Da unser Flug nach Thessaloniki erst um 17.30 Uhr geht, haben wir morgens noch die Möglichkeit, gemütlich zu frühstücken. Wobei ‚gemütlich frühstücken‘ vielleicht etwas sehr euphemistisch ist, denn die Üppigkeit der Frühstückstafel lässt doch sehr zu wünschen übrig. In den letzten Tagen hatten wir nämlich bereits angefangen, alle verderblichen Waren zu verzehren, damit diese während unseres Urlaubs nicht vergammeln und anfangen, ein Eigenleben zu führen.
Somit gibt es zwar immerhin für alle Brötchen mit Marmelade, aber ohne Butter. Andere Belagalternativen gibt es auch nicht. Außer ein halbes Glas Meerrettich, das sich bedrohlich seinem Verfallsdatum nähert und daher von allen ignoriert wird. Wenigstens Kaffee ist in unbegrenzten Mengen vorhanden. (Irgendwie müssen wir ja noch die restlichen anderthalb Liter Frischmilch verbrauchen.)
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Frisch gestärkt machen wir uns nach dem Frühstück daran, zu packen, was eine gewisse Herausforderung aufgrund begrenzter Kofferkapazitäten darstellt. Wie schon vor fünf Jahren fliegen wir auch dieses Mal mit einem „Low-Cost-Cararier“. Wobei „We-Will-Charge-You-In-Every-Fucking-Booking-Step-Carrier“ wesentlich zutreffender wäre. (Was zugegebenermaßen aber wohl etwas zu lang ist, um sich bei der breiten Masse durchzusetzen.) Daher hat die Freundin in einem Anflug von begrüßenswertem Geiz nur zwei Gepäckstücke zu unseren Tickets gebucht. Somit stehen uns nur zwei große Koffer zur Verfügung sowie zwei kleine, die wir als Handgepäck mitnehmen können. Dies hat den schönen Effekt, dass man sich auf die wesentlichen Textilien beschränken und auf unnötigen Ballast verzichten muss, was aber gleichzeitig den Diskussionsbedarf während des Packprozess steigert.
Die Frau und ich stecken gerade in schwierigen Verhandlungen, ob wir jeder zwei oder doch nur einen Pullover mitnehmen sollen (Bei angekündigten Temperaturen von 30 Grad aufwärts ist ‚Keinen‘ die richtige Antwort.), als der Sohn zu uns kommt. Er fragt, ob er seine Playstation mitnehmen könne, die passe auch in seinen Rucksack. Ich verneine und belehre ihn, er könne im Urlaub auch mal ruhig auf die Playstation verzichten. Für den Sohn senkt dies die Attraktivität des Urlaubs erheblich und er zieht missmutig von dannen. Wahrscheinlich hält er mich für einen technikfeindlichen, spaßbefreiten Langweiler.
Da taucht die Tochter auf und will wissen, ob es in unserem Ferienhaus WLAN gibt, damit sie mit ihren Freundinnen whatsappen und instagrammen kann. Verneine auch diese Frage. Die Tochter schaut, als würden wir einen Amish-Urlaub ohne fließend Wasser und ohne Strom machen.
Insbesondere letzteres ist hoffentlich nicht der Fall, denn wir haben eine Vielzahl elektronischer Geräte eingepackt, deren Akkus permanent aufgeladen werden wollen: drei Smartphones, zwei Digitalkameras, ein Laptop, zwei eBook-Reader, eine Laufuhr mit Pulsmesser, ein iPod und eine Powerbank. Nur ein mobiles Kernkraftwerk haben wir leider nicht, mit dem wir unseren Energiebedarf für die nächsten vierzehn Tage abdecken können.
Kleines elektronisches Reisegepäck. Mobiles Kernkraftwerk nicht im Bild.
