Gothic als eine vielseitige Subkultur

Von Nicsbloghaus @_nbh

Natürlich gibt es zu dieser Subkultur auch wissenschaftliche, ja sogar religionswissenschaftliche, Untersuchungen.

Die Gothic-Kultur ist eine viel­sei­tige Subkultur, die ab Anfang der 1980er Jahre stu­fen­weise aus dem Punk- und New-Wave-Umfeld her­vor­ging und sich aus meh­re­ren Splitterkulturen zusam­men­setzt. Sie exis­tierte in den 1980er und 1990er Jahren im Rahmen der Dark-Wave-Bewegung und bil­det gegen­wär­tig den Hauptbestandteil der so genann­ten Schwarzen Szene. Nachfolgende Zeilen stam­men aus der Feder eines weib­li­chen Thüringer Szene-Mitglieds.

Die Anhänger der Gothic-Kultur wer­den län­der­über­grei­fend als Goths bezeich­net, obgleich diese Bezeichnung inner­halb der Szene eher sel­ten Anwendung fin­det bzw. bei vie­len Szene-Anhängern gar auf Ablehnung stößt und häu­fig hin­ter­fragt wird. Gründe hier­für fin­den sich ins­be­son­dere in der Wahrung der eige­nen Individualität. Die Gothic-Szene gilt als ästhe­tisch ori­en­tierte Subkultur, deren Mitglieder als fried­lich, aber auch als wirk­lich­keits­fremd, unnah­bar oder eli­tär wahr­ge­nom­men wer­den.

Die Durchschnittsbevölkerung wird von Teilen der Gothic-Kultur nega­tiv kri­ti­siert, etwa als kon­ser­va­tiv, kon­sum­ori­en­tiert, into­le­rant, ego­is­tisch und vom Gesetz der sozia­len Bewährtheit gelei­tet. Aus der Ablehnung die­ser Eigenschaften resul­tiert eine demons­tra­tive Distanzierung zur Gesellschaft. Aus dem Versuch der Bewältigung der Zwänge, der emo­tio­na­len Kälte und der Vereinheitlichung des Individuums in der heu­ti­gen Gesellschaft, tre­ten wie­derum die zele­brierte Melancholie und die Ideale des Individualismus her­vor. Die im Kontrast zum gesell­schaft­li­chen Jugendwahn sprich der förm­li­chen Sucht nach ewi­ger Jugend ste­hende Akzeptanz des Todes als natür­li­chen Bestandteil des Lebens wird häu­fig nach außen getra­gen und ist unter ande­rem eine Ursache für die schein­bare Todessehnsucht vie­ler Szene-Anhänger.

Religiöse und poli­ti­sche Fragen wer­den unter Goths durch­aus the­ma­ti­siert, aller­dings nicht ein­heit­lich beant­wor­tet. Der Drang zum Individualismus inner­halb der Gothic-Kultur erschwert eine ein­deu­tige Definition die­ser sowie die Zuordnung ihrer Mitglieder.

Eine gewisse Sehnsucht nach dem Mittelalter und sei­nen Mythen und Sagen ist bei eini­gen Mitgliedern der Szene anzu­tref­fen. Dabei han­delt es sich jedoch häu­fig um ein roman­ti­sier­tes Bild des Mittelalters, das viele Goths vor Augen haben und das in man­chen Fällen eine Flucht vor der rea­len Welt ermög­li­chen soll, jedoch auch teil­weise ein­fach resor­biert wird, wie etwa durch Musik der Mittelalterszene. Doch auch andere Epochen, wie zum Beispiel die Elisabethanische oder Viktorianische Epoche sowie auch die Gründerzeit oder das Fin de sicle, zie­hen das Interesse die­ser Subkultur auf sich.

Die Zugehörigkeit einer Person zur Gothic-Kultur ist unab­hän­gig von Glauben und Religionszugehörigkeit. Goths beschäf­ti­gen sich in Grundzügen mit dem Thema Religion und zie­hen indi­vi­du­elle Schlüsse, wes­halb auch hier­bei eine ein­deu­tige Zuordnung nicht mög­lich ist. Einige Teile der Szene leh­nen die Institution Kirche, bei­spiels­weise auf­grund ihrer Kritik an deren Verfehlungen im Laufe der Geschichte, aller­dings völ­lig ab. Bei man­chen Goths herrscht eine Sehnsucht nach den Ursprüngen des Glaubens und dem Heidentum vor, das im Verlauf der Christianisierung gewalt­sam zer­stört wurde. Das drückt oft­mals den Wunsch nach den eige­nen Ursprüngen und Wurzeln aus. Es lässt sich dar­über hin­aus ein Interesse an okkul­ten oder neu­heid­ni­schen Inhalten fest­stel­len. Damit ein­her geht eine Tendenz zum Synkretismus (auch Patchwork-Religion genannt).

