Nicht nur auf Basaren in der Türkei wird gefeilscht. Wir verhandeln fast tagtäglich. Trotzdem sind wir auf Reisen immer wieder überfordert und zahlen einen überteuerten Preis. Wie Sie Ihre
Urlaubskasse mit ein paar Tipps und Tricks schonen können, erfahren Sie in diesem Artikel.
Alltag
Wollten Ihre Enkel heute wieder länger aufbleiben? Steht ein Autokauf ins Haus? Ihr Chef bittet zur Leistungsbeurteilung und Gehaltsverhandlung? Der Familienrat tagt zum Thema Urlaub?
Merken Sie etwas? Verhandeln und Feilschen begegnen uns jeden Tag. In südlichen und arabischen Ländern ist es seit Jahrhunderten ein gewöhnliches Verhalten. Wer dort nicht handelt, fühlt sich
schnell „über den Tisch gezogen“. In Deutschland und den USA ist Handeln allerdings nicht sehr verbreitet.
Keine Angst
Dabei ist Handeln etwas Schönes, finde ich zumindest. Ich handele sogar in Deutschland und den USA. Oft geht da noch etwas, ob finanziell oder materiell. Und entgegen einigen Falschaussagen ist
Handeln in Deutschland erlaubt. Allgemein gilt wie immer der Spruch: Übung macht den Meister! Sammeln Sie Erfahrungen und bauen Sie Hemmungen ab.
Produkt und Preis aussuchen
Egal wo Sie handeln wollen, ob in Deutschland, Spanien oder Indien, informieren Sie sich vorher etwas über die üblichen Preise im jeweiligen Land. Das kann man vorher schon im Internet tun, z.B. in Reiseblogs, bei Preisvergleichen usw., oder vor Ort, wenn man die Händler mit ihren Kunden beobachtet. Je länger Sie vor Ort sind, desto besser können Sie das Preisniveau einschätzen.
Wenn Sie ein Produkt gefunden haben, das Ihnen gefällt, stürzen Sie sich nicht gleich darauf. Schauen Sie sich andere Produkte an und fragen Sie beiläufig nach den Preisen. Tun Sie Ihren Unmut
kund, indem Sie das Gesicht verziehen oder vorsichtig zum Gehen ansetzen. Dann können Sie sich auf das eigentliche Produkt konzentrieren. Fragen Sie sich gleichzeitig schon im Hinterkopf, was Sie
für das Produkt zahlen wollen. Das ist Ihre Grenze!
Fragen lohnt sich
Wenn Sie nicht gerade vor einem Geschäft, Marktstand oder Taxi stehen, das auf festgelegte Preise hinweist, können Sie die Verhandlungen starten. In südlichen und arabischen Ländern wird es sogar erwartet und gewünscht.
Steigen Sie immer deutlich unter dem Preis ein, den Sie bereit sind, zu zahlen. Je nach Land liegt ein guter Endpreis bei einem Drittel bis zur Hälfte des ersten genannten Preises. Bleiben Sie
hartnäckig, der Verkäufer wird Sie schneller hochhandeln, als Ihnen lieb ist. Argumentieren Sie mit angeblichen Mängeln oder Angeboten der Konkurrenz. Wenn Sie Ihrem Wunschpreis partout nicht
näher kommen, gehen Sie. Sie können später oder an einem anderen Tag nochmal kommen. Normalerweise kommt es aber nicht soweit, denn der Händler wird einlenken und Ihnen nochmal ein Angebot
machen.
Sie sind kein(e) Einheimische(r)
Bei dieser Feststellung schließe ich alle aus, die längere Zeit in einem Land leben und die Sprache perfekt beherrschen. Und selbst dann kann es noch sein, dass Sie einen höheren Preis als die Einheimischen zahlen.
Ein Tourist wird immer als wohlhabend angesehen. Sonst könnte sie oder er sich das Flugticket in die Urlaubsregion nicht leisten. Mit Kleidung und Auftreten kann man diesen Effekt natürlich noch negativ verstärken. Passen Sie sich also etwas den Gepflogenheiten im Gastland an.
Seien Sie sich bewusst, dass Sie für ein Produkt, das Ihnen absolut gefällt, immer bereit sein werden, mehr zu zahlen. Das sollte dann aber auch der „richtige“ Preis für Sie sein. Ärgern Sie sich nicht, wenn andere das Produkt günstiger bekommen haben. Vielleicht waren bei Ihnen ja auch die Umstände oder das Ambiente besonders erinnerungswürdig.