Ein von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) gepostetes Foto am 22. Jul 2016 um 23:51 Uhr
Nach zwei Stunden sind schließlich alle Koffer gepackt. Beim Probewiegen dann große Ernüchterung: Einer der beiden großen Koffer hat die 20-Kilo-Marke gerissen! Da der andere Koffer aber deutlich darunter liegt, beginnt nun ein aufwändiger Umpackprozess unter Zuhilfenahme einer Küchenwaage, bei der wir uns dem Zielgewicht schrittweise annähern, wobei es immer schwieriger wird, die Koffer zu verschließen. Zwischendurch pendelt die Stimmung kurzzeitig von Urlaubsvorfreude zu „Wenn das so weitergeht, sollten wir mal eine Paartherapie machen“. Erst als sich die Frau taktisch klug in einen anderen Raum zurückgezogen hat, schaffe ich es unter Aufgebot eines Großteils meines Fäkal- und Fortpflanzungsvokabulars doch, beide Koffer zuzumachen.
Familie Koffer. Auf Reisen.
Ein von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) gepostetes Foto am 23. Jul 2016 um 4:19 Uhr
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Nachdem das umsichtige Handeln der Frau die Scheidung abgewendet werden konnte, geht es mit dem Taxi los zum Flughafen. Da ich in der Familie derjenige mit den längsten Beinen bin, muss ich mich nicht in den Fonds quetschen, sondern darf auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Das ist schön. Dafür muss ich mich für gewöhnlich mit dem Taxifahrer unterhalten. Das ist meistens weniger schön. Aber heute haben wir einen angenehm schweigsamen Chaffeur, der während der ganzen Fahrt schweigt und lediglich die plätschernden Melodien, die das Klassikradio durch den Äther schickt, mitsummt. Das macht ihn zu meinem neuen besten Freund.
Derweil hat der Sohn sorge, dass er seine Tic-Tac nicht durch die Sicherheitskontrolle bekommt. Daher beschließt er sie alle während der Fahrt aufzuessen. Danach ist ihm schlecht.
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Bei der Gepäckaufgabe am Flughafen müssen wir in einer schicksalhaften Zwangsgemeinschaft mit sehr vielen anderen Menschen in einer langen Schlange warten. Darunter viele Kinder. Und darunter viele distanzgeminderte Kinder. Beispielsweise direkt vor uns stehen zwei Brüder von ungefähr neun und elf Jahren, deren Lieblingsbeschäftigung offenbar darin besteht, sich gegenseitig oder wahlweise ihre fünfjährige Schwester oder ihre Eltern zu schubsen. Ein Blasrohr mit Betäubungspfeilen könnte die Situation entscheidend verbessern. Hoffe einfach, dass die Blagen nicht mit uns nach Thessaloniki fliegen. Noch schöner wäre es, wenn überhaupt gar niemand mit uns nach Thessaloniki flöge. Das ist allerdings wohl eher unwahrscheinlich. Aber man wird ja noch träumen dürfen.
Der Security Check läuft bei allen Familienmitgliedern erfreulich problemlos. Bis ich zum Schluss zum Sprengstofftest rausgewunken werde. Die Kinder registrieren dies mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung. Einerseits befürchten sie, ich könnte verhaftet werden, andererseits finden sie es auch ein wenig spannend, dass ich anscheinend für einen Kriminellen gehalten werde. Der Sohn spekuliert, das läge bestimmt an meinem Bart, denn der Räuber Hotzenplotz habe ja auch einen. Zur leichten Enttäuschung der Kinder fällt der Sprengstofftest negativ aus und wir können unseren Urlaub vollkommen unspektakulär starten.
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Die Frau schlägt vor, um die Warterei zu überbrücken, könnten wir erstmal eine Kleinigkeit essen. Reisen mache schließlich hungrig.
