Graved Lachs ist ein Produkt, das ich liebe und gleichzeitig ein Phänomen, das ich nicht verstehe: Ich kenne viele Menschen, die bei Sashimi die Nase rümpfen, aber beim Sonntags-Brunch 300 Gramm gebeizten Lachs aufladen. Dass dieser Lachs genau so roh ist wie der Lachs beim Japaner, allerdings im Gegensatz zum super-frischen Sashimi schon 1-2 Tage liegt, scheint den wenigsten bewusst zu sein. Wie dem auch sei, so bleibt mehr Sashimi für mich.
Am Ende des Tages haben Sashimi und Graved Lachs geschmacklich aber tatsächlich nicht viel gemeinsam. Sashimi steht für dezentes Aroma, eine cremige Textur und japanischen Purismus. Gebeizter Fisch hingegen lebt durch die eingedrungenen Aromaten, die über viele Stunden hinweg durch Osmose in den Fisch hineinwandern und vor allem durch seine völlig veränderte Textur. Auch hier ist die Osmose Schuld - ein biomolekularer Vorgang, der in der Kulinarik eine ungeahnt wichtige Rolle spielt. In aller Kürze kann man es so zusammenfassen: Die Beize, die immer Salz und Zucker enthalten muss, zieht in 24-48 Stunden eine Menge Wasser aus dem Fisch. So verdichtet sich der Geschmack und Aromastoffe gelangen ins Fleisch hinein.
Osmose: Das Schlüsselprinzip des Beizens
Doch wir machen es uns heute nicht so leicht - ein kleiner Exkurs: Osmose steht für die Teilchendifussion durch eine semi-permeable Zellmembran. Einige erinnern sich an den Biologie-Unterricht: Lösungen haben immer die Neigung, sich in ihrer Konzentration gelöster Teilchen auszugleichen. Beim Beizen von Fisch bedeutet das: Durch die Behandlung mit Zucker uns Salz an der Außenseite, bildet sich schnell eine Lösung mit extrem hoher Teilchenkonzentration (gelöstes Salz und Zucker). Die Lösung im Inneren des Fischs ist deutlich schwächer konzentriert und strebt den Konzentrationsausgleich an. So fließt Wasser aus den Fisch-Zellen in Richtung der starken Lösung an der Außenseite, um sie abzuschwächen. Das ist der Grund, warum 24 Stunden nach der Beize ein kleiner See im Behälter entstanden ist.
Was bewirkt Osmose geschmacklich?
Wasserentzug ist in der Kulinarik ein oft angewandtes Mittel, um Geschmack zu potenzieren. Wasser ist geschmacklos und "verwässert" daher den Geschmack von Lebensmitteln. Wenn man es entzieht, kommt der natürliche Geschmack stärker zur Geltung. Dieser Prozess spielt zum Beispiel bei Dry Aged Beef, Dörrobst oder Käse eine Rolle. Beim Fisch äußert sich der Wasserentzug in einer Geschmacksintensivierung und gleichzeitig in einer festeren Struktur des Fleischs.
Gebeizter Schwertfisch
Was bei Lachs hervorragend funktioniert, sollte auch bei anderen Fischen ähnlicher Textur gelingen - dachte ich mir und wagte den Versuch. Dill zu Schwertfisch erschien mir unpassend, vielmehr setzte ich auf eine bewährte Kombination aus Griechenland. Dort serviert man Schwertfisch gerne mit Knoblauch und Zitrone. Einzig die Kräuter fehlten noch und bei Knoblauch und Zitronenabrieb lag die Petersilie ja quasi auf dem Weg. Die Mischung bezeichnet man als "Gremolata" und sie ist die klassische Zugabe zum italienischen Schmorgericht Ossobucco.
Schwertfisch mit Gremolata gebeizt
Das 400 Gramm schwere Schwertfisch-Steak lege ich dazu in eine Auflaufform. Aus dem Abrieb einer Zitrone, einer fein gehackten Knoblauchzehe, einem Bund gehackter Petersilie, einem Esslöffel Zucker und einem gehäuften Teelöffel Salz rühre ich die Trockenbeize an, die ich anschließend auf dem Steak verteile. Ich beschwere das Steak mit einer Schieferplatte und gebe es für mindestens 24 Stunden in den Kühlschrank. Hauchdünn aufgeschnitten ist der gebeizte Schwertfisch - so unsympatisch selbstherrlich das auch klingen mag - eine der besten kulinarischen Ideen, die ich seit langem hatte. Einfach pur genossen oder mit einer leichten Aioli zu etwas Baguette serviert.