Donnerstag 4. Juni 2015. Von Briennon durchs Roannais bis St-Haon-le-Châtel.
Ein frisches Ei von den eigenen Hühnern. Bei Cathérine gibt es feine Marmeladen und einen guten Kaffee zum Frühstück. Sie vermittelt mich auch gleich telefonisch ins nächste Quartier. Dann heißt es Abschied nehmen. Ein neues Stück Weg wartet. Wir spazieren ums Haus herum und Cathérine erzählt mir, dass sie das Motiv mit der blau gestrichenen Eingangstür als Motiv bei Facebook und auf ihren Werbekärtchen hat. Die orangefarbenen Lilien stehen in schönem Kontrast zur blauen Tür.
Neben dem Haus blühen Zwiebeln mit kugeligen Blüten, von denen ich ein Makrofoto mache. Diese warmen, intensiven Farben der Blüten und der Hausfront sind in der Morgensonne umwerfend beeindruckend. Dann starte ich gegen 9:15 Uhr. Zunächst muss ich nach Briennon zurück und benutze dazu den empfohlenen Weg entlang des Roanne-Digoin-Kanals. Nach 2,2 km erreiche ich an der Brücke in Briennon wieder den Jakobsweg.
Ich nehme mir einige Minuten Zeit für die Kirche in Briennon, die auf das 11. Jahrhundert zurückgeht. Die romanischen Kapitelle sind flächig bemalt.
Aus der kühlen Kirche gehe ich wieder hinaus in die Hitze, vorbei am kleinen Hafen und einer Scheune, die aus Ziegeln erbaut ist: durch die feinen Schlitze kann stets die Luft zirkulieren.
Der Jakobsweg verlässt den Kanal und führt durch ein Wohngebiet und an einem schattigen Wald entlang. Nach etwa einer Stunde bin ich in La Bénisson-Dieu angelangt und mache einen Abstecher zur einstigen Zisterzienserabtei. Es ist das dritte ehemalige Kloster seit Charlieu.
In der Französischen Revolution wurde der Kreuzgang zerstört. So kann ich heute nur die beachtlich große Klosterkirche bewundern und die Rosen vor der Mauer. Die Hitze hat mich auf dem kurzen Wegstück schon beinahe wieder lahm gelegt. Es ist gegen Mittag. Ich mache eine ausgiebige Pause in den kühlen, schattigen Mauern, die den Geist der Vergangenheit in sich tragen. Ich bin der einzige Mensch hier. Es ist unglaublich ruhig.
Einen Kilometer weiter fehlt eine Brücke über den Fluss. Kleine Betonpföstchen dienen als „Trittsteine“. Nach einem Starkregen sieht diese Stelle sicherlich gefährlicher aus.
Der Weg knickt vor den Ortschaften ab. Hin und wieder kommen große Teiche, die vielleicht früher von den Mönchen zur Fischzucht angelegt wurden. Das kühle Nass zieht mich magisch an, Schilder wie „Privée“ und am Ufer sitzende Angler halten mich von einem kühlenden Bad allerdings ab.
Später läuft der Weg auf die Nationalstraße 7 zu, auf der ein unendlich tosender Verkehr schon aus der Ferne zu erkennen ist. Ich bin über mein Trinksystem sehr froh, denn so habe ich immer einen Schluck Wasser greifbar, wenn ich Durst verspüre. Und das ist oft genug der Fall.
Endlich geht es durch das Dörfchen St-Romain-la-Motte und da gibt es sogar eine Bar! Juhuu! Schnell ist auch klar, dass es innen kühler ist als draußen. Nun sitze ich drinnen, den Rucksack habe ich draußen auf seinem Stuhl gelassen. Ein Panaché, ein Aprikosensaft, ein Espresso. Weiter gehts.
Hinter St-Romain-la-Motte steuert der Weg auf eine Bahntrasse zu. Ein Kilometer Umweg ergibt sich dadurch, dass man diese erst weiter links offiziell überqueren kann und dann auf der anderen Seite zurück geht. Bäume und Schatten sind inzwischen Mangelware geworden und ich frage mich, wie das die weißen Charolais-Rinder auf den Weiden eigentlich den ganzen Tag lang aushalten. Wenn es einen Baum gibt, stehen sie dicht an dicht in seinem Schatten. Am Himmel fliegt seit Stunden ein Düsenjäger seine Übungsrunden: Mal hinwärts, mal zurück und nach einer Weile wieder von neuem. Die Hitze legt mich allmählich lahm. Die Felder sind flach, weit, scheinbar endlos.
Jour après jour la route nous appelle, c’est la voix de compostelle
Den ganzen Tag über bin ich weitgehend in der Ebene des Loiretals gewandert. Die Loire verläuft etwa zehn Kilometer links des Weges etwa parallel zum Jakobsweg. Zum Ende des Tages hin steigt der Weg nun auch noch an. Das Ganze – wie gestern und typisch Camino – gegen die Abendsonne, die mich frontal bescheint. Nach dem Überqueren der D8 steigt es nun richtig saftig an. St-Haon-le-Châtel liegt in den Ausläufern der Madeleine-Berge. Die Mühe des Aufstiegs hat ihr Gutes: Die Aussicht in die Loire-Ebene ist hervorragend. Das Örtchen mit seinen knapp 600 Einwohnern überrascht durch seine uralten Häuser, die teilweise aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammen. Mittelalter-Feeling stellt sich ein. Ich gehe weiter aufwärts und komme gegen 18 Uhr zum Place Verdun vor dem Rathaus.
Da ist rechts das Restaurant Au Natur’Elles und links davon eine Mischung zwischen Boutique, Feinkost und Bar. Cathérine hatte mir erklärt, dass die Leute vom Restaurant auch die Gîte d’Etape bewirtschaften. Deshalb trinke ich erstmal eine kühle Orangina vor der Bar. Schon hat mich Natalie von nebenan als den angemeldeten Pilger ausgemacht und zeigt mir gleich den Weg zur städtischen Herberge. Dort bin ich neben einem älteren Herrn, der hier seinen Sohn besucht, der einzige Übernachtungsgast. Duschen, umziehen, Klamotten waschen und zum Trocknen aufhängen.
Vor dem Abendessen noch ein kleiner Spaziergang durch die alten Gassen. Die Stadtbefestigung stammt aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Die Hitze strahlt noch aus denMauern. Die Abendsonne bringt die kleinen Gässchen zum Leuchten. Dann sitze ich wieder vor dem Au Natur’Elles und harre der „Halbpension“, die da kommen wird… Die Terrasse ist sehr geschmackvoll dekoriert, alle Plätze sind belegt. Das Essen schmeckt ausgezeichnet. Nach dem Apéritif Maison und dem Roséwein ist auch mein Flüssigkeitsbedarf meine Laune wieder bestens.
Gegenüber fliegen Schwalben ums Haus. Auf einem Fenstersims sitzt eine Katze und bewegt lüstern ihre Augen entlang der Flugbahnen der Schwalben. Leider kann sie nicht fliegen…
27,2 km 2,84 km/h 9:34 550 hm 536 hm 319,6 km.
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