Grenzgänger Peter Metz: Hey Ba Ba Re Bob

Von Lyck

Peter Metz überschreitet Grenzen - geographische, berufliche, künstlerische... Am 14.07.12 wird er sein Schweizer Exil verlassen, um auf der KultTour Mannheim seinen neuen Text "Hey Ba Ba Re Bob" zu präsentieren.
Hier zwei seiner älteren Werke (der zweite Text ist gekürzt):
Novemberbriefe
Der Mann trägt Briefe zur Post. Es ist November. Durchs Einkaufszentrum weht ein kalter, peitschender Wind. Mit klammen, schmerzenden Fingern hält der Mann die Briefe krampfhaft fest. Er stemmt sich verzweifelt gegen den schneidenden Wind. Es sind Briefe für Gefangene. An den grauen Betonquadern des Einkaufszentrums vorbei erreicht er das Postgebäude mit den vergitterten Fenstern. Er zieht seine Nummer. Die Finger klammern sich um die Umschläge. Darin sind Briefe gegen die Generäle, Briefe für die Gefangenen. Seine Nummer erscheint rot leuchtend auf dem Display. Er begibt sich zu Schalter C.
„Dreimal A – Post nach Übersee“, sagt er.
Die Frau hinterm Schalter unterbricht kurz ihr routiniertes Stempeln und schaut auf die Adresse: „Dort ist es jetzt schön warm“, sagt sie.
Die Wunderblume
In die stille Strasse in Käfertal – Süd mit ihren Einfamilienhäuschen und Vorgärten bog ein alter, reichlich ramponierter, orangefarbener FIAT Mirafiori ein. Zwischen parkenden Autos war gerade genug Platz für die schwere Limousine, aus deren halb geöffneten Fenstern laute, Reverb – überfrachtete Rockabilly – Gitarren dröhnten.
Plötzlich schlug etwas von unten dumpf – metallen an den Fahrzeugboden. Der Fahrer des Wagens, ein langhaariger junger Mann, bremste, so schnell ihm das in seinem intoxikierten Zustand möglich war. Seine Begleiterin schaute ihn an, er schaute seine Begleiterin an, sie beide schauten durch das Heckfenster auf die stille Strasse. Im schwachen Schein der Strassenlaternen war ein schwarzer Gegenstand zu erkennen – ob ein lebloses Ding oder ein totes Tier, war nicht auszumachen. Die beiden stiegen aus. Während sie sich ehrfürchtig dem rätselhaften Gegenstand näherten, tauschten sie immer wieder fragende Blicke aus. Als der junge Mann nahe genug heran gekommen war, erkannte er, dass es sich um einen schwarzen, metallenen Gegenstand handelte. Niederkniend hielt der junge Mann seine Hand über das schwarze Ding. Es war noch warm. Er entzündete mit angehaltenem Atem ein Feuerzeug, um den Gegenstand näher zu betrachten. Eine Aufschrift in italienischer Sprache war erkennbar: „Magneti Marelli Torino“.Es war kein Zweifel möglich: es gehörte zu seinem Auto. Er hob den Gegenstand behutsam an. Ja, er war noch warm, er war aus Italien, er war aus Metall und er war schwer. Er ging zurück zu seinem Auto, öffnete die Kühlerhaube und tatsächlich: da fehlte offensichtlich ein Teil. Erstaunt stammelte der junge Mann: „Das muss meine Lichtmaschine sein“.(...)
Peter Metz wurde am 15. September 1962 in Mannheim geboren und lebt seit 1998 in der Schweiz. Von 1984 – 1992 Studium der Politik und Geschichte an der Universität Mannheim, von 1995 - 1997 Ausbildung zum Oberstufenlehrer für Deutsch und Geschichte an der Freien Hochschule für Anthroposophische Pädagogik in Mannheim. Arbeit als Journalist, Fliessbandarbeiter, Bierkutscher, Bürobote und seit 1998 als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Theater an verschiedenen Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz. Lesungen, Vorträge zu künstlerischen, historischen und pädagogischen Themen. Peter Metz ist verheiratet und hat einen Sohn.
Auszeichnungen:2004: Mannheimer Literaturpreis für „ Astmanns Vision“, der gleiche Text erschien 2007 in „30 Jahre Die Räuber 77“, hrsg. Von Roswitha Spodeck – Walter, Klaus Walter, Adolf Kutschker, Verlag Vorwerk 8, Berlin, 2007. ISBN 978-3-930916-99-3