In der Diskussion über deutsche Geldtransfers in den griechischen Staatshaushalt (die vorerst als "Kredite" deklariert werden ...) zeigt sich Horst Seehofer wieder einmal von seiner seifigsten Seite (vgl. auch meinen Blott "CSU, Seehofer, München: Ist die einstige "Hauptstadt der Bewegung" erneut die Hauptstadt populistischer Rattenfänger?").
Seine Begründung, warum wir angeblich für die Griechen bluten müssen, geben die Medien, z. B. Focus Online u. d. T. "Griechenland-Krise. Seehofer attackiert EU-Kommission", so wieder (meine Hervorhebungen):
"Seehofer verteidigte kurz vor den entscheidenden Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat die deutsche Hilfe. Die drei großen Punkte seien die Stabilität der Währung, die Abwehr inflationärer Tendenzen und die unmittelbare Betroffenheit Deutschlands. „Wenn die deutsche Regierung nichts machen und die Griechen sich selbst überlassen würde, hätte das tiefgreifende Auswirkungen auf uns“, warnte Seehofer vor negativen wirtschaftlichen Folgen. Dauerhafte finanzielle Unterstützung bedrängter EU-Staaten lehnte Seehofer ab. „Ich möchte keine Transfer-Union. Sonst würden wir neben dem Länderfinanzausgleich noch einen Europa-Ausgleich zahlen. Das kann es doch nicht sein“."
Von diesen drei (bzw. zwei - s. u.) Gründen ist nur einer diskussionswürdig, nämlich die unmittelbare Betroffenheit Deutschlands. Wenn man den Akzent auf "unmittelbar" setzt, muss ich Seehofer sogar zustimmen: die kurzfristigen Auswirkungen wären sogar für uns Deutsche wahrscheinlich deutlich unangenehmer als der heute vom Bundestag gebilligte sogenannte Kredit für Griechenland. Und schon gar für die Griechen: die -3- Toten, die es jetzt am Rande einer Großdemonstration bei Krawallen in Athen gab, wären wahrscheinlich wenig im Vergleich zu denen, die wohl ihr Leben verlieren würden, wenn Griechenland tatsächlich in die Insolvenz ginge. Dann könnte es nämlich weder die Gehälter der Staatsbediensteten noch die Renten bezahlen; die Folge könnte ein Volksaufstand sein.
Der würde sich übrigens wohl nicht nur gegen die Regierung richten, sondern auch gegen die Reichen; insofern dient die deutsche / europäische Kredithilfe nicht zuletzt auch den Interessen dieser Steuerhinterzieherschicht.
Aber zurück zu Seehofer (den ich selbstverständlich nicht für diese Interessenkonstellation verantwortlich mache). Der weiß nur zu gut, was uns Deutschen am Herzen liegt: eine stabile Währung und die Vermeidung von Inflation. Nur ist das beides natürlich ein und dasselbe: Währungsstabilität bedeutet Inflationsfreiheit.
Allenfalls kann man noch an Wechselkursstabilität denken, aber die kann Seehofer nicht gemeint haben. Denn gerade jetzt, nachdem die Griechenland-Hilfe praktisch schon beschlossene Sache war, sauste der Euro erst richtig in den Keller: "Der Euro konnte sich am Vormittag zwar zunächst leicht erholen, fiel am Nachmittag aber wieder unter die Marke von 1,27 Dollar" lesen wir heute z. B. heute im Handelsblatt (gestern stand der Kurs unter 1,28 € für einen USD und in diesem Handelsblatt-Artikel lesen wir: "Die Gemeinschaftswährung hat binnen drei Wochen rund acht Cent an Wert verloren", allerdings auch "Der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts mahnte, die kurzfristigen Ausschläge des Wechselkurses nicht überzubewerten.").
