Goethes Venedig

Wolfgang Krisai: Piazza San Marco, Venezia. Tuschestift. 2003.Auf dem Umschlag dieses Insel-Bücherei-Bändchens sieht man die von Canaletto gemalte Kirche Santa Maria della Salute, meine Lieblingskirche in Venedig. Ich las es als Vorbereitung für eine kurze sommerliche Venedigreise.

Der Band enthält lauter kurze Texte bzw. Textausschnitte Goethes, die sich mit Venedig befassen, dazu Abbildungen von Zeichnungen Goethes und Veduten, Gemälden und Kupferstichen anderer Meister.

Ein Sehnsuchtsort Goethes

Goethe ist von Venedig begeistert, da die Stadt seit seiner Jugend, wo er vom Vater ein Modell einer Gondel geschenkt bekommen hat, einer seiner Sehnsuchtsorte war. Zweimal ist es ihm vergönnt, die Stadt mit eigenen Augen zu sehen: zu Beginn seiner Italienischen Reise im Jahr 1786 und vier Jahre später noch einmal.

Goethe schreibt über die Stadt nicht nur Briefe und Tagebucheinträge, sondern auch die witzigen Venezianischen Epigramme, von denen eine Reihe in den Band aufgenommen sind. In einem davon vergleicht er die venezianischen Mädchen mit Eidechsen, die, kaum hat man sie erblickt, blitzschnell wieder verschwinden. Und, eilt man ihnen nach, einen vielleicht in eine dubiose Spelunke locken.

Theater und Literatur

Goethe interessiert nicht nur die Kunst der Stadt, sondern auch das Theater. Er sieht sich eine Aufführung einer Goldoni-Komödie an, in der das einfache Volk von Chioggia aufs Treffendste erfasst ist. Seine Sprachkenntnisse reichen aus, um das Stück genießen zu könne, auch wenn er, wie er zugibt, nicht jede Pointe mitbekommt.

Er engagiert zwei Gondolieri, die ihm auf charakteristische Weise den „Orlando furioso“ des Ariost vorsingen sollen und das auch tun: in einem Wechsel-Singsang, von einem Kanal-Ufer zum anderen hin und her.

Er beobachtet den Dogen, der an einem feierlichen Ritual teilnehmen muss und für Goethe, im Gegensatz zum typischen Habitus deutscher Fürsten, als ein ganz friedlicher Herrscher auftritt.

Müllentsorgung und Hochwasserschutz

Er wundert sich über den lässigen Umgang der Venetianer mit ihrem Müll. In die Kanäle dürfen sie nichts werfen, aber sie werfen den Müll auf die Gassen, und sobald ein Regen kommt, landet doch alles in den Kanälen…

Er interessiert sich für die Hochwasserschutzbauten am Lido, zeichnet und erklärt einen Querschnitt durch den Schutzdamm und beobachtet den auf dem Damm stattfindenden Wettlauf der Taschenkrebse mit den Muscheln, die sich immer im letzten Augenblick noch am Stein festsaugen, bevor die Krebsscheren zubeißen können.

Ein nettes Bändchen, das man schnell gelesen hat und das einem die Vielseitigkeit von Goethes Interessen wieder einmal vor Augen führt.

Goethes Venedig. Hg. v. Mathias Mayer. Mit zahlreichen Abbildungen. Insel-Verlag, Berlin 2015. Insel-Bücherei Nr. 1404. 86 Seiten.

Wolfgang Krisai: Piazza San Marco, Venezia. Tuschestift. 2003.


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