Gründlich verrechnet: Wenn die Naturwissenschaft irrt

Von Peymani @Ramin_Peymani

Der “Klodeckel des Tages” geht diesmal an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese muss in den sich quälend lang hinziehenden Koalitionsverhandlungen mit ansehen, wie die Union durch das Fehlen echter Bündnisalternativen immer erpressbarer wird. Der Rausch der beinahe errungenen absoluten Mehrheit ist längst dem Kater über einen offensichtlichen Pyrrhussieg gewichen. Die SPD-Linke kann eine Forderung nach der anderen durchsetzen, weil sie weiß, dass Merkel Neuwahlen mindestens so sehr fürchtet wie die Genossen selbst. Und da eine schwarz-grüne Koalition gottlob niemand ernsthaft will, ist die Kanzlerin der SPD auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Mancher hatte bereits kurz nach dem Wahltag prognostiziert, dass Merkel, auf dem Zenit ihrer politischen Macht angekommen, schweren Zeiten entgegen sehe. Zu leicht hatte sie es einerseits mit einer leblosen FDP in der vergangenen Legislaturperiode. Zu limitiert stellen sich für Merkels Union aber andererseits die Optionen ohne eine FDP im Bundestag dar. So dürfte die Kanzlerin ihre unterlassene Hilfeleistung für den siechenden Ex-Koalitionspartner inzwischen mehr als einmal bereut haben.

Die kühle Naturwissenschaftlerin Merkel, der nachgesagt wird, sie mache wenige strategische Fehler, hat sich diesmal gründlich verkalkuliert. Ihr bleibt nun nur noch, Position um Position zugunsten der SPD zu räumen, um zumindest ihre Kanzlerschaft zu retten. Ohnehin scheint dies ihr vorrangiges Ziel. Gestalten ist ihre Sache nicht. So rechnen Beobachter bereits vor, dass sich Gabriel & Co. in den Koalitionsverhandlungen in der Mehrzahl der Arbeitsgruppen durchgesetzt haben. Vor allem bei den Themen Mindestlohn, doppelte Staatsbürgerschaft und Zuschussrente dürften am Ende die SPD-Forderungen im Koalitionsvertrag stehen. Aber auch bei der von der CDU mitgetragenen Frauenquote, die nun deutlich früher festgeschrieben werden soll, und der Finanztransaktionssteuer, bei der man nicht mehr auf den Rest Europas warten wird, setzte sich die SPD durch. Die Republik rückt nach links, was angesichts des Zeitgeistes einer zunehmend ausufernden Staatgläubigkeit wohl niemanden überrascht. Denn wo immer mehr Menschen direkt oder indirekt von staatlichen Leistungen profitieren, finden sich naturgemäß immer weniger Befürworter von Eigenverantwortung und Unabhängigkeit.

Und doch bleibt festzuhalten, dass das bürgerliche Lager bei der jüngsten Bundestagswahl insgesamt die klare Stimmenmehrheit errungen hat. Gleichwohl ist durch die Abstinenz zweier Parteien, die knapp an der 5%-Hürde gescheitert sind, die groteske Situation entstanden, dass der haushohe Wahlsieger im neuen Bundestag einer linken Mehrheit gegenübersteht. Und so kann sich die SPD – anders als noch vor acht Jahren – dieses Mal voller Zuversicht in das Abenteuer Große Koalition stürzen. Merkel wird trotz der Unterstützung der stärksten Unionsfraktion seit über zwei Jahrzehnten ihren Partner nicht noch einmal kleinregieren, wie sie dies seit 2005 gewohnt war. Diesmal wird sie aus der Großen Koalition als Verliererin hervorgehen, wenn sie überhaupt bis 2017 durchhält. Es wäre spannend zu sehen, wie sich die Verhältnisse nach einer Neuwahl sortieren würden, die es vor allem aus einem Grund nicht geben wird: Nichts fürchtet die politische Elite gerade im Jahr der Europawahl mehr als den Bundestagseinzug der AfD. Für die CDU wäre dies jedoch die Chance, die eigene Partei wieder im konservativen Spektrum zu verankern. Denn es gibt auch eine Zeit nach Angela Merkel…


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