(Noch eine Info zum Eurokurs-Verfall aus einem HB-Bericht von heute: "Der Euro hat sich unterdessen am Freitag nach dem massiven Ausverkauf des Vortages etwas erholt. Die Gemeinschaftswährung kletterte in einem nervösen Handel auf 1,2690 Dollar, nachdem sie am Vortag bis auf 1,2510 Dollar und damit den tiefsten Stand seit 14 Monaten abgerutscht war. Händler sahen darin eine technische Gegenbewegung nach den Verlusten des Vortags. Die Wochenbilanz fällt trotzdem verheerend aus: bislang verlor der Euro rund vier Prozent und hatte damit seine schlechteste Woche seit Oktober 2008. Seit Jahresbeginn summiert sich der Wertverlust auf gut zehn Prozent.")
Was die innere Stabilität des Euro angeht, also die (weitgehende) Inflationsfreiheit, wird diese durch die Stützungsaktion der anderen Eurozonen-Länder für den griechischen Staatshaushalt nicht nur nicht gestärkt: sie wird im Gegenteil stark gefährdet.
Zunächst einmal hat die Europäische Zentralbank im unmittelbarem Zusammenhang mit der Kredithilfe der Euro-Länder für den griechischen Staatshaushalt bekanntlich beschlossen, die Ramschanleihen dieses Landes weiterhin als Sicherheiten für Zentralbankkredite an die Geschäftsbanken als Sicherheit zu akzeptieren, d. h. zu beleihen. Im Hinblick auf die aktuell hohe Renditedifferenz zwischen Anleihezinsen einerseits und Notenbankzinsen andererseits wäre das für die Banken ein Traumgeschäft. Wenn freilich Griechenland doch pleite geht, würde es zum Alptraumgeschäft. Weil aber der Finanzmarkt einen Bankrott des Landes für ein durchaus realistisches Szenario hält, halten sich die Banken gegenwärtig mit Anleihekäufe offenbar zurück. Daher, aber auch wegen der im Vergleich zum gesamten Geldumlauf in der Eurozone doch relativ geringen Beträge, um die es hier geht, wird es auf diesem Wege wohl kaum zu einer Inflation kommen.
Weitaus gefährlicher wäre es, wenn die EZB Staatsanleihen nicht beleihen, sondern ankaufen würde. Zwar darf sie das nicht direkt tun, sie darf also keinem Staat direkt (und zweifellos auch nicht bei einer Neuemission über die Emissionsbank) Anleihen abkaufen. Aber Anleihen, die bereits am Markt sind, darf sie ankaufen.
Darüber, ob die EZB das tun wird, spekuliert (bzw. damit oder auch darauf rechnen) Finanzmarktakteure. So nachzulesen z. B. in dem HB-Artikel
"Finanzmärkte in Aufruhr: Möglicher Griechen-Kollaps setzt EZB unter massiven Druck" vom 06.05.2010:
"Tut sie's oder tut sie's (noch) nicht? Kauft die Europäische Zentralbank (EZB) am Ende doch noch griechische Staatsanleihen und päppelt damit das milliardenschwere Hilfepaket von EU und IWF für den klammen Mittelmeerstaat auf? Noch zieren sich die Währungshüter - vermutlich aus rechtlichen Gründen. Doch es gibt einen Ausweg aus diesem Dilemma. .....
Die EZB dürfe den Staaten ihre Anleihen zwar nicht direkt abkaufen, sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, Handelsblatt Online. "Aber es ist ihr gestatten, bereits emittierte Staatsanleihen am Sekundärmarkt zu erwerben". .....
Die volkswirtschaftliche Wirkung wäre vom direkten Ankauf - wie ihn andere Notenbanken wie die Federal Reserve in den USA oder die Bank von England in der Krise durchgezogen haben - kaum zu unterscheiden. In europäischen Notenbankkreisen wird längst über die Möglichkeit eines Ankaufs von Staatstiteln nachgedacht - freilich nur hinter vorgehaltener Hand."
Die Folgen eines solchen Treibens (die wir natürlich auch und ganz besonders beim Dollar und beim Pfund erwarten dürfen!) (meine Hervorhebung):
"Allerdings besteht nach Krämers Ansicht der große Nachteil darin, dass die Glaubwürdigkeit der EZB massiv leiden könnte. "Viele Bürger würden bezweifeln, dass die EZB nur vorübergehend Staatsanleihen aufkauft und stattdessen vermuten, dass die EZB auf Dauer Staatsdefizite finanzieren würde, was auf lange Sicht zu Inflation führen würde", erläuterte der Ökonom."