Wenn Sie die Chance haben, schalten Sie Ihren Reiseleiter oder einen Einheimischen zum Schluss nochmal in die Verhandlungen ein. Sie oder er wird zwar zum Landsmann halten, dennoch sind dann
immer noch ein paar Prozentpunkte Rabatt möglich. So habe ich in der Türkei Schmuck im Wert von über 700 für 450 Euro bekommen. Ich selbst kam allerdings bei 495 Euro nicht mehr weiter, den Rest
schaffte der Reiseleiter.
Sprache
Wenn sie selbst bessere Chancen beim Handeln haben wollen, lernen Sie ein paar Worte der Sprache Ihres Reiselandes. Die Einheimischen freut es, wenn sich ein „Ausländer“ mit ihrer Sprache auseinandersetzt. Schon „Hallo“, „Danke“ und „Bitte“ können Türen öffnen, kleine Sätze stoßen sie weit auf. Das vereinfacht die Verhandlungen mit Ihrem Gegenüber und man wird Ihnen mit dem Preis entgegenkommen.
In Spanien wende ich meine Sprachkenntnisse gerne als Trick an, behaupte, dass ich dort leben und arbeiten würde. Gelogen ist es ja nicht, denn immerhin war es mal so. Damals war das die normale
Vorgehensweise, um eben keine Touristen-Preise zahlen zu müssen.
Meine Freundin Pat mit einem Markthändler.
Limit erreicht, der Händler bläst die Backen auf.
Der Junge freut sich über einen Maiskolben als Naturalrabatt.
Man ist sich handelseinig: Geldtransfer mal anders.
Haben Sie Spaß
Feilschen und Handeln gehören in viele Kulturen. Wenn Sie mitmachen, tauchen Sie in diese Kulturen ein und lernen Land und Leute kennen. Seien Sie aber nicht verbissen: Haben Sie Spaß und tragen Sie immer ein Lächeln auf den Lippen. Bleiben Sie selbstsicher und treten Sie überzeugend auf. Behalten Sie Augenkontakt und bauen Sie eine Vertrauensbasis zu Ihrem Gegenüber auf. Geben Sie aber nichts auf „Freundschaftsbekundungen“.
Sehen Sie das Feilschen und Verhandeln als Schauspiel und agieren Sie auch so. Wenn Sie eine Reisebegleitung dabei haben, spielen Sie z.B. „interessierter Käufer, drängelnder Begleiter“. In der
Türkei hat mir das eine Jacke für 35 statt 85 Euro gebracht. Meine Freundin war damals sehr überrascht, denn zu Beginn der Verhandlungen hatte ich angekündigt, dass ich die Jacke für 35 Euro
mitnehmen würde.
Ausstieg
Das Produkt erweist sich bei näherem Hinsehen als mangelhaft? Sie wollen es gar nicht? Ihnen ist der Preis zu hoch? Die Verkäufer verfolgen Sie durch die Straßen? Wie kommen Sie aus dieser Situation wieder raus?
In manchen Ländern werden Sie als Tourist permanent belagert. Da hilft nur Ignorieren. Das gilt auch für Kinder oder kranke Menschen, so hart es klingt. Aber ich warne vor Versuchen des „Freikaufens“. Sobald Sie nämlich etwas kaufen, hängen zehn neue Händler an Ihnen.
Bei normalen Verhandlungen bedanken Sie sich einfach für die Bemühungen und verabschieden sich freundlich. Die Verkäufer wissen selbst, dass man nicht alles kaufen kann und will. Manchmal hilft auch eine kurze Erklärung wie „kein Platz mehr im Gepäck“ oder „Urlaubskasse ist leer“.
Oft lässt ein Händler dann aber noch nicht locker. Er wird nochmal ein Gegenangebot machen und Ihnen vielleicht hinterherlaufen. Verabschieden Sie sich freundlich, aber bestimmt. Wenn das nicht
hilft, können Sie auch hier nur noch Ignorieren.
Gefahren
Mir ist es auch schon passiert, dass mir etwas in die Hand gedrückt wurde und ich dann zum Kauf „verpflichtet“ war. Oder dass mich jemand auf ein Kamel zog, es gleich aufstehen ließ und mein „Nein“ ignorierte. Danach wurde aber Geld für einen „Kamelritt“ gefordert.
