Im dritten Teil der Interview-Reihe beschreibt die zwischen Shanghai und Hanoi pendelnde Julia Ackermann ihre Erfahrungen und Erlebnisse als Architekturfotografin. Seit 2005 ist sie in Asien für das Architekturbüro gmp von Gerkan, Marg & Partner tätig, wo man großen Wert auf eine qualitätvolle Dokumentation der Bauprojekte legt und für diese Aufgabe renommierte Architekturfotografen beauftragt.
Freundlicherweise darf ich die Interviews aus dem Mitarbeitermagazin gmp concrete (Ausgabe 03/09.2011), das sich dem Schwerpunktthema Architekturfotografie widmete, hier im Architekturfotoblog wiedergeben.
Die von Christian Füldner mit den Fotografinnen und Fotografen geführten Gespräche beginnen jeweils mit einem Bild, das exemplarisch für die Zusammenarbeit zwischen Fotograf und gmp Architekten steht. Interessant sind die Beschreibungen zur Herangehensweise der Fotografen an die spezifischen Aufträge, aber auch die Aussagen zu den grundsätzlichen fotografischen Positionen. Interviewt wurden Hans-Georg Esch, Heiner Leiska, Julia Ackermann und Marcus Bredt.
Julia Ackermann im Interview
Dieses (oben gezeigte) Motiv steht aus Ihrer Sicht für die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und gmp – wie kam es zu dieser Aufnahme?
Das Stadion Foshan im November 2006 – Testlauf für die Eröffnungsfeier. Wie gehen die Nutzer mit den Gebäuden um, wie verstehen sie sie, was machen sie daraus? Anspruch des Architekten versus chinesische Realität.
Auf welche Weise erschließen Sie sich Ihr Objekt, um zu entscheiden, wie Sie ein Foto aufbauen werden?
Nach dem Studium von Plänen und Perspektiven – vor Ort dann gern intuitiv.
Sind Gebäude rein statische Objekte oder lässt sich mit ihnen auch fotografisch eine Geschichte erzählen?
Statisch insofern, als dass sie mir nicht weglaufen können. Aber durch den Bezug zur Umgebung und die Inbesitznahme durch die Nutzer lassen sich durchaus Geschichten erzählen.
Welche Prozesse – organisatorisch, logistisch, technisch – spielen sich ab zwischen der Beauftragung und dem Betätigen des Auslösers?
Meist ist es nur ein Anruf. Da ich zwischen Hanoi und Shanghai pendle, kenne ich viele Projekte und bin recht schnell vor Ort. Wenn also das Wetter und die Umstände passen, dann Kamera und Stativ schnappen, ab ins Auto und zur Baustelle.
Digitale Bearbeitung: Inwiefern ist sie auch ein gestalterisches Mittel?
Kein Mittel der ersten Wahl – lediglich Tonwertkorrekturen und kleinere Retuschen, in Asien vor allem Kabelbündel und -berge. Wenn, dann überwiegend bei Modellfotografie eingesetzt.
Ist es möglich, fotografisch die Realität abzubilden?
Ein klares Jein zu dieser Frage – ich kann nur mittels meiner Wahrnehmung eine eigene subjektive Realität abbilden. „Zur medialen Rettung der Wirklichkeit gehört freilich mehr als ihre Aufzeichnung durch die Apparatur und die durch sie bewirkte Umformatierung der Wahrnehmung. Denn das durch die Apparatur gerettete Reale ist immer ein entstelltes Reales.“ Uwe C. Steiner: „Eine gelungene Anmaßung? – Die Aura der Reproduktion und die Religion des Medialen bei Walter Benjamin und Patrick Roth“.
Vor welche Probleme kann man vor Ort gestellt werden, vielleicht haben Sie eine Anekdote für uns?
Wettbewerb in Shanghai: Für die Multimedia-Präsentation soll das Modell animiert werden. Aber wie? Es ist spätabends, wir robben auf Knien durch ungeheizte Hallen. Der Modellbauer sitzt im tiefsten Pudong, quasi auf dem Dorf. Zum Glück spielt in China Essen eine so große Rolle – überall gibt es Restaurants – was liegt da näher, als sich zwei Straßen weiter einen Drehteller samt Glasscheibe auszuleihen …
Welche Rolle spielt Geduld?
Warten auf Zugangserlaubnis, Fertigstellung, besseres Wetter. Geduld, auf den entscheidenden Moment zu warten. Aber nie zu lange.
Wenn Sie Ihre Bilder mit einem Attribut versehen sollten – welches wäre das?
Kein Attribut: Das liegt ganz im Auge des Betrachters.
Wie wurden Sie Architekturfotografin?
Studium der Kunstgeschichte (CAU Kiel), Schwerpunkt Architektur und Architekturdarstellung in der Fotografie. Parallel dazu der Studiengang Fotodesign an der Muthesius-Kunsthochschule Kiel.
Die Fragen stellte Christian Füldner.
Vita Julia Ackermann
1966 in Kellinghusen, Schleswig-Holstein geboren. Nach dem Abitur 1987 Auslandsaufenthalte in Brasilien, Spanien und Portugal, 1988 als Gaststudentin an der HdK Lissabon, Fachbereich Fotodesign. Ab 1989 Studium der Kunstgeschichte, Romanistik und Europäischen Ethnologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Parallel dazu: Studiengang Fotodesign an der Muthesius-Kunsthochschule in Kiel. Arbeit mit verschiedenen bildnerischen Techniken, Schwerpunkt Fotografie seit 1988. Seit 1991 Mitglied im Künstlerbund Rendsburg. Mitglied im BBK Schleswig-Holstein und igbk. 1995 Magisterexamen: „Aspekte der Architekturdarstellung in der Fotografie der 20er Jahre. Zur Theorie des Neuen Sehens am Beispiel Alexander Rodtschenko und László Moholy-Nagy.“ Seit 1995 als Fotografin und Art Director in Hamburg, München, Shanghai (2005) und Hanoi (2009) für verschiedene Büros, Agenturen und Verlage tätig.
- Website des Architekturbüros gmp von Gerkan, Marg & Partner
- Mitarbeiterzeitschrift concrete gmp Ausgabe 03/09.2011 (PDF-Dokument)
- Xing-Profil von Julia Ackermann