Eine Lage, bei der die EZB tatsächlich Staatsdefizite nicht nur freiwillig finanzieren würde, sondern sogar dazu gezwungen wäre, wenn sie nicht den finanziellen Zusammenbruch der gesamten Eurozonenländer in Kauf nehmen wollte, könnte durch eine ständig steigende Staatsverschuldung der Euroländer eintreten. Und die Möglichkeit einer solchen Entwicklung steht mit den aktuellen Zahlungen an Griechenland insofern in einem engen Zusammenhang, als diese natürlich die Staatshaushalte der Geberländer belasten. Zwar wird nicht die Griechenland-Hilfe jener Tropfen sein, welcher das Fass zum Überlaufen bringt. Immerhin sind über 8 Mrd. € pro Jahr auch kein Betrag, den der deutsche Finanzminister mal eben aus dem Ärmel schüttelt. Und wenn sich erst Portugal oder gar Spanien nicht mehr am Finanzmarkt zu tragbaren Zinsen refinanzieren könnten, und daher (mit gleichem Recht wie Griechenland) Geld von uns "borgen" wollen würden, wäre der Weg in die Inflationshölle so gut wie fertig.
Und daran, dass es so kommt, arbeitet die Politik schon fleißig (meine Hervorhebung):
"Merkel und Sarkozy sprechen sich in ihrem Brief ... für einen „robusten Rahmen für die Krisenbewältigung“ aus. Auch hier hat Wirtschaftskommissar Rehn einen konkreten Vorschlag parat. Dabei denkt er an die EU-Zahlungsbilanzhilfe für Staaten außerhalb der Euro-Zone. Ungarn, Lettland und Rumänien haben aus dem Topf nach Ausbruch der Finanzkrise Milliarden erhalten. Rehn will dieses Instrument nun auch in der Euro-Zone nutzen, wenn ein Staat an den Rand der Pleite schlittert." So steht es, ebenfalls heute, in dem Handelsblatt-Bericht "Sondergipfel: Euro-Zone beugt gegen Staatspleiten vor".
Das alles zeigt, dass auf mittlere Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit als Folge der Hilfeleistung für Griechenland weitere Belastungen, und in ganz anderen Dimensionen, auf Deutschland (wie natürlich auch die anderen Euro-Zonen-Länder) zukommen werden. Wenn man also über die Gegenwart hinaus denkt (was freilich auch sonst nicht Seehofers Stärke ist), wird man weitaus größere Risiken für Deutschland aus der Griechenland-Hilfe erwachsen sehen, als sie bei einer Zahlungsverweigerung entstanden wären (vgl. dazu auch den Debattenbeitrag von Stefan Homburg - bzw. zur Gegenposition den von Ulrich Blum - in der FAZ vom 05.05.2010 "Dominotheorie: Pro und Contra. Wer kippt noch, wenn Griechenland kippt?").
Über weitere Belastungen speziell für Deutschland berichtet die Süddeutsche Zeitung in dem ausführlichen Artikel "Notopfer Griechenland Noch teurer als gedacht" vom 06.05.10:
"Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung könnte es womöglich mehr kosten als die bisher genannten 22,4 Milliarden Euro. Das ergibt sich aus einer Vorlage des Bundestags-Haushaltsausschusses, die der SZ vorliegt.
Das liegt an einer Hilfe für jene Mitgliedsländer der Eurozone, die an den Kapitalmärkten für Kredite einen höheren Zinssatz zahlen müssen als den, den sie für das Weiterverleihen des Geldes an Griechenland von dem südeuropäischen Schuldenstaat erhalten. Die Folge: Von den übrigen Geberländern können diese Gläubiger einen Zinsausgleich verlangen. .....
[Die betroffenen Länder, also u. U. Portugal, Spanien, Italien und Irland] könnten alternativ auch beantragen, von der Auszahlung des jeweils nächsten Teilkredits befreit zu werden. Wird dem Antrag stattgegeben, müssten die übrigen Geberländer anteilig einspringen. Hauptleidtragender wäre die Bundesrepublik. Sie muss bereits jetzt 28 Prozent und damit den mit Abstand größten Anteil zum griechischen Hilfspaket beisteuern."
