Griff in die Mottenkiste

Von Stefan Sasse

Es muss frustrierend sein, wenn man sich an seine Scheuklappen gewöhnt hat. Ständig diese eingeschränkte Sicht! Wie soll man sehen, was links und rechts ist? Es ist praktisch unmöglich. Eine Lösung ist nicht in Sicht, denn, nun ja, man trägt ja Scheuklappen. Dieses Dilemma, das eigentlich nur Kopfschütteln auslösen kann, plagt Thomas Schmoll, der in der FTD unter der Überschrift "Deutschland ist kein AAA-Musterknabe" erklärt, dass wir an einem riesigen Schuldenproblem leiden und endlich sparen müssen, um das Problem in den Griff zu kriegen. Dabei fasst er sehr, sehr tief in die Mottenkoste: Hans Eichel dient als Narrativ, um den "mangelnden Willen der Politik" zu belegen, vor jeder Wahl würden "die Wohltätigkeitsschleusen geöffnet", und "harte Einschnitte, besonders im Sozialbereich" traue sich niemand. Ja, das ist schon ein Drama. Denn bekanntlich hat Deutschland ja seine Schulden in den letzten zehn Jahren veranderthalbfacht, weil die Hartz-IV-Empfänger so über unsere Verhältnisse leben (oder ihre, das ist beim inflationären Gebrauch dieser Phrase nicht wirklich klar).
Herr Schmoll, Sie haben ja Recht. Sie benennen das Problem, wenn Sie erklären, dass "Deutschland von der Hand in den Mund" lebt. Das ist eine interessante Formulierung, man hört sie normalerweise in Verbindung mit bettelarmen Menschen. Und ja, der Staat ist zwar nicht bettelarm, aber doch zumindest künstlich kurz gehalten. Er lebt unter seinen Verhältnissen. Aber das ist nicht der Schluss, den Sie ziehen, und das ist merkwürdig. Haben Sie schon einmal einen bettelarmen Menschen gesehen, der sich durch eiserne Sparsamkeit aus seinem Sumpf zieht? Wohl kaum, denn sparen kann man nur, wenn die Ausgaben Spielraum dafür bieten. Das aber ist weder bei unserem armen Referenzmenschen noch bei unserem Staatswesen der Fall.
Nein, Herr Schmoll, Sie sollten ihre Rhetorik in eine andere Richtung richten. Es sind nicht "harte Einschnitte vor allem im Sozialbereich", die die Politik fürchtet. Oder wie sonst erklären Sie Hartz-IV? Da wurden die "Wohltätigkeitsschleusen" 2005 aber voll geöffnet, mein lieber Mann! Deutschland HAT die Wohltätigkeitsschleusen geöffnet, und es scheut harte Einschnitte. Nur, genau auf der anderen Seite. Die Wohltätigkeiten gehen an die Reichen, an die Banken, an die großen Unternehmen, und die leben sicherlich über unsere Verhältnisse. Harte Einschnitte sucht man hier vergebens, stattdessen darf man lesen, dass die so genannten "Realos" der Grünen gegen die Idee, den Spitzensteuersatz zurück in die Region von 49% zu bringen Sturm laufen. Ja, geht's noch?
Wenn wir tatsächlich ernsthaft versuchen wollen, das Schuldenproblem in den Griff zu kriegen, dann muss die Politik tatsächlich den Mut zu harten Einschnitten entwickeln, und wie Sie, Herr Schmoll, das so richtig feststellen ganz besonders die bürgerlichen Politiker. Harte Einschnitte bei den Steuersenkungen, den Subventionen, den Vorteilen, die denen gewährt werden die sie nicht nötig haben. Drehen wir die rot-grünen Steuerreformen zurück. Setzen wir die Gewinne aus Kapitalerträgen gleich mit dem Erwerb aus Lohnarbeit. Führen wir die 1997 abgeschaffte Vermögenssteuer wieder ein, bringen wir die Börsenumsatzsteuer zurück. Her mit der Finanztransaktionssteuer. Harte Einschnitte, Herr Schmoll, bei denen, die über unsere Verhältnisse leben. Raus mit der Hand der Bundesrepublik aus ihrem Mund und ran an die Arbeit. Aber ich weiß, die Scheuklappen. Die behindern die Sicht auf solche Lösungen natürlich außerordentlich. Ich habe einen Tipp für Sie. Nehmen Sie sie ab.

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