Grundrecht wird zu brutaler Gewalt

Grundrecht wird zu brutaler GewaltEine Wichse, sagt der Mitteldeutsche, wenn er meint, dass sich Dinge, die eigentlich weit auseinanderliegen, tief drinnen doch sehr ähnlich sind. Eine Wichse schreibt jetzt auch der „Spiegel“, dessen Autoren Barbara Hans und Julia Jüttner extreme Ähnlichkeiten zwischen gewalttätigen Islamisten und der selbsternannten Heimatverteidigungsfront Pro-NRW entdeckt haben wollen.
Keine große Kunst, zumindest wenn man mit den Details auf Kriegsfuß steht. Beide Seiten, so Hans und Jüttner, „hassen und provozieren sich“, die Polizei müsse „Pro-NRW-Anhänger und Salafisten bei Kundgebungen trennen“, beide Gegner eine auch, dass sie Ängste schürten, vereinfachten und sich selbst als Opfer inszenierten, um “von den öffentlichen Anfeindungen zu profitieren“.
Klar, die Parallelen sind nicht zu übersehen. „Abschieben! Abschieben", rufen die Pro-NRW-Anhänger. "Tod den Ungläubigen", rufen die Salafisten. Laut „Spiegel“. Wer wird denn da noch so kleinlich sein und darauf hinweisen, dass das Abschieben rein rechtlich gesehen zulässig ist, während die Todesstrafe hierzulande weder für Gläubige noch für Ungläubige gilt?
Aber wir machen uns doch unsere schöne Story nicht mit solchen Petitessen kaputt, sagen sich Barbara Hans und Julia Jüttner. Etwa dadurch, dass wir erwähnen, dass der Extremismus der einen Seite der extrem Ähnlichen darin besteht, gewaltlos Bilder eines Mannes mit Turban zeigen, was von Gerichten hierzulande durchweg für zulässig erachtet wird. Während die andere Seite die Kunstfreunde wie die Abgesandten der Staatsmacht mit „Steinen und Flaschen“ (Spiegel) bewirft und 29 Sicherheitskräfte verletzt. Was durch keine Auslegung der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Grundrecht wird zu brutaler GewaltExtrem ähnlich? Nur, wenn man unbedingt so will - wie Heribert Prantl, der eine Coverversion des "Spiegel"-Beitrages für die Süddeutsche Zeitung in eigenen Worten nacherzählt.
Denn der „Ausbruch der Gewalt“, über dem die beiden Spiegel-Weltbilderklärer Krokodilstränen vergießen, ging eben ausschließlich von einer Seite aus – die andere mag „provoziert“ (Der Spiegel) haben – doch eben dies ist im Rahmen hiesiger Gesetze nicht „extrem“, sondern Teil des demokratischen Meinungsstreits. Was in der Welt der friedlichen Islam-Auslegung extrem anders aussieht, wie der in Deutschland lebende iranische Rapper Shahin Najafi gerade erfahren muss.
„Die Logik ist simpel, die Kalkulation durchschaubar, nicht nur auf Pro-NRW-Seite“, schreiben Hans und Jüttner. Und sie ist ebenso simpel und durchschaubar auf Seiten des ehemaligen Nachrichtenmagazins. Es geht darum, „die Ängste der Menschen zu mobilisieren“, wie es weiter heißt – und zwar gleichermaßen gegen gewalttätige Islamisten wie gegen entschiedene Islamfeinde. Steckt man beide in einen Sack, lässt sich unterschiedslos auf sie einprügeln. Ungeachtet der Tatsache, dass die gewalttätige Verteidigung des wahren Glaubens durch seine selbsternannten wahren Gläubigen und die darauf folgende Forderung, der wahre Glaube dürfe auch in deutschland nicht mehr durch das öffentliche Zeigen irgendwelcher Bilder „beleidigt“ werden, genau das Szenario sind, vor dem die Pro-NRW-Bildchenhalter warnen.
"Die gewalttätigen Übergriffe der Salafisten untermauern das Bild der Pro-NRW-Anhänger von der Gewaltaffinität des Islam", zitiert der „Spiegel“ Uwe Backes, den Vize-Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung an der TU Dresden. Unzweifelhaft tun sie das, weil der Augenschein genau dafür spricht. Hans und Jüttner aber finden eine Formulierung, die schon den Augenschein in die extreme Ecke rückt: „Die Ausschreitungen dienten als unanfechtbarer Beweis der eigenen These“. Lies bitte zwischen den Zeilen: Was sie nicht sind!
Das ist Formulierungskunst auf höchsten Niveau, eine „Inszenierung“ (Spiegel), die Täter und Opfer gleichermaßen Schuld zuspricht nach dem Motto „Hätte sie nicht so einen kurzen Rock angezogen, wäre sie auch nicht vergewaltigt worden“.
Ziel der Extremisten sei „in letzter Konsequenz die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, ein Ziel, dem sich offenbar auch das frühere Sturmgeschütz der Demokratie verpflichtet fühlt, kritisiert es doch, dass „die Partei Pro-NRW bewusst auf sehr plakative marktschreierische Weise“ vorgehe, „wenn sie Islam und Islamismus, Religion und Ideologie“ gleichsetze. Das darf man nicht, schon gar nicht im Wahlkampf! Zuspitzen, Schwarzweißdenken, einen Absolutheitsanspruch auf die Richtigkeit der eigenen Meinung zu haben – all das, was große Demokraten wie Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Helmut Kohl in den Stand versetzte, einem inneren Kompass auch im Gegenwind zu folgen, ist laut „Spiegel“ inzwischen streng verboten.
Nur ganz zum Schluss rutscht den beiden Autoren ein Satz in den Text, der den einen kleinen entscheidenden Unterschied ins Spiel bringt, an dem sich die extremen Ähnlichkeiten im konkreten Fall eben als völlig unähnlich entpuppen: "Das totalitäre Denken basiert auf der Bereitschaft, die eigene Meinung grundsätzlich auch mit Gewalt durchzusetzen", sagt Lazaros Miliopoulos, der an der Universität Bonn zum Thema Extremismus forscht. Nun wäre zu fragen, wer trug in Bonn den kurzen Rock? Und wer hatte das Messer? Aber wir machen uns doch unsere schöne Story nicht mit solchen Petitessen kaputt.

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