Und das ist erst der Anfang, denn in dem gleichen Artikel lesen wir über die Forderung eines Repräsentanten der Steuersenkungspartei FDP nach Versenkung weiterer Steuergelder ins Land seiner Ahnen:
"Unterdessen hat der deutsche EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis eine Art Marshall-Plan für Griechenland ins Gespräch gebracht. "Der 110-Milliarden-Euro-Kredit allein reicht für die Sanierung Griechenlands bei weitem nicht aus", sagte der FDP-Politiker."
Und Franz Jaeger, Hilfe-kritischer Volkswirtschaftsprofessor an der in Ökonomenkreisen angesehenen Schweizer Universität St. Gallen, nennt in dem FAZ-Gespräch „Griechenland muss aus dem Euro“ vom 06.05.2010 ebenfalls eine höhere Zahl:
"Man redet jetzt schon davon, dass Griechenland einen Refinanzierungsbedarf von 210 Milliarden Euro hat und nicht von 110 Milliarden."
Erg. 08.05.2010: In ihrem Artikel "Milliarden für Griechenland. Berlin könnte Teil der Hilfe verlieren" vom 06.05.10 berichtet die Frankfurter Rundschau:
"Deutschland wird nicht mehr als die zugesagten gut 22 Milliarden Euro für die Griechenland-Hilfen zahlen. Sowohl Finanzminister Wolfgang Schäuble als auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle wiesen mit dieser Feststellung Berichte zurück, Deutschland müsse für andere Länder einspringen, falls diese schlechte Konditionen für ihre Kreditaufnahmen bekämen. ..... "In keinem Fall wird die verabredete Höchstbegrenzung der Kreditlinie überschritten", sagte Schäuble. Kein Euro-Land müsse bei der Griechenland-Hilfe für ein anderes einstehen. Auch Brüderle betonte: "Der Höchstbetrag ist auf 22,4 Milliarden Euro begrenzt...... Ein Euro-Land, das sich zunächst nicht in der Lage sähe, einen Beitrag für Griechenland zu leisten, könnte seine Beteiligung dann in einer der nächsten Kredittranchen nachholen, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Michael Offer. 'Im Extremfall würde das bedeuten, dass die von der Euro-Zone zugesagten 80 Milliarden Euro nicht zusammenkommen'." Außerdem steht in dem Artikel etwas über einen möglichen Zinsausgleich für Länder, die selbst am Kapitalmarkt höhere Zinsen zahlen müssen, als die aktuell rund 5%, die sie von den Griechen bekommen sollen. Allerdings betreffe das aktuell nur Portugal und es handele sich um eine relativ geringe Summe.
Der "Crash-Prophet" Max Otte formuliert sehr schön, was Sache ist in Sachen des angeblichen Inflationsschutzes durch unsere Griechenlandhilfe (meine Hervorhebungen):
"Das Euro-Prestigedenken hat gesiegt. Jetzt rauscht der Zug in eine Richtung: Man kann nicht ein Land retten und das nächste fallen lassen. ... Mit Griechenland wurde eine Schwelle überschritten. Europa ist damit auf dem Weg in die Schuldenfalle und in eine Phase steigender Inflation. Der Euro ist in Gefahr, gerade weil Griechenland gerettet wurde. .....
Griechenland ist nichts anderes als eine kollektive Bankenrettung. Die Institute sind mit Sicherheit fein raus. Ob die Milliarden hingegen das Land retten, ist noch nicht sicher. Bei einer Insolvenz hätte es die Chance gehabt, neu anzufangen, und man hätte den Finanzinstituten, die wirklich vor dem Zusammenbruch stehen, noch immer helfen können.."
