Greifen se durch, fühlen se ma

Greifen se durch, fühlen se ma Die Länderinnenminister wollen härter durchgreifen. Gegen die Horror-Clowns. Der sächsische Ministerpräsident will auch härter durchgreifen. Bestimmt auch gegen die Clownesken. Aber vor allem auch im Kampf gegen Rechts. Facebook kündigte schon mehrfach an, gegen Hasskommentare härter durchzugreifen. Sagen kann man viel. Der Justizminister wollte auch schon mal härter gegen Polygamie und Zwangsheirat durchgreifen. Der neue Kölner Polizeipräsident sprach sogar davon, dauerhaft härter durchzugreifen. Gegen sexuelle Übergriffe. Aus dem selben Grund wollte Papst Franz auch schon mal härter durchgreifen. Die EU-Kommission kündigte an, gegen Google härter durchgreifen zu wollen. Wegen unfairen Wettbewerbes bei der Online-Werbung. Härter durchgreifen wollte auch mal dieser fränkische Nockerlkopf, der mal Innenminister war. Gegen Salafisten.

Was sind wir doch für ein Land hart durchgreifender Frauen und Männer geworden. Wenn wir schon keinen Durchblick haben: Den Durchgriff haben wir. Komischer Ausdruck übrigens: Durchgreifen. Das klingt nach einer Luftnummer. Anfassen ist ja nicht. Denn das wäre der Griff. Der Durchgriff aber, das hört sich an, als wischt man mit seiner Hand mal durch einen großen Ring, durch so einen, wie man ihn bei einer Seehundshow zuweilen sieht. Dort gibt es nichts zu greifen. Nur Luft. Man macht eigentlich nur Wind, wenn man da durchgreift. Verrührt Luftwirbel mit seiner Hand. Und genau so kommt mir das ganz oft vor, wenn ich diesen Spruch höre.
Noch seltsamer finde ich es übrigens, wenn man hart durchgreifen will. Wenn aber doch etwas hart ist, dann kann man ja gar nicht mehr durchgreifen. Da schlägt man sich, wenn es besonders blöd läuft, bloß die Fingerknöchel auf. Also lässt man es lieber; wer verletzt sich schon gerne ... Und auch das empfinde ich häufig genau so, wenn ich diesen Ausdruck höre. Hart durchgreifen wollen, dann geschieht aber rein gar nichts. Wahrscheinlich wegen der Undurchdringlichkeit. Mit physikalischen Grundkenntnissen würde dergleichen nicht passieren. Würde man nicht ankündigen etwas zu tun, was nach den Gesetzen der Physik gar nicht klappen kann.
Ich frage mich, weshalb Sprachstilisten in den Redaktion so eine Formulierung zulassen. Warum lassen sie sie in dieser Menge zu? Ja, weswegen greifen sie nicht hart durch? Nicht nur, dass sie als Metapher wenig taugt, wie eben erwähnt. Sie wirkt in ihrer dauerhaften Wiederholung wie das Versprechen von Maulhelden, die immer erst ganz laut schreien, bevor sie eben genau das nicht machen, was sie so laut schreiend angekündigt haben. Wenn bellende Hunde nicht beißen, so machen die Ansager des Durchgreifens eben genau das nicht: Durchgreifen. Oder sie machen es eben doch, nur eben bildlich gemeint, wie ich oben beschrieben habe. Als Griff hindurch ins Nichts. Menschen der Tat reden jedenfalls nicht so viel, sie machen. Daher staune ich immer, wenn Tatmenschen viel von ihren Taten erzählen. Haben die kein Zeitproblem?
Hart durchzugreifen ist so eine Plattitüde, die man immer dann verwendet, wenn man eigentlich nicht so richtig weiß, was man zu einem Thema sagen muss. Hart durchzugreifen zu schreiben, das ist ein publizistisches Bauchgefühl, dass irgendwo was gemacht werden müsste, man aber eigentlich nicht so recht weiß, wie man es anpacken soll. Wer hart durchgreift, der muss gar nicht mehr konkret werden. Das ist wie mit diesen Kästen, die Durchgriffe haben und in denen allerlei liegt, was man ertasten soll. Mal durchgreifen und fühlen. Spüren wie es sich anfühlt. Die Struktur, ist sie glatt oder ruppig? Vielleicht kommt es ja gut an bei den Menschen da draußen, wenn man durchgreift. Das fühlt sich dann gut an und man greift immer wieder mal durch. Wer dauernd durchgreift hat gar keine Zeit für mehr. Und das wohlige Gefühl als Macher und harter Knochen zu gelten, das macht ja auch süchtig.

Wenn ich jedenfalls einen höre, der das von sich gibt, interessiert mich schon gar nicht mehr, was dann noch kommt. Denn wer ankündigt hart durchzugreifen, so lehrt es mich die Erfahrung, der hat sich noch gar keine weiteren Gedanken gemacht. Der fuchtelt noch in der Luft herum, weil er durch- und nicht angreift.

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