Gothic und Religion

Von Carol
Alte Mythen und Göttersymbole sind heute in der Schwarzen Szene fest verankert, dabei sprechen wir nicht über das altbekannte Pentagramm. Etabliert sind die Symbole der nordischen und germanischen Götter wie Thor, Wotan und Odin oder die Midgardschlange. Hier zeigt sich wieder die enge Verwandtschaft mit der Mittelalterszene.
Aber auch die keltischen Legenden hielten Einzug in diese Gemeinschaft, das keltische Kreuz zum Beispiel oder der ewige Knoten. Hier finden sich die ersten christlichen Zeichen wieder. Erst später kamen die ägyptischen und asiatischen Götter hinzu und auch die Krafttiere der Indianer.
Es dauerte nicht lange, da wurden die Symbole miteinander vermischt und neue entstanden. Nirgendwo anders findet man soviele Elemente aus Historie und Moderne wie im Gothicbereich. Die Szene gilt allgemein als tolerant und wird zu unrecht "verteufelt", weil ihre Mitglieder vorwiegend Schwarz tragen.
Wofür stehen diese Götter?
In erster Linie für Schutz, Macht und Unsterblichkeit. Der letztere Punkt bildet den Kernpunkt der Gothic-Philosophie: Das Leben ehren im Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit und einer ewigen Seele. Natürlich spielt auch die Sehnsucht nach einer besseren Welt eine Rolle, ganz besonders für eine kleinere, abgespaltene Gruppe der Gothic-Kultur namens EMO. Ihre Sensibilität und Verletzlichkeit nimmt manchmal zwar übertriebene Formen an, doch sie bedürfen tatsächlich eines gewissen Schutzes, der ihnen durch das Unverständnis vieler Menschen versagt bleibt.
Macht? Damit ist in dieser Szene nicht das Beherrschen anderer gemeint, wie viele denken. In erster Linie geht es um die Macht, sein eigenes Leben so zu gestalten, wie man es möchte und in zweiter Linie um die Verantwortung, die man für andere trägt. Aus dieser Perspektive haben bestimmt noch nicht viele gesehen.
Die Rolle der Religion
ist in dieser Szene völlig unwichtig. Ganz egal, für welche Symbolik man sich entscheidet, der Träger assoziiert immer persönliche Wünsche und Hoffnungen damit. So tragen getaufte Christen durchaus heidnische Schmuckstücke und umgekehrt. Manche vielleicht, weil sie es schön finden und gar nicht wissen, was sie bedeuten. Doch die wirklich eingefleischten Mitglieder dieser Kultur kennen die Hintergründe und wählen ganz gezielt ihren Schmuck aus, um damit ihre Persönlichkeit zu unterstreichen.
Manche Symbole wie Totenköpfe, Särge und ähnliches machen Außenstehenden Angst. Dabei gehören diese zu einer uralten Totenkultur, die allen Völkern zu eigen war. Wir wollen nicht bewusst an den Tod denken oder uns mit ihm beschäftigen müssen. Trotzdem werden wir Tag für Tag mit ihm konfrontiert. "Normale" Menschen tragen Schwarz nur, wenn sie trauern. Gothics sind sich der Sterblichkeit jeden Tag bewusst und sie genießen das Leben ganz anders. Das ist hoffnungsvolle Botschaft jeder Religion. Gehen wir bewusster mit uns selbst und anderen um und vor allen Dingen toleranter, ganz egal zu welchem Gott der andere betet!
(Aus Vampire Magic Magazin No. 20)