Als Bankenrettung bewertet auch der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg (der sich schon bei der Finanzmarkthysterie zur Zeit der Lehmann-Pleite im September/Oktober 2008 gegen ein Banken-Bailout ausgesprochen hatte) die "Kredit"transfers der Eurozonenländer in die Ägäis. In einer FAZ-Debatte mit Ulrich Blum u. d. T. "Dominotheorie: Pro und Contra. Wer kippt noch, wenn Griechenland kippt?" schreibt er u. a.:
"Dominotheorie. Diese Theorie, obwohl logisch wie historisch absurd, bedeutet eine Verfeinerung des Geschäftsmodells. Angebliche Dominoeffekte standen schon 2008 im Zentrum der Bankenrettungsprogramme, als riskante Schuldner wie die HRE ihren Gläubigern beträchtliche Aufschläge für Risiken zahlten, die sich nicht materialisierten, weil der Steuerzahler einsprang. Das ganz große Geld wird nicht mehr traditionell erwirtschaftet, sondern mittels einer Doppelstrategie, die darin besteht, bei der Kreditvergabe hohe Risiken einzugehen und zugleich die Öffentlichkeit so zu verängstigen, dass das Risiko nicht eintritt. Hierzu benötigen die Finanzinstitute die Meinungsführerschaft und eine Gehirnwäsche, die "systemische Gefahren" und "Dominoeffekte" so lange beschwört, bis Politik, Bevölkerung und inzwischen sogar etliche Wissenschaftler daran glauben.
Rückblickend wird die Alimentierung Griechenlands und seiner Gläubiger als gewaltiger Fehler erscheinen: Erstens verschlechtern die verlorenen Zuschüsse die Position wackeliger Geber wie Portugal, indem sie deren Schulden erhöhen. Zweitens sinkt der Druck auf Griechenland und andere, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Drittens lernt die Finanzwelt in diesen Tagen, dass ihre Doppelstrategie "Verleihe und verängstige" nicht nur bei Banken aufgeht, sondern sogar bei ganzen Staaten. Exzessive Rückblickend wird die Alimentierung Griechenlands und seiner Gläubiger als gewaltiger Fehler erscheinen: Erstens verschlechtern die verlorenen Zuschüsse die Position wackeliger Geber wie Portugal, indem sie deren Schulden erhöhen. Zweitens sinkt der Druck auf Griechenland und andere, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Drittens lernt die Finanzwelt in diesen Tagen, dass ihre Doppelstrategie "Verleihe und verängstige" nicht nur bei Banken aufgeht, sondern sogar bei ganzen Staaten. .....
Der Euro und der gescheiterte Stabilitätspakt haben genau jene Verschuldungsgemeinschaft begründet, die Kritiker seinerzeit vorhersagten. Mit dem jetzt anlaufenden Hilfsprogramm, das von Tag zu Tag groteskere Ausmaße annimmt, ist dieser Weg unumkehrbar geworden. Obwohl deutsche Steuerzahler und Transferempfänger die materiellen Konsequenzen des Beistands für Griechenland zu Recht beklagen, ist doch der ideelle Schaden weit höher zu veranschlagen. Denn die Europäische Union wurde nicht vorrangig aus wirtschaftlichen Motiven gegründet, sondern zur Sicherung von dauerhaftem Frieden und Freundschaft in Europa. Die jetzige Entwicklung - Diffamierungen Griechenlands hüben und Hakenkreuze drüben - lässt das Schlimmste befürchten. Eine Umschuldung, etwa durch Verzicht der Gläubiger auf die Hälfte ihrer Forderungen, hätte die Situation beruhigt, Griechenland eine stabile Position verschafft und dem Frieden in Europa einen besseren Dienst erwiesen. Leider war das Bankeninteresse abermals stärker."
Man sieht: Für die Eurozonenländer, besonders aber für Deutschland, ist der Weg zur Hölle nicht mit guten Vorsätzen gepflastert. Sondern mit guten Taten!
Während man aber über die unmittelbare Interessendimension wie gesagt streiten kann, wird ganz eindeutig die Inflationsgefahr durch die Griechenlandhilfe nicht verringert, sondern verschärft. Das weiß natürlich auch Horst Seehofer.
