Großartiges Boxen und eine großartige Show in Ludwigsburg

Von Betker

Bei dieser Veranstaltung konnten am Ende wirklich alle zufrieden sein. Die Zuschauer hatten gutes bis großartiges Boxen und außerdem noch eine gute Show gesehen. Darüber hinaus wurde durch den Kartenverkauf, durch Spenden, durch Tombolas und die Versteigerung von Bildern und anderen Dingen vielen Kindern geholfen.
Uwe Hück, der Konzern-Betriebsratsvorsitzende und stellv. Aufsichtsratsvorsitzende der Porsche AG, hatte die Idee Luan Krasniqi zu einem Boxkampf herauszufordern, um Geld für soziale Zwecke zu sammeln. Damit konnte der Megastar der Gewerkschaften eine Menge bewegen und viele mobilisieren und war dabei so überzeugend, dass am Ende eine tolle Show stand, bei der auch wirklich gutes Boxen gezeigt wurde.
Die ersten vier Kämpfe standen unter dem Motto: Die Jungen Wilden – Nachwuchs-Profiboxer – die Stars von übermorgen. Den Anfang machte im Halbschwergewicht der 25-jährige Halbschwergewichtler Arijan Sherifi (3 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO). Er boxte gegen Egidijus Kakstys (24 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 19 Niederlagen, 7 durch KO, 2 Unentschieden). Zunächst sah es so aus, als würde der Sechsrunder schnell zu Ende sein. Sherifi kam mit seinen Schlägen gut durch. Eine rechte Grade brachte in der ersten Runde Kakstys zu Boden. Aber in den folgenden Runden zeigte sich, dass der Punch von Sherifi nicht ausreichte, um sein Gegenüber aus Litauen zu fällen. Ein Cut über dem rechten Auge von Kakstys führte dann schließlich zum Abbruch. TKO in Runde 5, nach 1:22 Minuten.
Im folgenden Kampf, der auch im Halbschwergewicht stattfand, war der 23-jährige Belgier Marc De Bonte (4 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO) zu sehen, der es mit Vygaudas Laurinkus (18 Kämpfe, 3 Siege, 13 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden), auch aus Litauen, zu tun. Der 19-jährige Laurinkus hat alle seine 18 Kämpfe in einem Zeitraum von 1 ½ Jahren bestritten. Der ehemalige Kickboxer De Bonte zeigte Fechten mit der Faust vom Feinsten, was man eigentlich einem Kickboxer nicht zutraut. Er boxte klug. Er nutzte seinen Reichweitenvorteil, um lang zu boxen, aber offensichtlich fühlte er sich auch in der Halb- und Nahdistanz wohl. Mit seinen 188cm ist er für einen Halbschwergewichtler groß. Am Ende stand ein deutlicher Punktsieg für ihn.
Der dritte Kampf fand im Schwergewicht statt. Franz Rill (4 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO) traf auf Ivo Andelic (11 Kämpfe, 8 Siege, 3 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden). Andelic, der erst einmal eine Ehrenrunde um den Ring machte, bevor er ihn betrat, wirkte nicht wirklich austrainiert. Er versuchte die Ringmitte zu halten, sich hinter seiner Doppeldeckung zu verschanzen und mit Schwingern einen Treffer zu landen. Rill war leichtfüßig und war der Dominierende. Dann nach 2:02 Minuten in der dritten Runde stoppte der Ringrichter vom BDB Valerio Quarta den Kampf aus unerfindlichen Gründen. Jedenfalls habe ich nichts gesehen, was das gerechtfertigt hätte. Auch wurde kein Ringarzt zu Rate gezogen, um sich mögliche Verletzungen anzuschauen.
Der zweite Teil der Vorkämpfe stand unter dem Motto: Die Stars von Morgen. Hier boxte im Super Mittelgewicht als erstes Butrint Rama (8 Kämpfe, 8 Siege, 5 durch KO) gegen Janos Varga (35 Kämpfe, 14 Siege, 12 durch KO, 20 Niederlagen, 13 durch KO, 1 Unentschieden). Rama, der wohl von Luan Krasniqi betreut wird, hat eine sehr gute Führhand, mit der er auch am Ende der ersten Runde seinen Gegner mit einem Leberhaken zu Boden schickte. Die Führhand war seine beste Waffe, während seine Rechte praktisch nicht existent bzw. kaum effektiv war. Das war auch daran abzulesen, dass der Ungar auch in der folgenden zweiten und in der vierten Runde runter musste, Rama es aber dennoch nicht schaffte, ihm den Rest zu geben. So stand am Ende der sechsten Runde ein haushoher Punktsieg für ihn.
Ein Highlight des Abends war die Begegnung zwischen dem ungeschlagenen Timo Schwarzkopf (13 Kämpfe, 13 Siege, 7 durch KO) und dem Ex-Weltmeister Junior Witter (50 Kämpfe, 41 Siege, 22 durch KO, 7 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden) im Weltergewicht. Witter „the Hitter“ war eine der dominierenden Persönlichkeiten des Junior Weltergewichts Ende des letzten Jahrzehnts, und er ist trotz seiner 39 Jahre noch immer richtig gut. Witter ist extrem unangenehmem zu boxen. Er wechselt die Auslagen, er provoziert, er ist aufreizend lässig, macht Show und schlägt aus allen, wirklichen allen Positionen.
