaften und ihrer kari­ta­ti­ven und erzie­he­ri­schen Einrichtungen unbe­scha­det deren Rechtsform von der Anwendbarkeit der ein­zel­ge­setz­li­chen Regelungen zum kol­lek­ti­ven Arbeitsrecht auf­ge­ho­ben wird,
b) durch ent­spre­chende Ände­rung des Kündigungsschutzgesetzes klar­ge­stellt wird, dass eine Kündigung wegen außer­dienst­li­chen Verhaltens nur dann sozial gerecht­fer­tigt nach § 1 KSchG sein kann, wenn das betref­fende Verhalten einen unmit­tel­ba­ren Bezug zur dienst­li­chen Aufgabe auf­weist,
c) im Interesse einer ein­heit­li­chen Rechtsprechung und der Rechtsklarheit für die Betroffenen im Hinblick auf Artikel 4 Absatz 2 der euro­päi­schen Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG ein­deu­tig klar­ge­stellt wird, dass die Aufhebung von Diskriminierungsverboten durch § 9 AGG in Bezug auf beruf­li­che Tätigkeiten inner­halb von Kirchen und ande­ren öffent­li­chen oder pri­va­ten Organisationen, deren Ethos auf reli­giö­sen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, nur soweit geht, wie die Religion oder die­Welt­an­schau­ung der betref­fen­den Person nach der Art der aus­ge­üb­ten Tätigkeit eine wesent­li­che, recht­mä­ßige und gerecht­fer­tigte beruf­li­che Anforderung dar­stellt;
2. dafür Sorge zu tra­gen, dass das Streikrecht aus Artikel 9 Absatz 3 GG auch für Beschäftigte von Kirchen, kirch­li­chen Einrichtungen und sons­ti­gen Religionsgesellschaften gewähr­leis­tet wird.

Die Einreicher um Raju Sharma, zu denen auch der Thüringer Frank Tempel zählt, gehen lei­der in ihrem sehr, sehr lan­gen Begründungstext der amts­kirch­li­chen Propaganda auf den Leim, wenn sie unkri­tisch schrei­ben: „Kirchliche Krankenhäuser, Kindergärten, Einrichtungen der Jugendhilfe, der Pflege für alte Menschen und Menschen mit Behinderung sowie Jugend- und Altenheime tra­gen durch ihr sozia­les Engagement im Dienste am Nächsten maß­geb­lich zur dezen­tra­len Grundversorgung der Bevölkerung im Bereich Pflege, Gesundheit und Soziales bei.”

Kein Wort dazu, daß all diese Einrichtungen über­wie­gend bis voll­stän­dig aus öffent­li­chen Kassen bezahlt wer­den und daß viele die­ser (zuvor meist kom­mu­na­len) Einrichtungen von einer kir­chen­hö­ri­gen Politik ohne Not in kirch­li­che Trägerschaft über­ge­ben wor­den sind. Insbesondere im säku­la­ren „Beitrittsgebiet” Ostdeutschland.

Mit ins­ge­samt ca. 1,3 Millionen Beschäftigten sind die christ­li­chen Kirchen und ihre sozia­len Einrichtungen die größ­ten Arbeitgeber in Deutschland, schrei­ben die Autoren rich­tig und machen auf die Dimension ihres Antrags auf­merk­sam.

Aber schon die nach­fol­gende Passage kon­ter­ka­riert die These von den „christ­li­chen Kirchen und ihren sozia­len Einrichtungen: „Seit eini­gen Jahren schlie­ßen sich jedoch immer mehr Träger sozia­ler Einrichtungen im Bereich der Diakonischen Werke und des Deutschen Caritasverbandes zu Großeinrichtungen mit tau­sen­den Beschäftigten zusam­men. Sie ver­ste­hen sich als Unternehmen der Sozialbranche und agie­ren als Wettbewerber auf einem Konkurrenzmarkt. Sie stre­ben Wachstum und beherr­schende Marktanteile an. Die Rechtsform sol­cher Träger ist in zuneh­men­der Zahl die von Kapitalgesellschaften. Sie haben sich zu Interessenverbänden wie dem Verband dia­ko­ni­scher Dienstgeber in Deutschland (VdDD) oder der Arbeitsgemeinschaft cari­ta­ti­ver Unternehmen (AcU) zusam­men­ge­schlos­sen. Der VdDD ist der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beige­tre­ten und Mitglied in des­sen Vorstand. (…) Noch wei­ter gehende Kostensenkungen stre­ben kirch­li­che Einrichtungen durch Ausgründungen von Betriebsteilen an, durch nied­rig bezahlte Leiharbeit, durch betrieb­li­che Gehaltsabsenkungen und andere Formen der Personalkostenreduktion zu Lasten der Beschäftigten.”