Weil aber die Bundesbürger partout nicht für Griechenland blechen, Seehofer und die Seinen (rühmliche Ausnahme: der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler*) jedoch (wie übrigens fast das gesamte politische Spektrum, und - scheinparadox - ganz besonders jene Parteien, die gegen die Hilfe gestimmt oder sich enthalten haben, also die Linke und die SPD) mit wilder Entschlossenheit unsere Steuergelder nach Athen tragen wollen, versucht (nicht nur) Seehofer, seinen Mitbürgern Sand in die Augen zu streuen.
Seine Bayern [und die Preußen vermutlich sowieso ;-) ] hält er offenbar für ökonomische Analphabeten.
Analphabeten unterschreiben bekanntlich mit Kreuzen. Hoffen wir, dass die Bayern bei der nächsten Wahl intelligent genug sind, ihre Kreuze NICHT bei der Kreuz-Partei zu platzieren!
[*Einige Aufrechte gibt es denn doch noch unter den Bundestagsabgeordneten. Über das Abstimmungsergebnis insgesamt und das Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter informiert der heutige Artikel mit dem nicht ganz korrekten Titel "Bundestagsdebatte über Finanzhilfen. Alle gegen alle, aber alle für die Griechen" in der Financial Times Deutschland (meine Hervorhebungen):
"Der Bundestag stimmte im Anschluss an die Debatte für die Hilfen im Umfang von bis zu 22,4 Mrd. Euro. Für das Paket votierten in namentlicher Abstimmung 390 Abgeordnete. 72 stimmten dagegen, 139 enthielten sich. Dabei stimmten die CDU-Abgeordneten Alexander Funk, Manfred Kolbe und Klaus-Peter Willsch sowie der CSU-Politiker Peter Gauweiler gegen die Kredite. Bei der FDP entschied sich der Finanzpolitiker Frank Schäffler als einziger für ein Nein.
Auf Seiten der SPD stimmten die vier Europapolitiker Eva Högl, Hans-Ulrich Klose, Michael Roth und Angelica Schwall-Düren mit Ja, während die übrigen Fraktionsmitglieder sich enthielten. Bei den Grünen enthielten sich Hans-Christian Ströbele und vier weitere Kollegen, während die anderen Anwesenden dafür stimmten. Die Linkspartei war (natürlich rein taktisch bedingt - vgl. dazu meinen vorangegangenen Blott) geschlossen gegen das Gesetz."]
Wie sehr die deutschen Bürger von der steuergeldvernichtenden Einheitsfront unserer politischen Hysterixe verschaukelt werden, wird einem bewusst wenn man in dem FAZ-Artikel "Vor dem EU-Gipfel. 'Es darf nur nicht passieren, dass ein Land gar nicht zahlt' " von heute erfährt (meine Hervorhebung):
"Erste Hinweise darauf, wie die Europapolitiker die Frage nach den Lehren zu beantworten gedenken, gab eine Aussprache im Europaparlament am Mittwochnachmittag. Etwas verkürzt lässt sie sich so zusammenfassen, dass die Mehrheitsmeinung der deutschen Bevölkerung in der EU nur von euroskeptischen Parteien vertreten wird, die in Deutschland gar nicht zur Wahl stehen. So sprach für die konservative Fraktion, die sich um die britischen Tories gegründet hat, der Abgeordnete Derk-Jan Eppink von der rechtspopulistischen belgischen Liste Dedecker. Er verlangte als Einziger ein Austrittsverfahren für uneinsichtige Schuldenmacher, wie es auch die Bundeskanzlerin einmal gefordert hat. Und der niederländische Abgeordnete Barry Madlener von Geert Wilders' Freiheitspartei sagte, die Griechen sollten die Drachme wieder einführen. Die Nordeuropäer weigerten sich, für die sozialistischen Länder im Süden zu zahlen, die auf großem Fuß gelebt hätten.
Die etablierten politischen Lager vertraten dagegen Lösungsansätze, die auf einen Machtzuwachs Brüssels und eine größere Harmonisierung der Lebensweise in Europa hinauslaufen würden."
