Große Geste im engen Rock

Große Geste im engen RockErster Auftritt der schönsten Tattooschulter der Nation- und schon steckt der neue erste Mann im Staate in seiner ersten schweren Krise. Ganz unschuldig hatte Bettina Wulff, nach recherchen der Bild-Zeitung "eine Frau, die mitten im Leben steht, die als witzig gilt, klug und voller Tatendrang", beim Besteigen der letzten Stufen zu ihrem künftigen Wohnsitz den Arm gehoben. Freundlich und herzlich, wie nur sie es kann, winkte die nach Eva Braun und Stalins zweiter Frau Nadeschda Allilujewa "ungewöhnlichste First Lady aller Zeiten" (Welt) in die laue Sommerluft über Berlin.
Dabei aber geschah es. Ein unglückliches Zusammenspiel von deutscher Historie, Lichteinfall, Biomechanik und Faltenwurf der nach dem Vorbild von Angela Merkels Kanzlerinnenjacken geschneiderten Bolero-Weste mit Ärmeln erzeugte bei internationalen Beobachtern den Eindruck, Bettina Wulff, die sich nach Erkenntnissen des Abendblattes "gerne lächelnd zeigt", habe gestisch dort weitergemacht, wo Eva Herman, die ehemalige First Lady der deutschen Fernsehinformation, mit ihren aufklärenden Aussagen zur Autobahngeschichte seinerzeit aufhören musste.
Erneut ist es eine Frau, die Deutschlands Vergangenheit wie im Vorübergehen beschwört. Eben noch die Sportreporterin Katrin Müller-Hohenstein, die Fußballtore mit Reichsparteitagen assoziierte und nur knapp ihren Job behalten durfte. Nun "First Tattoo" mit strammem Gruß im engen Rock. Twitter bebt, das Bundespräsidialamt bemüht sich schweigend, die Wogen zu glätten. Fasziniert schauen die drei Bundeswehrsoldaten im Hintergrund auf ihre neue Oberbefehlshabergattin: Ist es Fußballbegeisterung, die sie fortgestrudelt hat in ein anderes Deutschland, das längst vergangen, dessen zeichen aber nicht vergessen sind? Ist es eine regressive Zeitreise? Ist es Zufall? Ist es ein Mißverständnis?
"Das Problem", hat das stets hellwache Wachhund-Magazin Endstation rechts sofort nach dem Ausrutscher der Bundespräsidentengattin ausgemacht, seien vor allem "jene Rechtsextremisten, die nicht gleich als solche erkennbar sind, und die anonyme Masse für ihre Agitation nutzen". Die wenigsten Neonazis malten sich ein Hakenkreuz auf die Brust, oder lassen sich eine „88“ auf den martialisch anmutenden Stiernacken tätowieren, als Zeichen für die beiden achten Buchstaben des Alphabets, die für „Heil Hitler“ stehen. Die meistens sind milchgesichtig und stehen vielleicht mit einer schwarzen Baseballkappe irgendwo auf einer Fanmeile in Deutschland. "Und wenn sie sich unbeobachtet fühlen, dann recken sie die Hand zum Hitlergruß."Wir sprechen zwar verschiedene Sprachen. Meinen aber etwas völlig anderes.

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