Gottschalk: Das verkannte Untalent

Grundsätzlich war die Idee, am Vorabend Personen des öffentlichen Lebens einzuladen, um mit ihnen zu quatschen, gar nicht schlecht. Der Vorabend, diese intellektuell so unerfüllte Zeit, sie könnte ein solches Sendekonzept durchaus gebrauchen. Gottschalk versuchte sich daran und scheiterte. Das ist aber trotzdem kaum zu bedauern.

Seicht, einstudiert, monologisierend
Man hat Gottschalk im Vorfeld attestiert, ein solches Talk-Konzept tragen zu können. Dabei hat man eines verkannt: Gottschalk kann keinen Dialog - schon gar keinen, der tiefgründig wäre. Für Wetten dass..? hat seine Gesprächsqualität schon kaum ausgereicht. Eingestreute Showacts und Wetten haben ihn hierbei aber gerettet.
Gottschalk ist kein Talker - er führt Monologe, die er mit Kniegetätschel und konziliantem Zurschaustellen seiner angeblichen Weltläufigkeit, unterstreicht. Dabei kommt nichts heraus. Die als Talk verkauften Monologe, die wahlweise Gast oder Gottschalk führen, das aneinander Vorbeireden, es erzielt keinen Gewinn für den Zuschauer. Gottschalk scheint dabei überfordert, seinen Gast in einen Dialog zu verstricken. Aufeinander einzugehen ist seine Stärke nicht - keine gute Grundlage für einen vermeintlichen Talker. Tiefgründig ist Gottschalk nur in der Pflege seiner Oberflächlichkeit, die sich am stärksten dann zeigt, wenn er begierig auf weibliche Kurven und Beine zu sprechen kommen darf.
Gottschalk erstickt jede Spannung in seinen seichten Gewässern. Er quatscht genauso inhaltslos mit Mario Barth wie mit Hans Küng über den Papst. Erkenntnisgewinn für seine Zuschauer ist nicht sein Metier. Was die Paradedisziplin seines Entertainments ist, kann man so beantworten: seichter Plausch. Erschwerend kommt hinzu, dass es jeden doch mal spannenden Gesprächsfetzen seitens seiner Gäste mit Floskeln abschließt, die man als Zuschauer seit Jahren von ihm kennt. Gottschalk ist einstudiert, hat wenig helle Momente - seine oberflächliche Abarbeitung an Gästen ist zahm und ausdruckslos. Man geht gerne zu ihm, weil kritische Fragen von ihm garantiert nicht gestellt werden.

Legendenbildung
Das Talent Gottschalks ist ein Märchen. Er ist ein verkanntes Untalent. Jemand, den man Qualitäten attestiert, die er nie hatte. Seine Sendung scheiterte an den mangelnden Zuschauerzahlen. Es kann natürlich so sein, dass das Konzept kein Massenpublikum rekrutierte. Gleichwohl kann das aber Folge des qualitativen Mangels des Gastgebers sein. Gottschalk Live hätte etwas werden können, wenn es ohne Gottschalk gelaufen wäre. Es fehlte stets nicht nur der letzte Schritt, ein lockeres, aber auch profundes Gespräch zu führen - es fehlten viele Schritte dorthin. Sich mit Gästen über Frisuren zu unterhalten, das lockt nicht. Wenn Gloria von Thurn und Taxis latent ihren Stockkonservatismus ausbreitet, wie erst kürzlich, so erwartet man, dass ein Gastgeber auf den Zahn fühlt und nicht zur nächsten Monologisierung schreitet.
Dass Gottschalk an einem Publikum gescheitert sei, welches das Konzept der Sendung nicht annehmen wollte, dürfte als Teil der Legendenbildung um seine Person bewertet werden. Gottschalk ist an sich selbst gescheitert - an den Erwartungen, die man in ihn setzte (und die er selbst in sich setzte) und an der mangelnden Gesprächskompetenz, die er mitbrachte. Anspruch und Wirklichkeit klafften weit auseinander. Und Gottschalk langweilte wie eh und je, wenn er sprach und lauschte. Ein Gastgeber, dessen Fragen und Einwürfe auf dem Niveau einer geselligen Männerrunde schlummern, kann einen Gast nicht spannend gestalten. Um den Ruf Gottschalks zu bewahren, ersinnt man Entschuldigungen seines Scheiterns, schiebt es auf das Publikum - dass aus einem Selbstdarsteller kein Talker wurde, ist aber nicht die Schuld der Zuschauer.
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