Kluge Kritik an der heutigen Reichseinheitsabstimmung unserer politischen Führungsgefolgschaft gegen die Mehrheit der Volksgemeinschaft übt Robin Alexander in seinem heutigen WELT-Kommentar "Regierung peitscht die Griechen-Rettung durch" (meine Hervorhebungen):
"Das nennt man Demokratie im Schweinsgalopp: In nur einer Woche rettete die Bundesregierung das bankrotte Griechenland. Im Eiltempo passierten die Gesetze Bundestag und Bundesrat. Begründet nicht selten mit falschen Argumenten. So etwas passiert für gewöhnlich nur in autoritären Staaten. .....
Das zweite Argument, die Alternativlosigkeit, ist eine Seuche, die unseren politischen Diskurs seit Jahren befallen hat. Schon Gerhard Schröder boxte damit seine Hartz-Gesetze durch und schaffte so, dass eine prinzipiell richtige Reform in der Ausführung an tausend Schwächen und Kinderkrankheiten litt und schnell in Misskredit geriet. In der Politik ist es aber wie im Leben: Es gibt immer eine Alternative. In dieser Woche wäre es die Verweigerung der Griechen-Milliarden gewesen. Doch im Parlament kam eine Position, die immerhin ein Großteil der Bevölkerung, ein Teil der Experten und auch einige Parlamentarier teilen, nicht vor. Das muss auch die sorgen, die diese Position nicht teilen: Denn Demokratie ist ja mehr als ein Ringen darum, wer sich durchsetzt. Demokratische Kritik will nicht unbedingt verhindern, sondern unbedingt verbessern. Deshalb sind demokratische Entscheidungen meist besser als autoritäre Anordnungen."
Nachträge 08.05.10:
Angela Merkel streut den Wählerinnen und Wählern in Nordrhein-Westfalen (und auch noch in meiner Heimatstadt Bielefeld!) genauso Sand in die Augen wie Horst Seehofer.
Die Bundeskanzlerin tut das ein klein wenig subtiler als der Bayern-Fürst; rein formal kann man ihr keine Lüge vorwerfen, wenn sie lt. heutigem Focus-Artikel "Staatsverschuldung. Athen plant neue Einschnitte" sagt:
„Eine stabile Währung ist das A und O von Wohlstand und Sicherheit“, sagte sie in Bielefeld zum Abschluss des Wahlkampfes vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die Bundesregierung werde sich immer für eine stabile Währung einsetzen. Griechenland werde unterstützt, „weil es auch Deutschland dient“."
Denn was der Wähler hier hören soll und denken wird ist "Griechenlandhilfe erfolgt, um Währung stabil zu halten. Tatsächlich konstruiert sie mit ihren o. a. Worten aber gerade keinen Kausalzusammenhang zwischen Währungsstabilität und Griechenlandhilfe. Vielmehr sagt sie a) Bundesregierung kämpft für stabile Währung und b) Griechenlandrettung liegt im deutschen Interesse. Die Wählerwahrnehmung soll und wird beide Sachverhalte natürlich verknüpfen; juristisch würde man sagen, das Angela Merkel zwar nicht die Unwahrheit gesagt, wohl aber vorsätzlich einen Irrtum erregt hat.
Die Einschläge kommen immer näher. Unter dem Titel "Sondergipfel: Hilfssystem geplant. 'Wir werden den Euro verteidigen' " meldet die FAZ heute u. a.:
„Wir werden den Euro verteidigen, was immer es die Deutschen kosten mag“, versprach EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach dem Sondergipfel in Brüssel."
Falls Sie das selbst nachlesen, werden Sie freilich merken, dass ich bei diesem Zitat gemogelt habe: "die Deutschen" hat Barroso nicht gesagt, das habe ich eingefügt.
Freilich ist es die bittere Wahrheit (und beweist schlagend die Unaufrichtigkeit von Horst Seehofer), dass wir es sein werden, die hauptsächlich für Europa bezahlen. Nicht Millionen oder Milliarden: hunderte von Milliarden werden es sein und vielleicht kommen wir sogar in Billionen-Bereiche hinein. Das wird natürlich dann noch schneller passieren, wenn die EZB anfängt Geld für den Ankauf von Staatsanleihen zu drucken.