Also, nichts da mit christ­li­cher Nächstenliebe in die­sen sozia­len Einrichtungen, son­dern neo­li­be­ra­ler Kapitalismus pur! Und sogar noch wei­ter­ge­hen­der als in pri­vat­ka­pi­ta­lis­ti­schen Unternehmen, denn „Beschäftigten der Kirchen, kirch­li­chen Einrichtungen und kon­fes­sio­nel­len Wohlfahrtsträger kann unter Berufung auf weit­rei­chende Loyalitätsobliegenheiten, die sich auch auf ihr außer­dienst­li­ches Verhalten erstre­cken sol­len, ein­fa­cher als im öffent­li­chen Dienst und in pri­va­ten Unternehmen gekün­digt wer­den. Dies soll nicht nur für den ver­kün­dungs­na­hen Bereich gel­ten, son­dern auch für Tätigkeitsfelder, in denen kirch­li­che Einrichtungen im Wettbewerb mit ande­ren Anbietern ste­hen.”

Und die poli­tisch gewollte Privilegierung der christ­li­chen Kirchen führt damit zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Rücken der Beschäftigten!

Und der zweite große Mangel ist, daß die Antragsteller fort­lau­fend auch die kirch­li­che – und damit ver­fas­sungs­wid­rige – Sprachregelung der Kirchen über­neh­men, wenn sie z.B. schrei­ben: „Namentlich Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 3 WRV sichere kirch­li­chen Arbeitgebern ein Selbstbestimmungsrecht dar­über, was zu den eige­nen Angelegenheiten gehöre…”

Dabei heißt es in Artikel Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 3 WRV eindeutig:„Jede Religionsgesellschaft ord­net und ver­wal­tet ihre Angelegenheiten selbst­stän­dig inner­halb der Schranken des für alle gel­ten­den Gesetzes.”

Hier ist von einer Verwaltung eige­ner Angelegenheiten, nicht aber von einem Selbstbestimmungsrecht die Rede. Dieses maßen sich die Amtskirchen an, unter­stützt von einer ihnen freund­li­chen Politik und Rechtsprechung. Letztlich stel­len sich diese Kirchen damit über Recht und Gesetz und über den Staat…

Allerdings ist den LINKEN MdB’s wohl doch nicht ganz wohl zumute bei ihrer Über­nahme amts­kirch­li­cher Sprachregelungen, denn sie schrei­ben auch: „…[vor­herr­schende, SRK] Verständnis der ver­fas­sungs­recht­li­chen Grundlagen des Verhältnisses des Staates zu den Kirchen ver­kennt indes sowohl die völ­ker­recht­li­chen Vorgaben als auch die gegen­über denen der Weimarer Reichsverfassung ver­än­der­ten gesell­schaft­li­chen und recht­li­chen Rahmenbedingungen der Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart.” Daher bedürfe das über­kom­mene inner­staat­li­che Rechtsverständnis einer grund- und men­schen­rechts­freund­li­chen Korrektur. (…) Da sich Kirchen und kirch­li­che Einrichtungen wie „nor­male” Arbeitgeber ver­hal­ten, Leiharbeit ein­füh­ren, Betriebe aus­glie­dern und Löhne drü­cken kön­nen, müs­sen sich die Beschäftigten dage­gen auch effek­tiv weh­ren kön­nen. Der Ausschluss von über einer Million Menschen in Deutschland von grund­le­gen­den Beschäftigtenrechten ist grund­ge­setz­lich unge­recht­fer­tigt.”

DIE LINKEN lie­gen rich­tig, wenn sie schrei­ben – man igno­riere hier mal das omi­nöse ‚Selbstbestimmungsrecht der Kirche‘: „Ungerechtfertigt ist ins­be­son­dere eine sche­ma­ti­sche Privilegierung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche. Jenseits des Bereichs der ver­kün­dungs­na­hen Tätigkeitsfelder im enge­ren Sinne müs­sen die reli­giö­sen Motive des kirch­li­chen Arbeitgebers, die nach der bis­he­ri­gen Rechtsprechung das Vorliegen eines sozia­len Kündigungsgrundes begrün­den kön­nen soll­ten, grund­sätz­lich hin­ter den grund­recht­lich geschütz­ten Interessen der betrof­fe­nen Beschäftigten zurück­tre­ten.”

Dem ist nichts hin­zu­zu­fü­gen!

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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