Die Grünen sind linkes Geschmeide; sozialer und ökologischer Putz. Wer sich mit der Nähe zu den Grünen auftakelt, den nimmt man ein sozial-ökologisches Gewissen ab. So wie neulich dem Herrn Kramm. Den kennt man unter seinen Kose- und Künstlernamen Heino besser. Und der meinte ganz keck, nachdem man ihn in einem Radiointerview (bei Radio FFH) fragte, ob er denn tatsächlich politisch rechts einzustufen sei, dass das blanker Unsinn wäre. Er habe nämlich eine Nähe zu grün, sagte er. Ja, er war sogar der erste Grüne, weil er schon von Wiesen, Bergen und Almen gesungen hat, als es die Grünen noch gar nicht gab. Dieser typisch romantisierte Öko-Schmus ist natürlich Quark. Von Tannen und Waldesfrieden und nebenbei im gleichen Text von "Odalrune auf blutrotem Tuche" sang schon die HJ. Keiner käme da auf die Idee, in der HJ die ersten grünen Jungmannen sehen zu wollen. Seine zweite Aussage dazu war dann jedoch schon interessanter.
Kramm sagte nämlich, dass es im Zuge der grünen Parteigründung gegenseitigen Kontakt gab. Die sich formierenden Grünen klingelten nämlich einfach so an seiner Türe und wollten ihn ins Boot holen, boten ihm die Parteimitgliedschaft an. Aber da er ein parteiloser Mensch sei, habe er ablehnen müssen. Das klingt wirklich nach Reinigung aller braunen Flecken und ein bisschen auch nach Adelsschlag, haben doch die Grünen selbst Heino als einen der ihrigen erkannt gehabt. Nur welche Grüne waren das damals eigentlich?
Denn wer da klingelte, sagte er natürlich nicht. Waren es die Leute um Baldur Springmann, diesem ehemaligen SA- und SS-Mann, die einen grünen Blut- und Bodenmythos nachliefen und die aus Gründen der völkischen Erbgesundheit gegen Atomkraftwerke waren? Oder handelte es sich um den ökosozialistischen Flügel um Ditfurth, Trampert und Ebermann, die ins beschauliche Bad Münstereifel pilgerten, begeistert von Heinos Naturverbundenheit? Klopfte gar Herbert Gruhl samt Entourage an die Türe und bat um Mitgliedschaft, während er synchron seine steile These von den "überzähligen Bevölkerungen" rezitierte? Später sah Gruhl das zu linke Programm der Grünen - der soziale und ökologische Flügel hatte sich zunächst durchgesetzt - als zu materialistisch beseelt an, weswegen er austrat. Wie hätte er sozialen Ausgleich schaffen wollen? Durch esoterische Selbstgenügsamkeitslehren? Oder bat vielleicht die Aktion Unabhängiger Deutscher, die auch im Gründungsprozess verwickelt war, um Kramms Mitwirkung? Ob es wohl eine von Haustür zu Haustür wandernde K-Gruppe war? Waren es am Ende vielleicht sogar Feministinnen, die seine Texte von der "schwarzen Barbara" und etwaigen "feschen Maderln" für emanzipatorisch so wertvoll hielten, dass sie sie parteilich einbinden wollten?
Wer erinnert sich heute noch an die verschiedenen Pole und Richtungen, die im Parteigründungsprozess der Grünen eingebunden waren? Dass die Ökosozialisten sich anfänglich durchsetzten, progressive Parteistrukturen durchrangen und damit tatsächlich eine gänzlich neue Parteikultur schufen, gehört heute zum Mythos, von dem die heutigen Grünen noch zehren. Sie und all diejenigen, die sich in der Nähe zu den Grünen wähnen. Zwar weiß das kollektive Gedächtnis nicht mehr sicher, was genau damals geschah, aber ein dumpfes Gefühl, dass seither das Soziale und Ökologische in den Parlamentarismus einzog, hat sich bisher erhalten können, im kollektiven Über-Ich verfestigt.
Wenn Kramm nun meint, er habe seine Gesinnung damit bewiesen, als trällernder Naturbursche für die Grünen irgendwann mal in Frage gekommen zu sein, dann stellt sich die Frage, für welche Grünen das gewesen sein könnte. Wenn die Erzählung stimmt und es waren Leute wie Springmann, die ihn anquatschten, was hätte das schon zu sagen? Doch wohl eher das Gegenteil dessen, was er beweisen möchte.
Da die Geschichte aber von den Siegern geschrieben wird, haben die heutigen Grünen folgende Geschichte anzubieten: Wir waren eine soziale und ökologische Gruppe von Männern und Frauen, die durch die Institutionen marschierte. Und wir sind es heute noch. Marschierend. Und sozial. Und ökologisch. Und haben immer Bauchweh. Die anderen Flügel sind heute vergessen. Und dass das Soziale und Ökologische heute auch vergessen ist und die so genannten Realos, die übrigblieben, mehr Nähe zu Gruhl und Springmann haben, teilweise auch zu den Spontis, die sich überwiegend eine apolitische Attitude aneigneten und hernach (siehe Fischer, siehe Cohn-Bendit) als Karrieristen herausstellten, wird hinter der historischen Verklärung versteckt.
Es soll dem Deutschlandlied-in-allen-Strophen-tremolierenden Barden nichts unterstellt werden. Auch wenn sein grünes Gewissen, das er mit dem Absingen von Naturburschenliedern gleichsetzt, mittlerweile auch bei rechtsextremen Parteien befriedigt werden könnte - ob nun Republikaner oder NPD, alle sind sie grün geworden, haben sich mit einer Mischung aus Esoterik und Blut- und Bodenrhetorik wieder ihrer Wurzeln erinnert. Aber das muss im Bezug auf Kramm freilich nichts heißen. Vielleicht ist er ja tatsächlich nicht der, für den man ihn hält.
Sein im Interview genannter Beweis ist hingegen keiner. Die Geschichtsklitterung der Grünen wertet nicht nur die heutigen Protagonisten dieser grünen FDP auf, sondern sichert Leuten, deren politische Ausrichtung doch wenigstens zweifelhaft ist, ein grünes Deckmäntelchen. Wer sich mit den Grünen herausputzt, der muss doch geradezu sozial und ökologisch - und natürlich pazifistisch sein. Selbst dann, wenn er verklärte Landser-Romantik besingt.
Nachtrag: Ich habe Jutta Ditfurth gefragt, ob sie etwas vom grünen Heino weiß.
Jutta Ditfurth hat die Grünen ab 1980 mitgegründet, sie war 1984-1988 deren Bundesvorsitzende. Sie sagt: "Niemals habe ich, nicht einmal als Gerücht, gehört, dass irgendeiner mit dem Schlagersänger Heino über eine Mitgliedschaft in den Grünen geredet hat. Er wäre damals auch nicht aufgenommen worden. Vielleicht nehmen sie ihn ja heute? Vielleicht hat Heino in den 1980ern mit kleinen rechtskonservativen bis ökofaschistischen Grüppchen in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen Kontakt gehabt. Wenn, dann haben die das wohlweislich für sich behalten.
Er müsste Namen sagen, wenn es nicht nur ein PR-Gag sein soll. Ich erinnere mich aber umso deutlicher daran, wie Heinos Fans bei den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda den mörderisch bedrohten und verletzten MigrantInnen höhnisch 'Muss i denn zum Städtele hinaus' hinterhersangen."