Eine Mitarbeiterin der Gothaer Versicherung war offensichtlich der Meinung, einem muslimischen Unfallopfer die Kosten für eine Haushaltshilfe nicht zu erstatten, weil dieser als Muslim ja sowieso im Haushalt nicht arbeiten würde. Als haarsträubende Begründung verwies sie sich auf den Koran, dem heiligen Buch der Muslime.
Dort schien die selbsternannte "Koran-Expertin" nämlich in Sure 4 Vers 34 einen Hinweis gefunden zu haben, der Ihre scheinheilige Begründung untermauern sollte. Sie bezog sich dort auf die genannte Verantwortung des Mannes und zog den Rückschluss, dass der Mann aufgrund der "Verantwortung" von der Hausarbeit befreit und diese somit die Aufgabe der Frau wäre. Demnach hätte er keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Haushaltshilfe, da ja seine Frau die Hausarbeit übernehmen könne.
Daraufhin verfasste sie ein Schreiben an Ihren Kunden, dessen Versand das Unternehmen auch bestätigte, in dem sie schreibt, dass bei einer traditionellen muslimischen Ehe "nicht vom Vorbild der deutschen Ehe" ausgegangen werden könne, "wo sich die Eheleute den Haushalt teilen ….. Nach dem patriarchalen und traditionellen Mannesbild in der muslimischen Ehe führt der Ehemann nicht den Haushalt."
Der Anwalt des Unfallopfers spricht deutlich von Diskriminierung und einseitiger Beurteilung. Gothaer selbst richtete über Ihre Sprecherin Martina Faßbender aus, dass sich das Unternehmen bei allen Betroffenen entschuldige und machte deutlich: "Die Kollegin hat sich völlig im Ton vergriffen".
Auch Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW, ist der Ansicht, dass die Argumentation der Sachbearbeiterin "unverschämt" sei. Versicherungen dürften bei der Ablehnung eines gestellten Anspruches nicht aufgrund einer Glaubenszugehörigkeit und keinen Unterschied zwischen den Glaubensrichtungen machen.
Was sich die Mitarbeiterin bei Ihrer Begründung dabei gedacht hat und wie sie dazu kam, einen Vers aus dem Koran eigenständig ohne eine einschlägige islamische Ausbildung auszulegen, wird man vorerst nicht erfahren. Sie befindet sich zurzeit im Urlaub. Dort hat sie jedenfalls ausreichend Zeit, sich über Ihren Fehltritt Gedanken zu machen.
SGU hat nach dem besagten Vers und auch nach einer qualitativ fundierten und repräsentativen Auslegung recherchiert und folgendes herausgefunden.
Erster Teil der Sure 4, Vers 34, auf den sich die Sachberabeiterin beruft: "Die Männer sind die Verantwortlichen für die Frauen, weil Allah den einen von ihnen mit mehr Vorzügen ausgestattet hat als die anderen und weil sie von ihrem Vermögen hingeben. [...]"
Auslegung eines islamischen Gelehrten zu dem ersten Teil des Verses:
Der Qu'ran benutzt hier einen bedeutungsvollen Ausdruck, um einige wichtige Punkte hervorzuheben. Bloße Überlegenheit des Mannes über die Frau hätte besser ausgedrückt werden können mit faddalahum 'alayhinna "Er gab ihnen (den Männern) Vorzug gegenüber ihnen (den Frauen)". Aber der Qur'an drückt etwas anderes auf: faddala-llahu ba'dahum 'ala ba'd, "Er bevorzugte einige von ihnen vor den anderen". Der dahinter liegende Gedanke ist, dass Männer und Frauen sich ergänzen und der Vorzug des einen nicht den Nachteil des anderen bedeutet, denn beide sind untrennbar miteinander verbunden. (Siddiqi)
Somit ist klar, dass beide Ehepartner aus islamischer Sicht Rechte und Pflichten haben, um sich gegenseitig zu ergänzen und nicht um sich über den anderen zu erheben. Demnach haben auch beide die Pflicht den Haushalt zu teilen.
Mit einer gewissen Mühe hätte die Dame von Gothaer sehr schnell durch eine Internetrecherche zu dieser Auslegung gelangen können.
Quellen:
http://www.wdr.de/themen/panorama/28/gothaer_muslim/index.jhtml?rubrikenstyle=panorama
http://www.news4press.com/GOTHAER-Mitarbeiterin-diskriminiert-Musl_552639.html
http://www.ftd.de/unternehmen/versicherungen/:gothaer-kreuzritter-pascha-putzt-nicht/50175304.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,719901,00.html
http://www.umma.info/content/index.php?seite=comments&vers=34&sure=4%20%28AN-NISA%29