Zwei Theaterstücke, ein Kurzfilm und eine Fotoausstellung. Mehr ist an einem Abend wohl nicht möglich. Der „Junge Salon“, ein Ableger des Salon5, schafft dies. „Go with the flow“ ist der Abend übertitelt und steht damit in krassem Gegensatz zum Gezeigten. Denn dort fließt rein gar nichts richtig. Überforderung, permanenter Leistungsdruck und familiäre Desaster müssen bewältigt werden, nicht nur von jungen Leuten.
Teil 1 – unter der Leitung von Jens Ole Schmieder – couragierte die Beteiligten zu eigenen Äußerungen
Den Anfang macht ein Stück nach dem Konzept und der Regie von Jens Ole Schmieder, in Wien durch seine Zusammenarbeit mit dem Salon5 und zahlreichen anderen Theatern bekannt. Vier junge Nachwuchsschauspielerinnen und ein junger Mann sowie Margot Hruby zeigen dem Publikum, was postdramatisches Theater sein kann. Also eines, das sich nicht an vorgegebenen Handlungssträngen abarbeitet, sondern das die Texte und Ideen von den Darstellerinnen und Darstellern selbst generiert.
Ein quer durch den Raum verlaufender Catwalk mit rotem Teppich markiert den Raum, in dem oder besser auf dem sich Szene an Szene sketchmäßig aneinanderreiht. Es ist eines, sich als junger Mensch auf die Bühne zu stellen aber noch einmal etwas anderes, dabei eigene Ideen und Vorstellungen auszusprechen. Hier hat Schmieder ganze Arbeit geleistet. Nicht nur dass die Texte berühren, hintergründig und witzig sind, sie treffen den Zeitgeist bestens und spiegeln die unterschiedlichen Denkmodelle der Autorinnen und des Autors wider.
Da sinniert zu Beginn der Hüne Georg Sandner in schwarzem Mix-Match-Outfit, mit dem er aus einer Modeshow entsprungen zu sein scheint, über die Erwartungshaltung des Publikums und das, was davon nicht oder doch schon erfüllt werden wird. Mirabella Dziruni gibt einen wunderbaren Gegenpart zur Coolness von Sandner ab. Quirlig und mit reichlich Schelm im Nacken berichtet sie über eine erfolgreiche, von der Krankenkasse bezahlte Therapie, von der sie von ihrer Homosexualität geheilt wurde. Fanny Neumayer fesselt das Publikum mit einem Gedicht, in dem sie sich an ihre Kinderzeit im Garten ihrer Tante erinnert und dabei tiefe Trauer vorspielt. Sarah Dürnberger präsentiert in schwarzem Businesskostümchen eine herrliche Persiflage eines Seminars zum Thema Konfliktlösung und Elena Wolff räsoniert mit viel Humor über permanenten Joghurtgenuss und seine darmreinigende Auswirkung. Margot Hruby setzt mit ihrer pointierten Zusammenfassung eines Lebens als gestresste Mutter dem Geschehen noch seine Krone auf. „Früher hatte ich Träume, heute habe ich Sachen“ bringt sie ihre derzeitigen Lebensumstände auf den Punkt.
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Isabella Wolf inszenierte den zweiten Teil nach einem Text von Gunda Kinzl
Der Text der zweiten Bühnenaufführung des Abends stammt aus der Feder von Gunda Kinzl, die derzeit noch am Institut für Sprachkunst studiert. Immerhin zehn verschiedene Personen vereint sie in diesem Stück, das sich auch, wie schon zuvor, nicht mit der Leichtigkeit des Lebens, sondern mit dem möglichen und tatsächlichen Scheitern auseinandersetzt. Mit dem Platzen von Träumen und Wünschen und mit Ängsten, die einen schließlich so hemmen, dass man sich selbst damit im Weg steht. Kinzl erzählt aber auch von einem, wenngleich späten, Befreiungsschlag, den Margot Hruby als Katharina gegen ihren Mann Bernhard (Jens Ole Schmieder) ausführt. Bis es aber soweit ist, dürfen Sarah Neichl und Luzia Oppermann als personifizierte Lebensideen, bürokratische Steinbrocken aber auch schlechtes Gewissen und Optimierungszwillinge allen Protagonistinnen und Protagonisten das Leben schwer machen. Sie konstatieren, dass die Menschen fehlbar sind, sie gesteckte Ziele nicht einhalten und versagen und tragen noch kräftig zu diesen Fehlleistungen bei. In cremefarbigen Spitzenminikleidchen mit knallrotem Lippenstift und roten High-Heels erscheinen sie unnahbar herrschend bis man ihnen schließlich mit energiegeladener Wut entgegentritt.
Die junge Autorin schafft es, aus vielen unterschiedlichen Szenen ein Lebensgefühl zu offerieren, das nur mehr der Optimierung des eigenen Selbst verschrieben ist. Die Mahnung von Margot Hruby an ihr junges Alter Ego (ebenfalls Elena Wolff), sich doch nicht aufgrund einer Liebe die Zukunft als Musikerin zu verbauen, hilft auch durch den Einsatz eines Zeit-Warps nicht. Was geschehen muss, muss geschehen, wird der Gang des Lebens beinahe schon fatalistisch betrachtet. Johannes Kerschbaummayer, auch für die Live-Musik mit seinem Cello verantwortlich, ergibt sich dem Suff und reißt dadurch, wie die Optimierungszwillinge es ihm drohend verkünden, ein „Fenster in seiner Vita“ auf. Johannes Zemanek mimt den jungen, noch gänzlich unverbrauchten Bernhard, der mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln um seine Katharina kämpft. Es müssen jedoch nicht immer nur wirtschaftlich abgeleitete Notwendigkeiten sein, die zu Krisen führen. Da reicht schon ein leichter Sprachfehler, bei dem das S nicht richtig augesprochen werden kann, um im Handumdrehen zur Außenseiterin abgestempelt zu werden. Dora Leonardi spielt einnehmend ein naives, junges Mädchen, das sich die Frage stellen muss, ob es denn nicht doch besser zu einer Logopädin ginge, um seine Aussprache optimieren zu lassen. Das Vater-Tochter Problem, das Vanessa Dorlijsky anschaulich erläutert, wird schließlich nur durch die Wut der jungen Frau, die sie zulässt und auskotzt, gelöst.
Isabella Wolf, die auch für die Gesamtleitung des Abends verantwortlich ist, setzt in ihrer cleveren Regie auf ein gewisses Maß an Abstraktion, das sich auch in den eingespielten Videosequenzen, in denen Neichl und Oppermann zum Teil nur ausschnittweise zu sehen sind, spiegelt. Bei ihr erhält der Catwalk an seinen beiden Seiten je einen zusätzlichen, nur durch fluroiszierende Kabel markierten Raum, in welchem sich die jeweils nicht Spielenden dennoch permanent für alle sichtbar aufhalten und das Geschehen teilweise auch auditiv unterstützen.
„Es gibt nichts Schöneres, als auf einem Sofa zu liegen und ein Buch zu lesen, das man gar nicht lesen muss“ hört man einen jungen Mann zum Thema Überforderung aus dem Off im Kurzfilm von Anatol und Daphne Hruby sagen. Er beschreibt damit jenen Moment, in dem der Mensch trotz einer scheinbaren Unproduktivität, vielleicht aber gerade deswegen, ganz bei sich ist.
Jan Paul Wolff zeigt während der Zeit der Vorführungen seine Fotoausstellung “Metamorphose” mit Bildern, die er während der Vorbereitung zu diesem Projekt schoss.