Bin mir zwar nicht sicher, ob eine 45-minütige Taxifahrt und eine dreiviertel Stunde Warten bei der Gepäckaufgabe schon als Reisen gelten kann, aber Essen ist immer eine gute Idee. Da sollte man sich nicht mit definitorischen Spitzfindigkeiten aufhalten. Entrichten dann in einem Café für zwei belegte Brötchen und zwei Kaffeeheißgetränke einen Betrag, mit dem wir beiden Kindern auch ein Studium auf einer US-amerikanischen Elite-Universität finanzieren könnten. Sohn und Tochter sind mit ihren Brötchen trotzdem zufrieden. Sie wissen ja auch nicht, dass sich gerade ihr Erbe halbiert hat.
Für den kleinen Reisedurst zwischendurch.
Ein von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) gepostetes Foto am 23. Jul 2016 um 11:37 Uhr
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Als wir endlich zum Boarding gehen können, steigt allmählich die Nervosität unserer kleinen Reisegruppe. Die Frau ist nämlich eine eher unentspannte Fliegerin, was mich wiederum zu einem unentspannten Flieger macht. Ich habe zwar keine wirkliche Flugangst, aber mir sind die ganzen physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die es einem Objekt von 35 Tonnen Gewicht erlaubt, abzuheben und sich in der Luft zu halten auch eher schleierhaft. Allerdings bin ich fatalistisch genug und denke, die Wahrscheinlichkeit bei einem Flugzeugabsturz umzukommen ist kaum höher als im Lotto zu gewinnen. Und da ich nicht glaube, im Lotto zu gewinnen, denke ich auch nicht, dass ich mit einem Flugzeug abstürze. (Dennoch sind das keine schönen Gedanken, wenn man in einem Flugzeug sitzt und die Stewardess gerade ihr Sicherheits-Ballett vorführt.)
Da die Tochter ebenfalls unter Flugangst leidet, muss ich neben ihr sitzen, der Sohn und die Frau sitzen eine Reihe vor uns. Der Sohn ist ein sehr entspannter Flugreisender, sieht er einen Flug doch als willkommene Gelegenheit, zwei Stunden lang ungestört mit seinem Nintendo DS zu zocken.
Safety Card. Erhöht das individuelle Sicherheitsgefühl nur bedingt.
Ein von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) gepostetes Foto am 23. Jul 2016 um 11:37 Uhr
Als die Startprozedur beginnt, hyperventiliert die Frau so stark, dass sie gute Chancen hätte, bei einem Dampfmaschinen-Imitations-Wettbewerb einen vorderen Platz zu belegen. Der Sohn tätschelt ihr beruhigend die Hand und die Passagierin neben ihr, gibt ihr den wohlgemeinten Ratschlag, sie solle einfach tief durchatmen und entspannen; dann sei das alles nur halb so wild. Die Frau sieht jetzt aus, als wolle sie ihrer Sitznachbarin am liebsten eine reinhauen, aber die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen hindern sie daran.
Thessaloniki bei Nacht. Serviervorschlag.
Ein von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) gepostetes Foto am 23. Jul 2016 um 11:37 Uhr
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Nach etwas mehr als zwei Stunden ereignislosem Flug, kommen wir in Thessaloniki an. Erfreulicherweise erscheinen unsere Koffer als erstes auf dem Gepäckbeförderungsband. (Ein seltenes Ereignis, das dem Lottogewinn erstaunlich nahe kommt.)
In der Ankunftshalle werden wir abgeholt und nach Psakoudia gebracht. Wieder haben wir einen schweigsamen Fahrer, der während des Trips keine großen Worte verliert, was auch an gewissen Sprachbarrieren liegen könnte. Egal. Er ist nun mein neuer bester Freund.
In Psakoudia angekommen beziehen wir unsere Ferienwohnung und gehen nach dem Auspacken vollkommen übermüdet ins Bett. Leider lassen sich die Kinder nicht überreden, in unserem Zimmer zu schlafen und als Mücken-Abwehrschild zu fungieren. Undankbare kleine Brut!
Gute Nacht!
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