Einzelheiten berichtet z. B. Werner Mussler heute in der FAZ u. d. T. "Nach dem EU-Gipfel. Das Endspiel um den Euro":
"In der Not opfert die Europäische Union heilige Prinzipien der Währungsunion. Ob das die Finanzmärkte beeindruckt, zeigt sich erst am Montag früh. Es geht längst nicht mehr um die Griechen, es geht um den Euro als solchen. .....
Sarkozy hat erreicht, was er immer wollte: dass die grundlegenden Entscheidungen im Euro-Raum von den „Chefs“ der Euro-Staaten getroffen werden. Wer fragt da noch nach der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank? Die Investoren rechnen längst damit, dass die EZB auf Druck der Politik Milliarden Staatsanleihen aus der Euro-Problemzone aufkauft – bis vor kurzem eine abenteuerliche Vorstellung.
Während Sarkozy stolz verkündet, die Notbeschlüsse gingen „zu 95 Prozent“ auf französische Vorstellungen zurück, verschwindet Angela Merkel, einst eiserne Kanzlerin, durch den Hinterausgang. .....
... bei aller Unklarheit darüber, wie der jetzt beschlossene „Stabilisierungsmechanismus“ genau aussehen soll, ist eines klar, und Sarkozy sagt es ganz deutlich: Es handelt sich um ein Gemeinschaftsinstrument. Der Euro-Club als Ganzer haftet - ähnlich dem vor anderthalb Jahren beschlossenen Rettungsschirm für die Banken: Die EU stellt eine praktisch grenzenlose Haftung für schwächelnde Euro-Staaten in Aussicht – in der Hoffnung, dass die Garantie nie gezogen werden muss, weil die Spekulanten davon abgeschreckt werden. .....
An diesem Sonntag tagen deshalb EU-Kommission und EU-Finanzminister. Wahrscheinlich werden sie sich auf Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU stützen, der für die Griechenland-Hilfen bisher ausdrücklich ausgeschlossen wurde. .....
Der Euro-Raum hat nur noch zwei Optionen. Entweder hat die von Sarkozy initiierte Rettungsaktion Erfolg. Dann wird die Währungsunion endgültig zu einer französisch inspirierten, sehr teuren Transferunion. Oder sie hat keinen Erfolg, und das Ende des Euro ist absehbar."
Medien-Müll vom gleiche Kaliber wie das Seehofer-Gesülze war auch der WELT-Titel "Deutschland erkauft stabilen Euro für 22 Milliarden" von Mariam Lau vom 3. Mai 2010.
Der FOCUS hat meine Seehofer-Schelte (Leserkommentar) hinweg zensiert:
"Hallo Cangrande,
Ihr Beitrag:
Seehofer als Rosstäuscher
Seehofer führt das in seinen Augen offenbar gehirnamputierte Wählervolk (wieder einmal) hinters Licht, wenn er behauptet, die drei großen Punkte seien die Stabilität der Währung, die Abwehr inflationärer Tendenzen und die unmittelbare Betroffenheit Deutschlands. Über die Betroffenheit Deutschlands kann man streiten. Unsinn ist es aber schon, Stabilität der Währung und Inflationssicherheit als zwei getrennte Punkte zu benennen. Das sind zwei Begriffe, die beim Volk verfangen, aber Stabilität heißt nichts anderes als Inflationsschutz. Und gerade insoweit ist die Griechenlandhilfe kontraproduktiv, denn keinesfalls schützt sie vor Inflation. Im Gegenteil steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das große Geldausgeben ein Weginflationieren der Schulden geradezu erzwingen wird.
wurde von uns nach Prüfung durch einen Administrator nicht veröffentlicht. Die Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben können, entnehmen Sie bitte unserer Netiquette: http://www.focus.de/community/netiquette. Eine Erläuterung der Ablehnung ist aus personellen und zeitlichen Gründen nicht möglich.
Ihr FOCUS-Online-Administrationsteam"
Nachtrag 09.05.2010
Bankenmund tut Wahrheit kund, jedenfalls jener der Kreissparkasse Gelnhausen:
Was Simbabwe recht ist, soll uns erst Recht billig sein, oder?.
Textstand vom 09.05.2010. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
finden Sie eine Gesamtübersicht meiner Blog-Einträge (Blotts).
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