Gregor Sander: Winterfisch - Preisträgerbuch LiteraTour Nord 2011-12

Inzwischen hat (am 19. April) die Preisverleihung an Gregor Sander stattgefunden. Eine sehr gute Wahl! - man merkt es, je länger man sich damit beschäftigt. Bevor ich ein paar Worte über die Preisverleihung sage, möchte ich noch ein bisschen über das Buch selbst sprechen.  Einen kleinen Vorgeschmack hatte ich ja schon vermittelt.

Es ist schon ein ungewöhnliches Buch, der kleine Band von rund 190 Seiten Umfang mit Erzählungen - die alle ein geografischer Raum verbindet: die Ostsee. Ich denke, so eine Idee hat man einmal im Leben, führt sie aus, gewiss nicht ohne Mühe, und muss danach ganz anders schreiben. Kiel-Holtenau am Anfang des Nord-Ostsee-Kanals, das durch Anderschs Buch berühmt gewordene Reirik, Kühlungsborn, Rostock, Rügen, Hiddensee, Klaipeda, Vilnius, St. Petersburg, Helsinki, Gotland - in diesen Orten sind die Erzählungen angesiedelt, und schon die Aufzählung lässt einen vibrieren vor der Vielfalt der Erwartungen. Erinnert man sich zurück, nachdem man das Buch gelesen hat, schieben sich die Menschen in den Vordergrund, jene meist wortkargen Gestalten, die versuchen, ihren Alltag zu bewältigen und dennoch von Sehnsüchten bewegt werden.

Von dem scheinbar schlichten Stil sollte man sich nicht täuschen lassen: Alles ist komplizierter, als man denken könnte. Verdrängungen, unbewältigte Ängste lauern unter der Oberfläche. Was sich im Hintergrund befindet, kann leicht den Vordergrund prägen. "Winterfisch" ist fast eine reine Männergeschichte, aber Frauen wirken doch mit: Der eine Fischer ist kürzlich verwitwet, jetzt stapeln sich bei ihm die Steuerunterlagen (das hatte sie früher gemacht); beim Erzähler ist Susanne ausgezogen, geblieben sind die Ränder auf dem Teppich, wo ein Blumentopf gestanden hat. Eine Kundin (sie kauft Fisch vom Boot) fragt zu viel, bekommt aber keine Antwort; die Fischer brechen hinterher in Lachen aus, warum, muss nicht ausgesprochen werden. Viel zu viele Worte, um diese Geschichte zu kennzeichnen, und: was habe ich damit schon gesagt? Müsste ich nicht auch noch erwähnen, dass der ältere Fischer, den der Erzähler jetzt hier in Kiel nach fast 20 Jahren besucht hatte, in Güstrow Nachbar gewesen war, verliebt in die Mutter des damals Dreizehnjährigen, und gleich nach der Wende in den Westen gegangen war, als eine "Flucht" gar nicht mehr nötig war? Ja, "Winterfisch" ist auch eine Wendegeschichte. Und Winterfisch ist der Dorsch an der Ostsee, so viel sei verraten. Die Titelgeschichte, die vorab in Klagenfurt den 3sat-Preis bekommen hatte, könnte die beste sein, doch das mag Geschmacksache sein.

Besonders beeindruckend fand ich auch "Weiße Nächte", weil die wirklichen Wahrheiten erst allmählich herausgeschält werden, das ist meisterhaft gemacht. Zwei Freunde seit ewigen Zeiten bekommen von der Frau des einen zum 40. Geburtstag einen Segeltörn nach St. Petersburg geschenkt, den sie beide nicht wirklich wollen.

Doch genug der Worte - lesen Sie selber. Sie werden rasch von einem unerklärbaren Sog hineingezogen werden. Dank an den Wallstein-Verlag, dass er diesen Erzählungsband verlegt hat. Der Preis ist passend.

Gregor Sander: Winterfisch. Erzählungen. Wallstein: Göttingen 2011. 192 Seiten, EURO 18,00.

 


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