Gott ergreift den Menschen durch´s Rosenkranzgebet

„Sie erklären mir das Handy und ich erkläre Ihnen, wie das funktioniert, was sie da um den Hals hängen haben.“ Die junge Verkäuferin im Handyladen schaute überrascht. Da stand ich vor ein paar Jahren in einem Handyladen und ließ mir von der etwa gleichaltrigen Verkäuferin ein Handymodell erklären. Diese junge Frau hatte einen Rosenkranz um den Hals hängen, wie es damals als modischer Schmuck sehr verbreitet war.“  Der Blick der jungen Frau war zu schön. Vielleicht dachte sie: Cooler Anmachspruch. Aber da ich als Priester erkennbar war, wußte sie wohl, daß das kein Anmachspruch war. Da lag sie richtig. Doch diese Kette um ihren Hals konnte sie nicht zuordnen. Also erklärte ich ihr, was der Rosenkranz ist und wie man ihn betet. Leider hatte ich keine Bedienungsanleitung dabei. Sie hörte sich aber meine Ausführungen interessiert an.  Ich erklärte ihr, daß sie da eine Meditationskette um den Hals hängen habe, die schon eine Jahrhundert alte Tradition hat. Ein Gebetsschatz. Diese Art des Gebetes ist mehr als ein herunterbeten altbekannte Gebete. So ein Rosenkranzgebet schenkt uns mehr, als nur ein zur Ruhe kommen oder eine positive Auswirkung auf den Blutdruck. Der Rosenkranz eröffnet uns einen Raum der Stille, in dem wirklich eine Gottesbegegnung geschehen kann. Denn das Gebet ist zutiefst biblisch: Vater unser und Ave Maria. Und in den einzelnen Gesätzen betrachten wir das Leben Jesu. Das Rosenkranzgebet ist also ein Neues Testament im Hosentaschenformat, lange bevor es das iPhone gab. Und dieses Gebet ist jung. Denn immer mehr Jugendliche entdecken dieses Gebet neu und der Staub des „Alte-Mütterlein-Gebetes“ verweht. Dieses Gebet ist wie das Ergreifen der Hand des Vaters; besser noch der Mutter. Fünf Gesätze, wie die fünf Finger einer Hand. Besonders Eindrucksvoll erlebte das eine Frau, die ihren krebskranken Bruder auf der Intensivstation besuchte. Beide wußten, daß es keine Heilung mehr gibt. Über den Glauben wurde in sonstigen Begegnungen nicht gesprochen. Aber in dieser Situation nahm die gläubige Frau allen Mut zusammen und schenkte aufgeregt ihrem Bruder einen Rosenkranz. Dieser dankbare Blick ihres Bruders in diesem Moment kann sie nicht vergessen. Für immer bleibt er eingeprägt in ihre Erinnerungen an ihren Bruder. Denn in dieser Extremsituation war der Rosenkranz wie die Hand Gottes oder der Mutter Gottes, die dem Krebskranken einen besonderen Halt in seiner Krankheit gab. Er fühlte mit den Händen: Gott ist da, er verläßt mich nicht; er zieht mich zu ihm hin. Die ganzen Heilsereignisse Gottes konnte der Mann mit einer Hand ergreifen – oder ergriffen sie ihn?  Vielleicht ergeht es auch uns so, wenn wir den Rosenkranz ergreifen. Wir ergreifen den Rosenkranz aus dem Antrieb, ihn zu beten, Gott nahe sein zu wollen, die Heilsereignisse in Jesus Christus zu betrachten. Wir wollen den Rosenkranz ergreifen und merken nicht, wie Gott uns mit diesem Gebet ergreift. Er uns mehr oder weniger spüren läßt: „Ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir“ (vgl. Jes 43). Der Oktober lädt uns zum Rosenkranzgebet ein. Lassen wir uns einladen. Oder besser: Lassen wir uns von Gott ergreifen, damit er in unserer Seele wirken kann. Ob die junge Frau den Rosenkranz jemals gebetet hat, diese Erfahrung des Ergreifens durch Gott gemacht hat, weiß ich nicht. Ich bin ihr nie wieder begegnet. Aber ich wünsche ihr, daß sie durch unserer kurzen Begegnung ein klein wenig von Gottes Liebe zu uns Menschen erfahren konnte. Ein kleines Senfkorn, daß hoffentlich zu einem großen Glaubensbaum heranwächst.

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