Gut ist es dann, wenn man eine Reisebegleitung an seiner Seite hat, die bezeugen kann, dass man „Nein“ gesagt hat. Aber selbst wenn man allein ist, muss man sich nicht geschlagen geben. In beiden Fällen wehrte ich mich erfolgreich mit energischer Stimme gegen eine Zahlung. Das mögen viele Händler nicht, vor allem, wenn es die Umstehenden mitbekommen.
Gerade beim „Kamelritt“ traf ich danach eine Frau, die das Gleiche erlebt hatte. Allerdings war Sie um 20 Euro ärmer. Denn Sie hatte Angst und ein schlechtes Gewissen. Vergessen Sie ganz schnell den Groll, den der Händler evtl. gegen Sie hegt. Lassen Sie sich kein schlechtes Gewissen einreden. Das sind unfaire Geschäftspraktiken, an die man keinen weiteren Gedanken verschwenden sollte.
Bekommen Sie auch generell kein schlechtes Gewissen, wenn Sie nichts kaufen! Das haben Sie ja auch nicht zu Hause, wenn Sie eine Hose, einen Teppich oder einen Ring nicht kaufen. Das ist weltweit Verkäuferschicksal.
Eine weitere Gefahr besteht bei Taxifahrten (laut einer Studie bieten Taxis die häufigste Gelegenheit, „übers Ohr gehauen“ zu werden), Bootsfahrten oder Hotelzimmern. Verhandeln Sie den Preis im
Voraus und dokumentieren Sie ihn. Bezahlt wird erst nach der erbrachten Leistung. Lassen Sie sich auf keine Anzahlungen ein.
Bonustipp für zu Hause
Ich möchte Sie motivieren, das Handeln in Ihren Alltag aufzunehmen und zu üben. In Deutschland können Sie z.B. bei Autos, Unterhaltungselektronik, Möbeln, Mode und Schmuck verhandeln.
Auch hier gilt, sich vorher über das Preisniveau zu informieren. Generell haben Sie bei selbständigen Einzelhändlern mehr Chancen als bei Großmärkten. Der Verhandlungsspielraum liegt allgemein bei 10-15%, bei teureren Artikeln bei bis zu 25%. Richtig sparen können Sie vor allem zum Saisonende, wenn die alten Bestände raus müssen. Oder nach Messen, wenn neue Ware in die Läden drängt und Sie auch mit einem Vorgängermodell glücklich sein können.
Samstags oder kurz vor Ladenschluss sind ganz schlechte Zeiten zum Verhandeln. Nehmen Sie sich Zeit, sonst geraten Sie unter Druck, und geben Sie dem Händler Zeit. Berechnen Sie immer versteckte Kosten mit ein, wie Liefer- und Montageangebote. Beharren Sie nicht nur auf finanziellen Nachlässen. Dem Händler tut es manchmal weniger weh, wenn er einen Naturalrabatt gewehrt und eine Beigabe anbietet. Wenn Ihnen das nützt, kann der Gegenwert durchaus interessant sein.
Des Weiteren gilt: Je höher die Entscheidungskompetenz, desto höher ein möglicher Rabatt. Bestehen Sie vor dem Abschluss auf das Dazukommen vom Chef. Degradieren Sie den Verkäufer aber nicht. Handeln basiert laut Studien auf Vertrauen und Sympathie, beides muss mühevoll, aber auch schnell, aufgebaut werden.
Natürlich muss der Händler für die Beratung einen Preisrahmen kennen. Verraten Sie aber nicht gleich Ihre Preisvorstellung. Erst macht der Verkäufer ein Angebot, dann folgt Ihr Gegenangebot.
Lassen Sie sich nicht zu einer Entscheidung drängen. Erst wenn Ihnen Produkt und Preis gefallen, schlagen Sie ein. Übrigens zählt in manchen Ländern der Handschlag noch als Vertrag, z.B. in
Spanien. Sagt Ihnen das Angebot nicht zu, gehen Sie zur Konkurrenz. So habe ich bei einem Auto schon 15% Rabatt erreicht oder ein Bett im Möbelhaus von 3.200 auf 2.400 Euro
heruntergehandelt.
Grundsatz
Beachten Sie aber bei allen Bemühungen und bei allem Spaß: Der Händler muss überleben können. Generell wird kein Unternehmer ohne Gewinn verkaufen, doch dieser sollte noch hoch genug sein.
Einen schönen Beitrag zum Thema gab es am 23.01.2015 auf SWR1. Darin fällt sogar mein Name, weil ich einen Kommentar ins Studio geschickt habe (ca. 11:48 Min.).
Was waren denn Ihre schönsten Erlebnisse oder besten Schnäppchen beim Handeln?
VG Wort