Obwohl sich etli­che Anhänger der Gothic-Bewegung vom Satanismus dis­tan­zie­ren und ein völ­lig ande­res Lebensgefühl aus­zu­drü­cken ver­su­chen, wer­den sie auf­grund ihrer äuße­ren Erscheinung oft mit die­sem in Verbindung gebracht und von Außenstehenden belä­chelt oder gar als poten­ti­ell gefähr­lich ein­ge­stuft. Häufig wird mit okkul­ten Symbolen, z. B. dem vor­christ­li­chen Pentagramm oder dem Petruskreuz, zum Zwecke der Provokation gespielt. Oft ist es jedoch die in der Szene ver­brei­tete Faszination an der Mystik, die Goths zum Tragen okkul­ter Symbole bewegt.

Die gesell­schaft­li­chen Vorurteile tref­fen aller­dings die an sich unein­heit­li­che Gothic-Kultur in ihrer Gesamtheit. Sie mögen gerade bei jün­ge­ren Personen, die in diese Subkultur hin­ein­wach­sen, den Glauben ver­stär­ken, eine Ablehnung des christ­li­chen Glaubens oder gar eine Hinwendung zum Satanismus sei Voraussetzung, um als Szeneangehöriger aner­kannt zu wer­den. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Gothic-Szene hono­riert eher Individualismus als Zugehörigkeit zu einer bestimm­ten, dog­ma­tisch gepräg­ten Glaubensgemeinschaft. Ein klei­ner Teil der Szene ist christ­lich geprägt. Ein Beispiel hier­für lie­fert der jähr­lich zum Wave-Gotik-Treffen statt­fin­dende Schwarze Gottesdienst in der Peterskirche.

Autoren, die aus­schließ­lich für die Gothic-Szene schrei­ben, sind sel­ten und wenn, dann auch kaum bekannt, da der Käuferkreis für schwarze Lyrik nicht sehr groß ist. Christian von Aster gilt als szene-übergreifend bekann­ter Autor, der mit eini­gen Kurzgeschichten und Satiren einen Teil der Goths direkt anspricht und dort auch grö­ßere Resonanz erfährt. In Teilen der eng­lisch­spra­chi­gen Goth-Szene sehr beliebt ist die ame­ri­ka­ni­sche Autorin Poppy Z. Brite. Im Bereich des Films sind vor allem die Werke des ame­ri­ka­ni­schen Regisseurs Tim Burton zu nen­nen, des­sen Arbeiten sich sowohl bei vie­len Goths gro­ßer Beliebtheit erfreuen als auch selbst oft­mals von Gothic-Ästhetik stark beein­flusst sind. Viele Künstler der frü­hen bri­ti­schen Gothic-Bewegung waren dar­über hin­aus stark von Gothic-Horror-Filmen der 1960er Jahre und dem Film Noir beein­flusst. Diese Filme sind auch heute noch bei eini­gen Mitgliedern der Gothic-Kultur beliebt. Die Gothic-Kultur ent­stand auf der Grundlage der frü­hen Gothic-Musik, dem so genann­ten Gothic Punk, umgangs­sprach­lich auch als Batcave bezeich­net. Daneben wurde eine Vielzahl wei­te­rer Spielarten favo­ri­siert, die sich abge­se­hen vom Death Rock pri­mär im Dark-Wave-Umfeld ent­wi­ckel­ten. In den 1980er und vor allem in den 1990er Jahren star­ben viele die­ser Genres aus und wur­den schritt­weise von szene-fremden Musikstilen abge­löst, sodass die Gothic-Bewegung in ihrer gegen­wär­ti­gen Form (und bis auf wenige Nischenbands) über keine eigen­stän­dige Musikszene ver­fügt, statt­des­sen aber aus der Bandbreite der gesam­ten Schwarzen Szene schöpft. Diese Eigenart unter­schei­det sie von ande­ren Subkulturen wie der Punk- oder der Metal-Szene.