Schwarzkopf tat sich schwer. Ein ums andere Mal sah er schlecht aus oder wurde schlicht vorgeführt. Aber er blieb dran. Es gab nur wenige Aktionen im Sinne von Schlagabtäuschen. In der letzten Runde wurde Witter, nach meiner Meinung, von Schwarzkopf umgeschubst und angezählt. Ringrichter war eben jener schon genannte Valerio Quarta vom Bund deutscher Berufsboxer.
Der Kampf, der über 10 Runden ging, war extrem eng und sehr schwer zu punkten. Selten kam einer mit mehr als einer Hand durch. Am Ende wurde Schwarzkopf zum einstimmigen Punktsieger erklärt. Die Punktrichter werteten 95:95, 98:91 und 96:94. Wie Ringrichter Herbert Ulrich da allerdings zu einem 98:91 kommen konnte, ist mir absolut schleierhaft. Um es deutlich zu sagen, ich hatte Schwarzkopf, ohne den Niederschlag, ganz knapp vorne nach Punkten. Auch über ein Unentschieden hätten sich Conny Mittermeier und sein Schützling nicht beschweren können. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Schwarzkopf den Kampf in England oder den USA gewonnen hätte.
Im folgenden Kampf trat im Schwergewicht Erkan Teper (12 Kämpfe, 12 Siege, 8 durch KO) gegen Martin Rogan (21 Kämpfe, 16 Siege, 8 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO) an. Der Nordire ging bereits nach 1:25 Minuten in der ersten Runde schwer KO. Er wich zurück und stand einladend, ohne Deckung an den Seilen. Teper traf ihn mit einer Rechten, einem Volltreffer, am Kinn und dann noch mit einem linken Wischer am Kopf und zwei weiteren Volltreffern mit rechts am Kinn. Rogan wurde direkt vom Ring ins Krankenhaus gefahren: Verdacht auf Kieferbruch.
Den Hauptkampf des Abend bestritt die ludwigsburger Lokalmatadorin Özlem Sahin (17 Kämpfe, 16 Siege, 5 durch KO, 1 Unentschieden). In Sahins Ecke standen wieder der Mittelgewichtler Istvan Szili (18 Kämpfe, 17 Siege, 7 durch KO, 1 Unentschieden), Brigitte Gassert und Dietrich Wolter. Die amtierende Interims Weltmeisterin im Junior Fliegengewicht nach Version WIBF traf auf Maria Rosa Tabbuso (21 Kämpfe, 13 Siege, 3 durch KO, 6 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden). Die sehr erfahrene Tabbuso bot Sahin einen beherzten Kampf. Wie immer gab Sahin die erste Runde ab. Hiernach wurde sie immer stärker und setzte die Italienerin immer mehr unter Druck, obwohl die einen erheblichen Reichweitennachteil hatte. Immer wieder kam die „Box Lady“ mit ihrem rechten Haken durch. Es war ein guter und fairer Kampf, der auf einem hohen technischen Niveau ausgetragen wurde. Sahin, die das erste Mal vor heimischem Publikum boxte, hatte sichtlich Spaß im Ring. In zwei Ringpausen forderte sie das Publikum auf, sie zu unterstützen, was es dann auch tat. Am Ende der sechs Runden stand ein eindeutiger Punktsieg für Sahin. Die Punktrichter werteten: 57:57, 59:56 und 58:56.
Eine persönliche Bemerkung: Ich habe nicht mehr recherchiert, welcher BDB Punktrichter den Kampf da unentschieden gesehen hat. Langsam werde ich es nämlich müde, dass es so viele Punktrichter, nach meiner Meinung, einfach nicht schaffen, den Kampfverlauf zu erkennen und auch wiederzugeben.
Der Rest des Abends war Show. Es gab eine mit Musik untermalte Leistungsschau der Pyrotechnik, Gesangseinlagen und den Kampf zwischen Uwe Hück und Luan Krasniqi im Schwergewicht. Die sogenannte „erste WM im Charity Boxen“ ging über acht Runden a zwei Minuten – ungefähr. Mal war die Runde zwei Minuten lang, ein anderes Mal auch nur eine Minute fünfzig, jedenfalls wenn ich meiner alten mechanischen Armbanduhr trauen kann, die nicht 100-prozentig ganggenau ist. Auch die Pausen hatten, wie mir schien, unterschiedliche Längen. Mal warteten sie eine Minute lang, mal bis zu anderthalb Minuten. Der Kampf der Beiden war eine riesengroße Show – und zwar eine gute. Krasniqi benutzte nur seine Führhand. Seine Rechte, wenn er sie denn überhaupt benutzte, traf stets schön den linken Handschuh, oder manchmal berührte sie auch den Körper. Hück versuchte zwischendurch schon auch mal ernsthaft zu boxen, aber Krasniqi war einfach ein zu guter Boxer, als dass er wirklich in Gefahr hätte geraten können.
Der Kampf der Beiden war ein Riesenspaß, auch wenn Hück etwas verbeult daraus hervorging. Zweck war es, Geld zu sammeln für die Lern-Stiftung Hück, die sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen helfen will, und für die SOS Kinderdörfer, für die sich Krasniqi einsetzt. Am Ende hatten die Zuschauer das beste Boxevent des Jahres gesehen, bei dem u. a. eben auch sehr gutes Boxen gezeigt wurde, was bei den meisten Boxevents in Deutschland leider nicht selbstverständlich ist. Man kann nur hoffen, dass der Veranstalter Bernhard Michaelis von Michaelis TV dem Boxen treu bleibt.
© Uwe Betker