GRID – ein Personality-Magazin für die Designbranche?

Von Designkritik @designkritik

Am 6. November 2012 ist die erste Ausgabe der Designzeitschrift GRID erschienen. GRID? Das steht für Grafikdesign (GR) und Industriedesign (ID). Neben News, einem Theoriebeitrag, sowie Artikeln zu aktuellen Designthemen vertieft sich die erste Ausgabe im Thema „Start“. Dazu werden Designer besucht und befragt – heraus kommen Interviews, Porträts und Berichte. Die Autoren schreiben also nicht über Design, sondern lassen Designer und ihre Umgebung sprechen. Da gibt’s viel zu lesen – so sieht es zunächst aus. Es ist die zusätzliche englische Übersetzung, die das Textvolumen so anschwillen lässt.

Das Schwerpunktthema erstreckt sich über gut ein Viertel des Heftes. Start, das heißt hier vor allem Berufseinstieg, Neustart und der Zwang zum lebenslangen (Neu-)Lernen.

Da ist zuerst die 25-jährige Grafikdesignerin Jessica Walsh. Sie ist neulich beim Grafikdesigner Stefan Sagmeister eingestiegen. Das wird hier als eine kleine Sensation besprochen. Was ist denn in den Sagmeister gefahren?! Doch alle möglichen Zweifel werden zerstreut, denn sie ist da, „weil sie so gut ist!“ Damit spätestens ist die Distanz weg. Frau Walsh soll man einfach mögen. Sie hat früh erkannt „dass man auch mit Dingen, die Spaß machen, Geld verdienen kann.“ Andere müssen ihr Geld einfach so verdienen. Ihre Arbeiten „wirken zugleich streng, konsequent, durchdacht und sehr fokussiert“ – zum Beispiel das Erscheinungsbild für eine libanesische Luxuskaufhauskette, das im Heft abgebildet ist.

Der nächste Interviewpartner ist Manfred Gotta. Sein Job ist es, Namen für neue Produkte zu finden. Dass die Namensfindung für ein Produkt „oft das Schwierigste“ ist, wird vorab gesetzt. Dass ein Auto dafür da ist von A (wie Arbeitsplatz) nach B (wie Bett) und zurück zu kommen, dass gilt im Marketing nicht. Hier wird sehr ernsthaft über Gottas Arbeitsweise gesprochen. Bei einem Auto geht das etwa so: „Ich bitte darum, etwa 20 Minuten mit dem Auto allein in einem Raum sein zu können. Ich lege mich davor, ich fasse es an, ich setze mich rein, ich rieche und taste. Auf diese Weise versuche ich seine Seele zu erfassen“.

Weiter. Bevor Marije Vogelzang diejenige wurde, die sie jetzt ist „musste sie sich mit diversen Jobs über Wasser halten, nachts in der Fabrik arbeiten.“ Sicher, das kennt man offenbar, darum braucht man ja nicht gleich ein Aufhebens zu machen. Aber Moment, wer ist sie denn eigentlich? Nein, nein, die Designer, die hier vorgestellt werden, die muss man kennen! Bei Marije Vogelzang geht es um „das breite Spektrum von kreativem Denken plus Essen.“ Die Lehre aus ihrem bisherigen Erwerbsleben: Statt Design-Unternehmerin besser gefragte Künstlerin werden!

Dazu hat auch Erik Spiekermann etwas beizutragen. Zuerst stärkt er das Selbstbewusstsein der Zunft. Den Dienst für den Auftraggeber sieht er so: „Es ist nicht unsere Aufgabe, das zu machen, was der Auftraggeber will, sondern herauszufinden, was er wirklich braucht.“ Nun aber geht es um das Designgeschäft selbst. Dass es ein Geschäft ist, daran erinnert Erik Spiekermann. In der Konkurrenz zu bestehen ist schwierig. „Kaum können wir etwas richtig gut, gehört es wieder zum alten Wissen.“ Damit der Leser hier bloß nicht auf falsche Gedanken kommt, gibt es ein Plädoyer für Anpassungsfähigkeit: „Das Leben ist immer in Beta.“ Kopf hoch.

Irgendwie in einer ganz anderen Liga spielt Oliver Grabes. Kennt nun sicherlich auch nicht jeder. Aber seinen Arbeitgeber. Das ist die Firma Braun. Oliver Grabes ist dort seit drei Jahren Chefdesigner. Braun hat eine „große Tradition“ und gilt daher weiterhin als Hoffnung fürs Design. Daher herrscht im Interview eine respektvolle Grundhaltung. Dass Braun ein ganz normales Unternehmen ist, das mit Design sein Geschäft macht, das muss Oliver Grabes zwar auch feststellen: „Man [muss] mit der Gestaltung auch das Management überzeugen.“ Sein Vorteil ist: Die von seinem Team gestalteten Produkte sind erfolgreich.

Soweit. GRID erweist sich in diesem Themenschwerpunkt als Personality-Magazin für Designer. Designer lernen Designgrößen kennen und können sich mit ihnen vergleichen. Anders als in der GALA ist die Distanz zu den Stars aber geringer, denn das Fachliche kommt natürlich auch vor. Und doch ist hier mehr Sein als Design. Befestigt GRID damit nicht das Bild vom Designer als Künstler? Oder ist das einfach weiterhin so? In der aktuellen form lautet die Gegen-Parole: „Vom Ich zum Wir“.

Der Tanz der beiden Magazine um die Marktanteile kann beginnen. Gerrit Terstiege, jahrelang als Chefredakteur der form am Verlagssitz von Birkhäuser in Basel tätig, legt nun – nach der Krise der form und deren Umzug nach Frankfurt – mit GRID seinen Therapievorschlag für den leidenden Designzeitschriften-Markt vor. Die nächste GRID mit dem Schwerpunktthema Farbe erscheint am 28. Dezember 2012.

GRID erscheint 6x jährlich im DETAIL Verlag in einer Auflage von 20.000.
Das Einzelheft kostet 15,50€.

www.grid-magazin.de

[Foto: Jessica Walsh © GRID]